Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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Die vielfältige Verwendung von εἰς in der Koine eröffnet ein breites Bedeutungspotential für die εἰς-Taufformel. Im NT finden sich εἰς mit lokaler, übertragener oder auch finaler Bedeutung, zur Angabe der Richtung eines Geschehens, als Rückbezug und allgemein als „im Blick auf“.6 Delling meint dennoch für εἰς Χριστόν7 im Corpus Paulinum eine einheitliche Bedeutung ausmachen zu können: „Es ist das zentrale Heilsgeschehen von Kreuz und Auferstehung, auf das hin Gott am Menschen handelt […]“.8 Wenn auch seine Untersuchung in weiten Teilen überzeugt, bleibt dennoch anzufragen, ob nicht die Weite von εἰς im Rahmen einer Formel, welche noch deutlich erkennbare Variabilität aufweist, mindestens durchschimmert.

      5) Die εἰς-Taufformel hat in ihrer Kürze und Verwendung eindeutig Formelcharakter, wenn auch die (Eindeutigkeit ihrer) Aussage umstritten bleibt. Zwei grundlegende Untersuchungen zur εἰς-Taufformel könnten kaum unterschiedlicher sein: Während Hellholm mehrere Tauftraditionen unterscheidet und ihnen differierende Bedeutungen und Funktionen zuweist,9 erkennt Delling ein einheitliches Verständnis von εἰς Χριστόν und der Taufformel sogar über diese hinaus.10 Trotz dieser sehr unterschiedlichen Auffassungen gehen beide von der gleichen, m.E. zu überdenkenden Voraussetzung aus, dass es sich bei βαπτίζω εἰς Χριστόν bereits zur Zeit der Paulusbriefe um eine feste Formel handelt. Dafür spricht durchaus, dass sie etwa in Röm 6,3a als bereits bekannt angeführt wird11 und die sprachlichen Strukturen von Röm 6,3f; Gal 3,27f sowie 1Kor 12,13 auch Traditionscharakter tragen. Die gerade dargelegte Variabilität wie auch die sich auf die εἰς-Taufformel richtenden erläuternden Aussagen in Röm 6,3c–4; Gal 3,27b–28 und 1Kor 12,13, v.a. die Parallelkonstruktionen von Röm 6,3b.c und Gal 3,27a.b sprechen jedoch gegen eine allzu starke Formelhaftigkeit und Eindeutigkeit der Formulierung.

      Vor abschließenden Thesen folgt zunächst ein kurzer Exkurs zur Sonderstelle 1Kor 10,1–4 und sodann ist noch vergleichend zu fragen, ob sich für die ὄνομα-Taufformel, auch wenn sie sich dezidiert in keinem der hier schwerpunktmäßig untersuchten paulinischen Texte findet, ein ähnlicher oder möglicherweise ganz anderer Befund wie für die εἰς-Taufformel erheben lässt.

       Exkurs: 1Kor 10,1–5

      1 Ich will nicht, dass ihr unwissend darüber seid, Brüder, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind, 2 und alle auf Mose getauft worden sind in der Wolke und in dem Meer 3 und alle dieselbe geistige Speise gegessen haben 4 und alle denselben geistigen Trank getrunken haben. Denn sie tranken aus dem geistigen Felsen, welcher nachfolgte. Der Fels aber war (der) Christus. 5 Aber Gott hatte an vielen von ihnen keinen Wohlgefallen, denn sie wurden in der Wüste getötet.

      Mit Blick auf die Deutung der christlichen Taufe interessieren einerseits die Funktion von Wasser (und der Wolke) in diesem Kontext und in Anschluss daran andererseits die Deutung der Formulierung εἰς τὸν Μωϋσῆν ἐβαπτίσθησαν. Während das Meer, durch welches das Volk hindurchziehen muss, dieses eindeutig gefährdet, würde die Wolke bei Paulus „uneingeschränkt auf die Seite des Heils“ gehören.12 Die Kombination von Wasser und Wolke deutet Ostmeyer folgendermaßen: „beide Elemente bilden eine Einheit und stehen für die Bewahrung […] in einem existenzbedrohenden Geschehen“.13 Es handelt sich demnach um eine Rettung durch die Bedrohung des Wassers hindurch, wie sie auch mit Hilfe des Bildes von der Sintflut zum Ausdruck gebracht werden kann (1Petr 3,20f).

      Als schwieriger stellt sich die Deutung des βαπτίζω εἰς dar, welche mit der Frage verbunden ist, ob über die Ähnlichkeit mit der εἰς-Taufformel eine Analogie zwischen Christus und Mose ausgesagt werden soll und wenn ja, von welcher Art diese ist. Die Erklärungen reichen von der Verneinung einer taufspezifischen Bedeutung der Formulierung überhaupt,14 über die Vermutung einer „ad hoc-Konstruktion“15 bis hin zu klaren Parallelisierungen von Mose und Christus als diejenigen Personen, denen man als von Gott auserwählte Führer zugehört16 oder deren Namen als Sigle für das rettende Handeln Gottes zu verstehen sind.17

      Eine direkte Analogie zwischen beiden Personen ist nicht zuletzt deswegen auszuschließen, weil nicht allein die Person Jesus Christus, sondern v.a. dessen Sterben und Auferstehen für das Ritual der Taufe eine andere Bedeutung gewinnt18 als die Person des Mose im einmaligen Durchzug durch das Schilfmeer. Außerdem findet βαπτίζω im Neuen Testament nicht als reiner terminus technicus für die christliche Taufe Verwendung, sondern lässt auch immer wieder die Grundbedeutungen des Verbes durchscheinen. Insofern ist βαπτίζω an dieser Stelle als Ein- und Hindurchgehen durch lebensgefährliche Wasser zu verstehen, wie sie auch im Taufvollzug imaginiert werden, wobei über εἰς diejenige Person benannt wird, auf deren Geheiß und in deren Gefolge man hindurchgeht. εἰς nimmt in 1Kor 10,2 demnach eine andere Bedeutung als in der εἰς-Taufformel an.

      2.2 βαπτίζειν εἰς τὸ ὄνομα Χριστοῦ

      2.2.1 Textstellen und Varianten

      Die zumeist von der Literatur als eigentliche Taufformel benannte Version βαπτίζω εἰς τὸ ὄνομα liegt nur an wenigen Stellen vor: … τοῦ κυρίου Ἰησοῦ (Apg 8,16; 19,5) sowie … τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος (Mt 28,19). Daneben sind zwei Varianten belegt: … ἐπὶ τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ (Apg 2,38) und ἐν τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ (Apg 10,48). Bei Paulus begegnet die ὄνομα-Formel selbst nicht. Die Formulierung εἰς τὸ ὄνομα Παύλου (1Kor 1,13), worauf sich wiederum εἰς τὸ ἐμὸν ὄνομα (1Kor 1,15) bezieht, macht allerdings wahrscheinlich, dass er sie gekannt hat. Die Vielfalt der Forschungspositionen liegt nun weniger im Variantenreichtum des Vorkommens der Formel begründet als in der sich grundsätzlich unterscheidenden Ableitung entweder aus dem Semitischen oder dem hellenistischen Griechisch begründet.1

      2.2.2 Herleitung aus dem Griechischen

      Erstmals und ausführlich hat Wilhelm Heitmüller griechische Papyri, Inschriften und Ostraka dahingehend untersucht und fand die Formulierung „εἰς τὸ ὄνομα XY“ als Fachausdruck im Bankenwesen für „etwas auf das Konto von XY zu transferieren“ vor.1 Sämtliche neutestamentlichen Varianten gehen seiner Meinung nach auf diesen finanztechnischen Ausdruck zurück: Metaphorisch würde der Christ in der Taufe „auf das Konto Christi eingezahlt“. Die Analyse der neutestamentlichen Verse führt ihn sodann zu der Überzeugung: „Somit dürfte sicher sein, dass εἰς τὸ ὄνομα τινος nicht nur die Zueignung an eine Person, die Herstellung des Zugehörigkeitsverhältnisses bezeichnet, sondern die Zueignung unter – irgendwelchem – Gebrauch des Namens der betreffenden Person.“2 Dass die Formel hier bedeutungsgleich für den völlig anders gearteten Kontext der frühen Kirche angenommen wird, ist zu mindestens anzufragen, zumal eine zweite Herleitungsmöglichkeit, nämlich aus dem Hebräischen, existiert.

      2.2.3 Herleitung aus dem Hebräischen

      Spricht die LXX von ὄνομα dann allermeist als Übersetzung von שם‏‎. Die entsprechenden alttestamentlichen Erzählungen wissen dabei um die besondere Macht eines Namens, speziell wenn er (über einen anderen) ausgesprochen wird.

      Besonders deutlich wird dies bei der Benennung der Tiere durch Adam (Gen 2,20), die einen Herrschaftsakt darstellt. In ähnlicher Weise benennt der Schöpfer die Sterne (Ps 147,4). Das Ausrufen des eigenen Namens bringt eine eroberte Stadt in den Besitz des Er­oberers (2Sam 12,28) und das Volk Israel wird zum Eigentum Jahwes (Jes 63,19). Das Kennen des Namens kann einen Aspekt einer Berufung darstellen (Ex 33,12). Jeremia wiederum schöpft daraus Trost und Freude, dass ἐπικέκληται τὸ ὄνομά σου ἐπ‘ ἐμοί (Jer 15,16). Auch das Weiterleben des eigenen Namens in den Nachkommen