Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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προσετέθη (3,19). Wenn auch von Gott und keinesfalls gegen seine Verheißungen verwahrt es Menschen εἰς τὴν μέλλουσαν πίστιν (3,23). Es beaufsichtigt und kontrolliert wie der Knabensklave (ὁ παιδαγωγός [3,24f]) den Zögling, der sich – obwohl Erbe – in solcher Art von Unmündigkeit (siehe ὁ ἐπίτροπος, ὁ οἰκονόμος [4,2]) kaum vom Knecht unterscheidet. In diesem Sinne lebt man unter dem Gesetz in Knechtschaft.3

      Χριστὸς ἡμᾶς ἐξηγόρασεν ἐκ τῆς κατάρας τοῦ νόμου (3,13). Als Christusgläubiger sieht Paulus sich nun διὰ νόμου νόμῳ ἀπέθανον (2,19) – also von jeder Aufsicht und jedem Vormund befreit als Kind und Erbe, und zwar Erbe der Verheißung an Abraham. Angesichts dieser Erlösung scheint es ihm einerseits unvorstellbar, wie man sich freiwillig unter das Gesetz begeben kann (wie die nicht-jüdischen Galater mit ihrem Wunsch nach Beschneidung), und andererseits sieht er das Christusereignis in seiner grundlegenden Dimension verkannt, wenn man mit der Beschneidung das Gesetz fordert (wie die „Lehrer“ in den galatischen Gemeinden) oder sich aus dem Gesetz ergebende Vorschriften weiterhin befolgt (wie Kephas in der unterbrochenen Tischgemeinschaft).

      Gal 3,23–29 steht nun nicht allein unter briefkompositorischen Aspekten in der Mitte des paulinischen Schreibens, sondern trifft auch auf verschiedene Weise die Mitte der Argumentation.4 Vers für Vers wägt Paulus das sich am Christusereignis und dem Glauben entscheidende Davor und Danach gegen­einander ab und zwar sowohl in Bezug auf die vertikale (Mensch – Gott) wie auch die horizontale (Menschen untereinander) Dimension, als wolle er auf besonders gedrängte Weise sämtliche Aspekte seiner Argumentation noch einmal ins Verhältnis setzen: Die Zeit vor dem Christusglaube ist bestimmt durch das Gesetz, hier verbildlicht durch einen παιδαγωγός. Der Mensch unter dem Gesetz lebt demnach unfrei und ungerechtfertigt. ἐλθούσης δὲ τῆς πίστεως (3,25) wird der Unfreie zum Sohn Gottes, zum Nachkomme Abrahams und damit Erbe. Er ist nun frei und gerechtfertigt.5 Was als Kommen der πίστις ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (3,26) bezeichnet wird, fällt zusammen mit dem Getauftwerden εἰς Χριστὸν (3,27a), verbildlicht als Χριστὸν ἐνδύειν (3,27b). Dieser individuelle Vorgang, welcher das Verhältnis zu Gott grundlegend neu bestimmt, bringt auch eine veränderte Realität zwischen den Getauften hervor, indem grundlegende Gegensätze verneint werden: οὐκ ἔνι Ἰουδαῖος οὐδὲ Ἕλλην, οὐκ ἔνι δοῦλος οὐδὲ ἐλεύθερος, οὐκ ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ (3,28a–c) und zugleich entsteht eine besondere Art von Einheit: πάντες γὰρ ὑμεῖς εἷς ἐστε ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (3,28d).

      Neben einer näheren Untersuchung der verschiedenen Bilder wird eine ausführlichere Exegese sich v.a. mit einer Klärung des Ereignisses zu beschäftigen haben, welches nicht nur zeitlich zwischen „Davor“ und „Danach“ steht, sondern dem auch die alles verändernde Wirkung zugesprochen wird. Es wird von Paulus allein in diesen wenigen Versen ganz unterschiedlich in Worte gekleidet: das Kommen des Glaubens (an Christus Jesus) (3,23.25), das Getauftwerden (3,27a), das „Christusanziehen“ (3,27b), das des-Christus-Werden (3,29a).

      Die Untersuchung folgt dazu dem Aufbau und Argumentationsgang der Perikope: Nach einer Betrachtung der Eingangsproblematik der angefragten Funktion des ὁ νόμος werden nach und nach die mit Bezug auf die Taufe verwendeten Bilder und Aussagen eingehend analysiert und zueinander in Beziehung gesetzt.

      1.2 ὑπό νόμον (Gal 3f)

      1.2.1 Die Existenz ὑπὸ νόμον

      Im unmittelbaren Kontext der Aussagen über die Taufe finden sich gleich drei Funktionsbeschreibungen zu ὁ νόμος, welche – obwohl inhaltlich und syntaktisch ganz verschieden – doch mit der gleichen Präposition ὑπό verbunden werden: 1) ὑπὸ νόμον ἐφρουρούμεθα συγκλειόμενοι (εἰς τὴν μέλλουσαν πίστιν) (3,23); 2) ὑπὸ παιδαγωγόν ἐσμεν (3,25); 3) ὑπὸ ἐπιτρόπους ἐστὶν καὶ οἰκονόμους (4,2).

      Generell begegnet die Wendung ὑπὸ τινα (εἶναι) erstaunlich oft, nämlich insgesaMt 10x im kurzen Gal:1 Konkret ὑπὸ νόμον findet sich vier weitere Male (4,4.5.21a; 5,18), außerdem ὑπὸ κατάραν (unter einem Fluch [3,10]); ὑπὸ ἁμαρτίαν (unter der Sünde [3,22]); ὑπὸ τὰ στοιχεῖα τοῦ κόσμου (unter den Elementen des Kosmos [4,3]). Dies alles sind Begriffe, die entweder selbst negativ konnotiert sind oder in einem negativen Kontext verwendet werden. Auf diese Weise gewinnt der Machtaspekt der Konstruktion ὑπὸ τινα (εἶναι) eine eindeutig wertende Komponente, was sich entsprechend in den Übersetzungen niederschlägt: „unter jemandes Gewalt stehen“, „unter der Herrschaft“,2 „wie die Gefangenen im Kerker“3 oder „in the state of slavement to a power“.4 Den gegenteiligen Zustand umschreibt Paulus als „vom Geist regiert“-Sein (εἰ δὲ πνεύματι ἄγεσθε, οὐκ ἐστὲ ὑπὸ νόμον. [5,18]). Dazu muss man aus einer Existenz ὑπο νόμον „losgekauft“ werden (ἐξαγοράζω [3,13; 4,5]).5

      1.2.2 ὑπὸ παιδαγωγός (Gal 3,24f)

      Die Untersuchung beginnt mit derjenigen der drei Gesetzesmetaphern, welche in der Literatur am kontroversten diskutiert wird. Sie steht der Erwähnung der Taufe zudem direkt voran: ὁ νόμος als ὁ παιδαγωγός, unter (ὑπό) dem bisher gelebt werden musste (3,24f). Obwohl die vorausgehende Beschreibung des Gesetzes eindeutig negativ konnotiert ist, wurde doch immer wieder versucht, dem Bild eine positive Deutung abzugewinnen. Dass im modernen Ohr der „Pädagoge“ und mit ihm eine erzieherische, bildende Funktion nachhallt, kann dafür nicht der einzige Grund sein. So schreibt bspw. Bertram:

      „Die geschichtliche Bedeutung des Gesetzes liegt darin, daß es Pädagoge gewesen ist. Es ist sachlich von geringer Bedeutung, welche besondere Prägung der Gedanke von der παιδεία durch das Gesetz an dieser Stelle erfahren hat. In dem Wort Pädagoge liegt jedenfalls nichts Abwertendes. Es hätte ebensogut dastehen können νόμος παιδευτής oder διδάσκαλος oder ὐφηγητής …“1

      Als Belege für die vermeintliche Sachgemäßheit der angeführten Synonyme listet er Stellen bei Philo und Chrysostomos auf, die dem Gesetz eine erzieherische Funktion zuschreiben – eine dem mosaischen Gesetz ja durchaus innewohnende Implikation. Ob man seine Schlussfolgerung, dass zwischen ὁ παιδαγωγός und ὁ διδάσκαλος keinerlei Bedeutungsunterschied bestehe, jedoch so gelten lassen kann, hat die folgende Untersuchung zu erbringen.

      Als ὁ διδάσκαλος wird gemeinhin derjenige bezeichnet, welcher unter „systematischer Anleitung“2 Kenntnisse vermittelt und Fertigkeiten einübt. Nun finden sich zwar die Lehnwörter ‎‏פדגוג‏‎ und ‎‏פידגוג‏‎ für ὁ παιδαγωγός im Talmud und den Midraschim auch im Sinne eines Pädagogen und Erziehers,3 jedoch wird damit niemals das Gesetz bezeichnet.4 Oft jedoch wird nicht auf die erzieherische Funktion abgezielt „dann steht es [‎‏פדגוג‏‎, CM] im weiteren Sinne für ‎‏אפיטרופוס‏‎ (ἐπίτροπος) = Aufseher, Versorger, Vormund.“5 Dass ὁ παιδαγωγός hier in diesem Sinne zu verstehen ist, macht nicht zuletzt die Tatsache deutlich, dass Paulus im Folgenden ὁ ἐπίτροπος im Rahmen einer Gesetzesmetapher selbst gebraucht (Gal 4,2).6

      Vor allem aber verwendet das klassische Griechisch ὁ παιδαγωγός in einem anderen Sinne als