Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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des Verhältnisses Taufe – Glaube werden.5 Derartige Überlegungen ringen teilweise erheblich mit dem Sakramentscharakter der Taufe, aber auch mit der Frage, ob es sich hierbei um eine vorpaulinische Tradition handelt.6 10) Diese Richtung weiterverfolgend kann εἰς Χριστὸν ἐβαπτίσθητε (3,27a) als Wassertaufe und Χριστὸν ἐνεδύσασθε (3,27b) demnach als Geisttaufe interpretiert werden.7

      Viele der in dieser Darstellung genannten Exegeten wissen mehrere der Aspekte zu verbinden oder sie als gegenseitige Ergänzungen zu verstehen. Es handelt sich demnach nicht um zehn grundsätzlich verschiedene Interpretationen zu Χριστὸν ἐνεδύσασθε, wohl aber ist deutlich geworden, dass sprachliche oder auch kontextabhängige Vorentscheidungen wesentlichen Einfluss auf die Wahl des Vergleichsmaterials haben, was für eine angemessene Auslegung dringend benötigt wird, da, wie dargelegt, sich eine Interpretation allein auf der Grundlage der anderen neutestamentlichen ἐνδύω-Stellen als unzureichend erweist.

      Als zum Vergleich geeignete Texte – und zwar auf sprachlich-semantischer wie auch dezidiert theologischer Ebene – sollten die ἐνδύω-Stellen der LXX sowie einige außerbiblische Texte gelten. In der Forschung beschränken sich die Bezugnahmen meist auf die Feststellung, dass bereits das AT eine übertragene Bedeutung im Sinne von „Eigenschaften etc. Anlegen“ kennt. Dieser These wie auch der Etymologie soll im Folgenden noch genauer nachgegangen werden, um darüber einer adäquaten Deutung von Χριστὸν ἐνεδύσασθε näherzukommen.

      1.3.3 ἐνδύω in der LXX

      Wie bereits erwähnt kennt schon die LXX die beiden ersten Verwendungsweisen von ἐνδύω als „(sich) Ankleiden“ entweder mit Kleidung1 oder mit (negativen oder positiven) Eigenschaften.2 Die LXX bietet dabei ἐνδύω meistens als Übersetzung von ‎‏לבש‏‎. Jedoch begegnen drei Stellen, für die eine Übersetzung von ‎‏לבש‏‎ / ἐνδύω mit „Ankleiden“ – in literaler und selbst übertragener Bedeutung – keine Option ist:

      ‎‏ורוח יהוה לבשה את־גדעון‏‎ / καὶ πνεῦμα θεοῦ ἐνέδυσεν τὸν Γεδεων (Ri 6,34, s.a. 1Chr 12,19; 2Chr 24,20).3 Eine wörtliche Übersetzung als „der Geist (Gottes) zieht einen Menschen an“ ist mindestens fraglich. Gesenius führt diese Stellen nicht etwa als weitere Beispiele für eine besonders bildhafte Verwendungsweise von ‎‏לבש‏‎ an,4 sondern in einer eigenen Kategorie: „3. Der Geist Gottes zieht jemanden an, d.i. erfüllt ihn … (vgl. Luk 24,49 …)“.5 Gamberoni dagegen sieht in „der ungewohnten Konstruktion Ähnliches in positiver Richtung“6 ausgedrückt, wie auch andere bildlich zu verstehende ‎‏לבש‏‎-Stellen: „die Kraft Gottes hüllt Gideon ein, ‚bekleidet‘ ihn mit dieser Kraft selbst. […] Auf die besondere Nähe oder Verbindung des Geistes zum Begabten ist abgehoben (vgl. Reider 79), nicht auf die Innerlichkeit“.7 So oder so verdienen diese drei Stellen m.E. auch deswegen eine genauere Untersuchung, da es sich hier – wie auch in Gal 3,27b – um eine Verhältnisbestimmung zwischen einem Menschen und einer „göttlichen Person/Macht“ handelt. Dazu sei zuvor an die Problematik jeder Metapherninterpretation erinnert: 1) Je nach Kontext kann dieselbe Metapher unterschiedliche Nuancen zum Ausdruck bringen. 2) Eine Metapher geht selten komplett in einem Text auf. Mit beiden Aspekten ist für den Interpreten die latente Gefahr der Überforderung bzw. Überfrachtung einer Metapher verbunden.8

      Alle drei Stellen verwenden ἐνέδυσεν, also den Aorist Indikativ Aktiv. Anders als in den neutestamentlichen Stellen geht die Initiative demnach vom Geist (Gottes) und nicht von einem Menschen aus. Literal übersetzt, würde dies „der Geist bekleidet xy“ ergeben, in einem übertragenen Sinne: „der Geist Gottes umgibt xy wie ein Kleid“. Übersetzer des hebräischen wie griechischen Textes „lösen“ das Problem meist damit, dass sie eine dem Kontext entsprechende Übersetzung relativ frei wählen. Klassisch dafür sind ähnliche bildhafte Ausdrücke (z.B. „Bedecken“)9 oder eine Anlehnung an das bekannte Motiv „der Geist Gottes ergreift / überfällt den Erwählten“10. Rein kontextuell ließen sich die drei Situationen als ein „Ermächtigen“, „Stärken“ oder „Begeistern“ durch den Geist Gottes deuten. Dass eine allgemein begründbare und konsensfähige Übersetzung noch aussteht, schlägt sich auch in der Septuaginta Deutsch nieder, welche die drei Stellen ganz unterschiedlich übersetzt.11

      Nun kann durchaus angefragt werden, inwieweit die aktive Verwendungsweise von ἐνδύω ohne Weiteres mit Mediumformen verglichen werden kann. Festzuhalten bleibt dennoch, dass lediglich mit Verweis auf eine übertragene Bedeutung von ἐνδύω das Verwendungsspektrum, wie es uns in der LXX begegnet, nicht adäquat wiedergegeben werden kann und sollte, wie etwa auch lateinische Übersetzungen zeigen: Die Vulgata bietet an allen drei Stellen induit (für Gal 3,27b industis). Herkommend von induo kann es einerseits wörtlich „Anziehen“ bedeuten, andererseits im übertragenen Sinne 1) „mit etwas umgeben, versehen, sich aneignen“ oder 2) „sich in etwas verwickeln, in etwas geraten, in etwas treten, fallen, stürzen“.12 Konstruiert wird es sowohl mit als auch ohne Präposition „in“ und Akkusativ.13 Dabei handelt es sich bei induo lediglich um das ins Lateinische entlehnte ἐνδύω, dessen Bedeutungen auf Letzteres zurückgehen. Hinzu kommt, dass die Grundwurzel von ἐνδύω, nämlich δύω, ähnliche lokale Implikationen hat, wie sie die übertragene Bedeutung von induo widerspiegelt.

      Vor einem Blick auf die Verwendung im klassischen Griechisch bleibt festzuhalten, dass die drei LXX-Stellen eine Deutung als (noch so abstrahierte) Kleidermetapher nicht zulassen. Auch weitere – im Medium formulierte – Stellen der LXX fokussieren den lokalen Aspekt und lassen sich eher mit „völlig umgeben sein“ bzw. „inmitten stehen von“ wiedergeben.14

      1.3.4 ἐνδύω im klassischen Griechisch

      Auch das klassische Griechisch verwendet ἐνδύω – im Aktiv wie im Passiv – im bereits bekannten Sinne von „Anziehen“, aber auch „Einhüllen“ (ἐνδύω τινά τι – „jemand in etwas einhüllen“).1 Die Mediumform kann allerdings neben der reflexiven Bedeutung „sich Anziehen, Anlegen“ auch gebraucht werden, um ein „Hineingehen, Hineinschlüpfen, Eindringen in“ auszudrücken.2 In dieser Weise wird es sowohl absolut mit Dativ-, aber auch mit Akkusativobjekt und mit εἴς τι konstruiert.

      Objekte, in die hineingegangen oder hineingeschlüpft wird, sind v.a. Flüssigkeiten wie Wasser – im Normalfall also keine Personen. Burton kann allerdings zwei Stellen für ein personales Objekt anbringen: Einerseits Dion. Hal., Antiq. 11.5,2: τὸν Ταρκύνιον ἐκεῖνον ἐνδυόμενοι, was er mit „playing the part of that Tarquinius“3 übersetzt und andererseits Lib.ep. 968: ῥίψας τὸν στρατιώτην ἐνέδυ τὸν σοφιστήν, welches Burton wiedergibt mit: „He laid aside the character of the soldier, and put on that of the sophist.“4

      Die Vorstellung, welche hinter beiden Bedeutungen aufscheint, ist diejenige, dass ein Mensch sich voll und ganz mit etwas umgibt, sich in etwas hineingibt, sodass er schließlich vollkommen davon umgeben ist. Sehr deutlich wird dabei die Abhängigkeit bzw. Herleitung von der Grundwurzel δύω, welcher ausführlicher nachzugehen ist.

      1.3.5 Wortfeld δύω

      δύω findet transitiv im Sinne von „Eintauchen“ Verwendung. Diese Grundbedeutung variierend, kann es auch mit „Untertauchen, Senken, Versenken“ und im epischen Kontext mit „Einhüllen, Anziehen“ wiedergegeben werden.1 Die sehr häufig auftretenden Komposita zu δύω verstärken sodann diese Grundbedeutung: 1) ἀποδύω – „Ablegen, Ausziehen, Entkleiden“; 2) καταδύω – „Untertauchen, untergehen Lassen, Versenken“; und 3) ἐκδύω – „Ausziehen, Entkleiden“. Daneben wird δύω intransitiv verwendet – meist im Medium: „sich Eintauchen, Eindringen, Einschlüpfen, Anziehen“. Noch deutlicher als in der transitiven Verwendungsweise verweisen