Морис Леблан

Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner


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Schaukelstühlen auf dem Oberdeck. Das Gewitter des Vorabends hatte den Himmel gelichtet, eine zauberhaft schöne Atmosphäre.

      »Ich weiß nichts Genaues, mein Fräulein«, antwortete ich ihr, »aber haben wir nicht selbst die Möglichkeit, Ermittlungen anzustellen, ebenso wie es der alte Ganimard, der persönliche Feind Arsène Lupins, machen würde?«

      »Sie nehmen sich aber viel vor.«

      »Warum denn? Ist das Problem wirklich so schwierig?«

      »Sehr schwierig.«

      »Sie vergessen die Anhaltspunkte, über die wir verfügen, um es zu lösen.«

      »Welche Punkte?«

      »Erstens reist Lupin unter dem Namen Herr R …«

      »Ein etwas dürftiger Steckbrief.«

      »Zweitens ist er allein.«

      »Wenn Ihnen diese Besonderheit genügt?«

      »Drittens ist er blond.«

      »Na und?«

      »Nun brauchen wir nur noch in die Passagierliste zu sehen und herauszunehmen, wer in Frage kommt.«

      Ich hatte die Liste in meiner Tasche, zog sie heraus und überflog die Namen.

      »Ich stelle zunächst fest, dass nur dreizehn Personen auf Grund ihres Anfangsbuchstabens unsere Aufmerksamkeit verdienen.«

      »Nur dreizehn?«

      »In der ersten Klasse, ja. Von diesen dreizehn Herren R… wie Sie sich überzeugen können, sind neun von Frauen, Kindern oder Dienern begleitet. Somit bleiben vier alleinstehende Personen: der Marquis de Raverdan …«

      »Sekretär an der Botschaft«, unterbrach mich Miss Nelly, »ich kenne ihn.«

      »Major Rawson …«

      »Das ist mein Onkel«, sagte jemand.

      »Herr Rivolta …«

      »Hier!« rief einer aus unserer Gruppe, ein Italiener, dessen Gesicht unter einem Bart von schönstem Schwarz verschwand.

      Miss Nelly lachte:

      »Der Herr ist nicht unbedingt blond.«

      »Also«, fuhr ich fort, »müssen wir zu dem Ergebnis kommen, dass der Schuldige der Letzte auf der Liste ist.«

      »Das heißt?«

      »Das heißt: Herr Rozaine. Kennt jemand Herrn Rozaine?«

      Alle schwiegen. Nur Miss Nelly rief den jungen, schweigsamen Mann heran, dessen Beharrlichkeit ihr gegenüber mich beunruhigte, und sagte:

      »Nanu, Herr Rozaine, Sie antworten nicht?«

      Wir wandten uns ihm zu. Er war blond. Ich will es zugeben, das versetzte mir einen kleinen Stoß im Innern. Und die drückende Stille, die auf uns lastete, zeigte mir, dass die anderen Anwesenden ebenfalls diese Beklemmung verspürten. Es war übrigens absurd, denn schließlich gab nichts in dem Benehmen des Mannes dazu Anlass, ihn zu verdächtigen.

      »Warum ich nicht antworte? Weil ich in Anbetracht meines Namens, meiner Eigenschaft als Alleinreisender und der Farbe meiner Haare eine ähnliche Untersuchung vorgenommen habe und zu demselben Ergebnis gekommen bin. Ich bin also der Ansicht, dass man mich verhaften muss.«

      Er sah komisch aus bei diesen Worten. Seine Lippen, die so dünn waren wie zwei gerade Striche, wurden noch schmaler und blasser. Die roten Äderchen im Weiß seiner Augen traten hervor.

      Natürlich, er machte Spaß. Dennoch beeindruckte uns sein Ausdruck und seine Haltung. Naiv fragte Miss Nelly:

      »Aber Sie haben keine Verletzung?«

      »Das ist wahr«, sagte er, »die Verletzung fehlt.«

      In einer nervösen Bewegung schob er seinen Ärmel hoch und entblößte den Arm. Im gleichen Augenblick kam mir ein Gedanke. Mein Blick begegnete dem von Miss Nelly. Er hatte den linken Arm gezeigt!

      Und, bei Gott, ich war gerade im Begriff, eine eindeutige Bemerkung zu machen, als ein Zwischenfall unsere Aufmerksamkeit ablenkte. Lady Jerland, Miss Nellys Freundin, kam angelaufen.

      Sie war entgeistert. Wir drängten uns um sie, und erst nach einiger Anstrengung gelang es ihr, zu stammeln:

      »Meine Schmuckstücke … meine Perlen! … Alles gestohlen!«

      Nein, es war nicht alles gestohlen worden, wie wir gleich darauf erfuhren; was noch merkwürdiger war: Es war ausgewählt worden.

      Von dem Stern aus Diamanten, dem Anhänger an der Kette aus ungeschliffenem Edelstein, den durchbrochenen Halsketten und Armbändern hatte man nicht die größten Steine genommen, sondern die feinsten und kostbarsten, diejenigen, könnte man sagen, die den größten Wert darstellten und den wenigsten Platz einnahmen. Die Fassungen lagen dort auf dem Tisch. Ich sah sie, alle sahen wir sie ihrer Steine beraubt wie Blumen, denen die schönen leuchtenden bunten Blüten abgerissen worden waren.

      Um diese Arbeit durchzuführen, war es nötig gewesen, während der Stunde, in der Lady Jerland zum Tee ging, am helllichten Tag und in einem belebten Flur die Tür der Kabine aufzubrechen, einen kleinen, vorsorglich auf dem Boden einer Hutschachtel versteckten Beutel zu finden, ihn zu öffnen und auszuwählen!

      Nur ein Gedanke beherrschte uns alle. Unter allen Passagieren gab es nur die eine einstimmige Meinung, als der Diebstahl bekannt wurde: Das war Arsène Lupin! Und es war tatsächlich seine komplizierte, geheimnisvolle, unfassbare und doch logische Art; denn wie schwierig war es, die sperrige Masse aller Schmuckstücke zu verstecken, und wie viel weniger Risiko war mit den kleinen, voneinander unabhängigen Stücken, den Perlen, Smaragden und Saphiren, verbunden.

      Beim Mittagessen blieben rechts und links von Rozaine die beiden Plätze frei. Am Abend erfuhren wir, dass er zum Kommandanten gerufen worden sei.

      Seine Verhaftung, an der niemand zweifelte, ließ uns alle erleichtert aufatmen. An diesem Abend spielten wir kleine Spiele. Wir tanzten. Überhaupt, Miss Nelly zeigte eine betäubende Fröhlichkeit, die mir bewies, dass, wenn ihr die Huldigungen von Rozaine am Anfang gefallen haben mochten, sie sich jetzt kaum mehr an sie erinnerte.

      Ihr Charme eroberte mich. Gegen Mitternacht gestand ich ihr im hellen Mondschein meine Ergebenheit mit einer inneren Bewegung, die ihr nicht zu missfallen schien.

      Aber am nächsten Tag erfuhren wir zur allgemeinen Verblüffung, dass Rozaine frei war, da die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nicht ausreichten.

      Als Sohn eines angesehenen Geschäftsmannes in Bordeaux hatte er vollkommen ordnungsgemäße Papiere vorgewiesen. Außerdem zeigte sich auf seinen Armen nicht die geringste Spur einer Verletzung.

      »Papiere! Geburtsurkunden!« riefen Rozaines Feinde. »Arsène Lupin liefert Ihnen, so viel Sie wollen! Was die Verletzung anbetrifft, so hat er keine erhalten … oder ihre Spuren beseitigt!« Man warf ihnen vor, dass Rozaine zu der Stunde des Diebstahls – das war bewiesen – an Deck spazieren gegangen war. Worauf sie erwiderten:

      »Hat ein Mann vom Schlage Arsène Lupins es nötig, beim Diebstahl, den er begeht, dabei zu sein?«

      Außer dieser absurden Überlegung gab es noch einen Punkt, den auch die Skeptischen nicht in den Wind schlagen konnten. Wer außer Rozaine reiste allein, war blond und hatte einen Namen, der mit R begann? Wen sollte das Telegramm sonst meinen, wenn nicht Rozaine?

      Und als Rozaine einige Minuten vor dem Mittagessen mutig auf unsere Gruppe zukam, standen Miss Nelly und Lady Jerland auf und entfernten sich.

      Das war gut und gerne Furcht.

      Eine Stunde später ging ein handgeschriebener Umlauf unter den Angestellten an Bord, den Matrosen und den Reisenden aller Klassen von Hand zu Hand: Herr Louis Rozaine versprach demjenigen zehntausend Francs, der Arsène Lupin entlarvte oder den Besitzer der gestohlenen Steine fände.

      »Und wenn mir niemand gegen diesen Banditen zur Hilfe kommt«, erklärte er dem