Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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Gott wird in seinem Namen verehrt, angerufen oder gedient. Aber auch ein Mensch ist auf unvergleichbare Weise gekannt, vielleicht sogar erkannt, wenn Gott seinen Namen ruft. Andererseits kann der Name eine Art Brückenfunktion zwischen den Beteiligten einnehmen: Wenn etwa „im Namen eines anderen“ ein Brief verfasst oder eine Botschaft ausgerichtet wird – sei sie von Menschen oder Gott selbst. Was auch immer der Name im Einzelnen „bezeichnet“, tritt doch immer der besondere Beziehungsaspekt in den Fokus – ob zwischen Menschen oder auch zwischen Mensch und Gott: voller Erwartung und Vertrauen auf den anderen,2 aber auch voller Kraft und Wirkung durch dessen Namen.3 Die Form לשם‏‎ findet dann auch in rabbinischer Zeit Verwendung in rituellen Kontexten, um die Beziehung und Bedeutung eines Abwesenden innerhalb des Rituals auszudrücken. Diese Zuordnung kann sehr vielfältig ausfallen, lediglich die grundlegende Bezugnahme des Rituals auf die mit Namen benannte Person ist offensichtlich und gemeinsam. Welche funktionale oder auch inhaltliche Beschreibung der Beziehung Christus–Taufe/Täufling über die ὄνομα-Taufformel ausgedrückt wird, ist daher kaum direkt oder gar eindeutig aus ihren sprachlichen Wurzeln abzuleiten. Klar scheint lediglich zu sein: Eine auf בשם‏‎ oder לשם‏‎ zurückgehende Formulierung ist bestens geeignet, die Beziehung zwischen Zweien auszudrücken bzw. zu betonen, während einer ggf. (körperlich) abwesend ist. Dass die Qualifizierung als „sich auf Christus beziehend“ auch eine abgrenzende Funktion haben kann, ist ein naheliegender Gedanke, der an späterer Stelle noch einmal aufzugreifen ist.4

      3 Zusammenfassung

      Βάπτω bezeichnet im ursprünglichen Sinn ein „Ein- bzw. Untertauchen“, jedoch auch zunehmend übertragen ein „Färben“ (durch Untertauchen). Ersatzweise können, um ein „Ein-/Untertauchen“ auszudrücken, die Nebenform δύπτειν oder auch βαπτίζω verwendet werden.

      Βαπτίζω kann ebenfalls „Ein- bzw. Untertauchen“ meinen, wird jedoch mit den weiteren Bedeutungen „Überwältigtwerden, Versinken und Versenken“ tendenziell in extremeren, oft lebensgefährdenden oder sogar -beendenden Kontexten verwendet. Neutestamentlich steht es zusammen mit τό βάπτισμα bzw. ὁ βαπτισμός fast ausschließlich für die Johannes- oder die christliche Taufe. Auch wenn eine Verwendungsweise als terminus technicus kaum zu bestreiten ist, bleibt angesichts von wechselnden Präpositionen und der sich in den neutestamentlichen Schriften unterscheidenden Art der Verwendung mindestens für das Verb βαπτίζω dennoch anzufragen, wie weitgehend und einheitlich der terminus technicus verwendet wird.

      Eine erste Untersuchung der paulinischen Taufstellen lässt vermuten, dass es sich bei der εἰς-Taufformel um eine den Adressaten bekannte, formelhafte Wendung handelt, welche allerdings noch variablen Gebrauch gegenüber offen und in ihrer Bedeutung (aus Sicht des Paulus) erläuterungsbedürftig ist.

      Die Herleitung der ὄνομα-Taufformel vom Hebräischen בשם‏‎ oder לשם‏‎ spricht für eine Deutung der Herstellung einer besonderen Beziehung zwischen Christus und dem Täufling in der Taufe. V.a. für Menschen, die des Hebräischen nicht mächtig sind, verfügt die ὄνομα-Taufformel über einen wesentlich höheren Abstraktionsgrad als etwa die εἰς-Taufformel. Darin besteht möglicherweise ein Grund für die Bevorzugung der εἰς-Taufformel durch den Heidenapostel Paulus, welchem die ὄνομα-Taufformel durchaus bekannt ist.

      Bezüglich des Verhältnisses beider Formeln bedürfte es weiterführender Untersuchungen, um endgültig klären zu können, ob es sich um zwei völlig unabhängige Formeln handelt,1 oder aber die εἰς-Taufformel eine, wenn auch weit entfernte Vorform2 oder auch Kurzform3 der ὄνομα-Taufformel darstellt. In den im Folgenden schwerpunktmäßig untersuchten paulinischen Tauftexten findet sich mit Ausnahme der Sonderstelle 1Kor 1,13.15 lediglich die εἰς-Taufformel.

      Allgemein bleibt noch festzuhalten, dass es sprachlich als wesentlicher Unterschied zu werten ist, ob man von βαπτίζω εἰς … spricht – selbst wenn dies bereits einen gewissen Formelcharakter erreicht hat – oder ob man subjektivierend τὸ βάπτισμα verwendet. Der Verbalgebrauch legt (noch) einen erkennbaren Schwerpunkt auf den Vollzug bzw. die Handlung und hat daher m.E. noch eine originär größere Nähe zum ursprünglichen Wortsinn und darin zu einer möglichen Symbolik der Handlung. τὸ βάπτισμα dagegen hat wesentlich deutlicher den Status als terminus technicus erreicht. Für diese differenzierte Wahrnehmung des Sprachgebrauchs spricht auch der Befund der unterschiedlichen neutestamentlichen Schriften: Während sich τὸ βάπτισμα erst in den späteren Schriften des NT (Evangelien; Apg; kath. Briefe) findet, verwendet Paulus in seinen Briefen stets die Verbform – vermutlich auch, weil die Tauf(theologi)e in dieser Zeit noch mehr der Erläuterung und Entfaltung bedarf.

      Die folgenden exegetischen und vergleichend ritologischen Untersuchungen haben zu erbringen, ob sich die hier offen gebliebenen Fragen beantworten und die geäußerten Thesen verifizieren lassen.

      Kapitel III: Die paulinischen Tauftexte

      1 Galater 3,23–29: Es gibt weder Jude noch Grieche.

      23 Vor dem Kommen des Glaubens aber waren wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen bis zum Glauben, der offenbar werden sollte. 24 Also ist das Gesetz unser Aufseher gewesen bis Christus, damit wir aus Glauben gerechtfertigt werden. 25 Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Aufseher. 26 Denn ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. 27 a) Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, b) wurdet in Christus eingetaucht. 28 a) Es gibt weder Jude noch Grieche, b) es gibt weder Sklave noch Freier, c) es gibt nicht männlich und weiblich. d) Denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. 29 a) Wenn ihr aber des Christus seid, b) dann seid ihr Nachkommen Abrahams, c) Erben gemäß der Verheißung.

      1.1 Textsemantischer Einstieg

      Πρὸ τοῦ δὲ ἐλθεῖν τὴν πίστιν … ἐλθούσης δὲ τῆς πίστεως (Gal 3,23f) – die grundlegende Unterscheidung der Zeit vor und nach dem Kommen des Glaubens ist nicht nur das Thema in Gal 3,23–28, sondern auch das Ziel der den ganzen Galaterbrief durchziehenden Argumentation: Zeit und Verhältnisse vor Christus stehen konträr zu denen nach ihm. V.a. in Bezug auf das Gesetz lässt Paulus Relativierungen dieses alles entscheidenden und zugleich vollständig ausreichenden Ereignisses nicht gelten (siehe 2,19–21; 3,19f; 5,1–6). Insofern sind die Verse 3,23–28 für eine angemessene Interpretation stets im Gesamtargumentationskontext des Briefes zu sehen.

      Unvermittelt und heftig eröffnet Paulus sein Schreiben an die galatischen Gemeinden, indem er den Vorwurf voranstellt: οὕτως ταχέως μετατίθεσθε ἀπὸ τοῦ καλέσαντος ὑμᾶς ἐν χάριτι [Χριστοῦ] εἰς ἕτερον εὐαγγέλιον (1,6). Es ist weniger die Empörung des Gemeindegründers über abweichende Tendenzen, als vielmehr die Feststellung ὃ οὐκ ἔστιν ἄλλο (1,7), welche er im Folgenden immer wieder durchexerzieren wird: Es gibt keine Variante von und schon gar keine Alternative zum Evangelium, das wir euch gepredigt haben!1 So hat er es von Jesus Christus selbst offenbart bekommen (1,12) und so ist es später beim Treffen in Jerusalem auch bestätigt worden (2,1–10): Heiden, zu denen Paulus gesondert gesandt ist, werden keinerlei Auflagen gemacht, abgesehen von einer Armenkollekte (μόνον τῶν πτωχῶν ἵνα μνημονεύωμεν [2,10a]).

      Den gesamten Brief hindurch entfaltet und erklärt Paulus nun, wie grundsätzlich das Christusereignis die Verhältnisse derer, die daran glauben, verändert, sie geradezu verkehrt: Sowohl das Verhältnis des Gläubigen zu Gott (vertikal), als auch das Verhältnis zwischen den Menschen (horizontal) ist davon betroffen. Dass beide miteinander eng zusammenhängen, zeigt sich bereits in dem vorangestellten Fallbeispiel der aufgekündigten Tischgemeinschaft in Antiochia, welche den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen des Paulus bildet: Der Glaube an Christus als den