Wolf Dieter Blümel

Wüsten


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auch Niederschläge in Form von Regen. Loris (2004) gibt für den Benguela-Strom bei 300 km Küstendistanz 16 – 20 °C, für die Küste selbst nur 12 °C an. Über dem kalten Wasser stellt sich eine stabile Luftschichtung ein. Relativ kalte Luft über der Oberfläche und relativ warme Luft in der Höhe verhindern einen wirksamen turbulenten Luftaustausch und die Bildung von Konvektionswolken. Es entsteht lediglich eine Nebeldecke, die tagsüber als Hochnebel meist über dem Meer bleibt und nachts einige Zehner Kilometer weit bodennah in das Inland zieht (Advektionsnebel; Foto 5). Mit der Morgensonne löst sich der Nebel rasch wieder auf; die Aufheizung über dem Festland zehrt auch schnell die Nebelnässe an der Bodenoberfläche auf. Es entsteht eine Küstenwüste mit extremer Regenarmut, aber ökologisch sehr wichtigen und wirksamen Nebelauftritten (Kap. 12.2; 13.2).

      Abb. 12

      Schematischer Querschnitt durch die Wüste Namib und das namibische Hochland. Absteigende Luftmassen von der Großen Randstufe (1700 – 2000 m) führen zur adiabatischen Wolkenauflösung und sind für die Aridität der östlichen Namib mit verantwortlich (orographische Wüste). Der Westteil ist eine Küstenwüste unter dem Einfluss kalter Auftriebswässer des Benguela-Stroms und ökologisch gekennzeichnet durch häufige Nebelnässe.

      Die südwestafrikanische Namib und die südamerikanische Atacama sind mit ihren ozeannahen Abschnitten die bekanntesten Küstenwüsten und werden durch antarktisches Auftriebswasser geprägt (Benguela- und Humboldt-Strom). An der SW-Flanke Nordamerikas verläuft der von Norden kommende Kalifornien-Strom. Er verursacht die zu Mexiko gehörende Küstenwüste Baja California, die teilweise ebenfalls zu den Passatwüsten zu zählen ist. An der westafrikanischen Küste sorgt der Kanarenstrom für regional wüstenhafte Verhältnisse.

      Wie angedeutet, sind nur die relativ küstennahen Bereiche mit ihrer extremen Trockenheit tatsächlich das Produkt des kalten Auftriebwassers. Der übrige Teil der Wüsten Namib und Atacama sind orographisch und großklimatisch bedingt (Abb. 12). Die Niederschlagsarmut der Namib mit durchschnittlich nur einigen Millimetern Regen pro Jahr (Jacobson et al. 1995) wird allerdings durch den häufigen Nebel relativiert: Besler (1972) hat für den atlantiknahen Teil der Wüste zutreffend den Begriff Nebelwechsel-Wüste eingeführt. Weischet (1966) trennt bei der Atacama eine Küsten- und Feuchtluftwüste von der echten Binnenwüste. Die besondere ökologische Bedeutung des Nebels wird in Kap. 12 und 13 beschrieben.

      Foto 5

      Bewölkung Namibias am 14. April 2008: Westlich der Großen Randstufe erfolgt durch den adiabatischen Luftmassenabstieg eine rasche Wolkenauflösung über der Namib. Dieser orographische Effekt ist wesentlich für die Aridität der östlichen Namib verantwortlich. Durch die hier nur noch schwachen Niederschläge (<100 mm/Jahr) fehlt das flächige Grün und die Wüstenfläche wird klar betont (Quelle: NASA).

      4.6 Kältewüsten und Hochgebirgswüsten

      Sogenannte Kältewüsten finden sich in polaren Regionen und in bestimmten Hochgebirgsbereichen. Im Unterschied zu den unter 4.1. – 4.5 genannten Trockenwüsten aufgrund von Wassermangel und sehr hoher Verdunstung ist hier Wärmemangel ein entscheidender Grund für wüstenhafte Vegetationsbedingungen. Ist die Vegetationsperiode so kühl und/oder kurz, dass sich keine oder nur wenige Pflanzen ansiedeln können, hat man eine Schutt- oder Felswüste vor sich. Es sind vor allem Flechten und Moose sowie wenige Phanaerogamen (Blütenpflanzen), die als Pionierpflanzen den geringsten Wärmeanspruch haben und am weitesten in hochpolare oder in die obersten Gebirgsregionen vordringen können. Sie sind gut gerüstet gegen Kälte- sowie häufig auch gegen Trockenstress. Trockenheit oder mangelnde Erreichbarkeit flüssigen Wassers sind Standortfaktoren, die sowohl in schnee- und regenarmen Polarregionen wie auch in den obersten Stufen von Hochgebirgen weltweit vergleichbar anzutreffen sind.

      Als Kältewüste werden arktische und antarktische Bereiche (= Polare Wüsten) sowie Hochgebirgsregionen definiert, deren Bewuchsdichte durch baumlose Tundrenpflanzen und Gebirgspflanzen weniger als 10 % der Fläche ausmacht. Sie ist mit dem geomorphologischen Begriff der Frostschuttzone identisch. Polare Wüsten liegen oberhalb des Polarkreises. Ihr klimatischer Jahresgang wird geprägt durch extreme Beleuchtungsjahreszeiten (Polartag/Polarnacht) und damit auch durch ein extremes Temperaturregime mit sehr tiefen Wintertemperaturen (ausgeprägtes Jahreszeitenklima). Die Niederschläge fallen vornehmlich als Schnee. Regional werden weniger als 100 mm/Jahr gemessen (Wasseräquivalent). Das entspricht der Größenordnung vieler heißer Wüstenregionen. Jedoch ist aufgrund der sommerlichen kühlen Temperaturverhältnisse die Verdunstungsrate um ein Vielfaches geringer und damit der Grad der Wasserknappheit für Pflanzen nicht vergleichbar. Andererseits wirkt regional ein heftiges Wind- oder Sturmregime, das zusätzliche Verdunstung und Abkühlung bewirkt mit dem Effekt, dass dort auch echter Trockenstress auftritt. Die polare Wüste mit ihrem Mangel an (Gefäß-)Pflanzen ist aber in erster Linie eine Kältewüste – so die gängige Bezeichnung. Treffender wäre aber der Begriff Wärmemangelwüste: Verantwortlich ist das relative Einstrahlungsdefizit in den höchsten polaren Breiten. Der Polarsommer erlaubt nur eine sehr kurze Vegetationsperiode. Im Sommer steigen die Temperaturen einige Grad über den Nullpunkt und lassen den oberflächennahen Untergrund auftauen, die Wärmesumme des Sommers reicht aber trotz durchgehender Einstrahlung für die meisten Blütenpflanzen nicht mehr zum Wachstum und zur Reproduktion aus. Wo die Mitteltemperatur des wärmsten Monats unter 6 °C bleibt, können meist nur noch Kryptogamen und wenige Gefäßpflanzen überdauern. Von Kältewüste spricht man, wenn weniger als 10 % der Fläche von Pflanzen besetzt sind.

      4.6.1 Polare Kältewüsten

      Kältewüsten finden sich in der Arktis in den Pol-nächsten Bereichen von Grönland, Spitzbergen sowie kanadischen und russischen Inseln (Abb. 63). Sie sind Teil des übergeordneten Periglazialgebietes (unvergletschertes, baumloses Polargebiet). Der Untergrund wird von kontinuierlichem Permafrost eingenommen; der wenige Dezimeter tiefe sommerliche Auftauboden trägt Tundrengesellschaften (Nieder- und Hocharktische Tundra). Wo diese enden, schließt sich die klimageomorphologische Frostschuttzone an; sie ist mit der botanisch assoziierten Kältewüste identisch (Foto 6). Deren Fläche umfasst etwa 1 Mio. km2. Die saisonalen Frostwechselereignisse zwischen Sommer und Winter sowie die diurnalen Frostwechsel in den Übergangsjahreszeiten erzeugen die typischen Frostmusterstrukturen der polaren Kältewüste: Auf flachen Standorten entstehen Steinpolygone unterschiedlichen Durchmessers (meist 1,5 – 20 m Durchmesser); an Hängen bis 15° Neigung finden sich Steinstreifen und Feinerdebeete als Ausdruck ungebundener Solifluktionsprozesse.

      Foto 6

      Kältewüste (Frostschuttzone) an der NW-Küste Spitzbergens (Kvaadehuksletta). Bei der Verwitterung dominiert die Frostsprengung, daher wird die Polarwüste als Frostschuttzone bezeichnet. Insbesondere klüftige und poröse Gesteine zerfallen leicht und bilden typische Sturzkegel oder Schutthalden.

      Im Südpolargebiet zählen nahezu alle unvergletscherten Bereiche zur Kältewüste. Eine Ausnahme macht die Spitze der unterhalb des Polarkreises liegenden Antarktischen Halbinsel, wo kleinräumig der hocharktischen Tundra nahekommenden Tundrenflecken auftreten (Blümel 1999). Auch diese maritim beeinflussten Areale sind von kontinuierlichem Permafrost unterlagert. In der Antarktis sind zwei sehr unterschiedliche Typen der Kältewüste entwickelt – eine zwar ozeanisch gemilderte und feuchte, aber äußerst sommerkühle Westantarktis (Antarktische Halbinsel) und der Typ der extrem trocken-kalten (kontinentalen) Wüste der Ost-Antarktis. Zu letzterer gehören v. a. die unvergletscherten Dry Valleys und das Victoria-Land. Hier handelt es sich um die Folgen einer extremen Trockenheit, die trotz stärkerer Insolation pflanzliches Wachstum verhindert. Die geringen Schneefälle verdunsten, ohne biotisch wirksam zu werden (Campbell & Claridge 1987). Rein physiognomisch