Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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Im Eph findet sich diese Metapher dann für Christus und seine Gemeinde. Auf ein Gen 2,24-Zitat steht da: τὸ μυστήριον τοῦτο μέγα ἐστίν· ἐγὼ δὲ λέγω εἰς Χριστὸν καὶ εἰς τὴν ἐκκλησίαν (Eph 5,32). Christi Einheit mit seiner Gemeinde, die sich in seiner Liebe und seinem Sterben für die Gemeinde ausdrückt (Eph 5,25), ist nach Vorstellung des Eph demnach vergleichbar mit dem ehelichen σὰρξ-μία-Sein. Es wird gar reziprok als Vorbild dafür hingestellt, wie sich Mann und Frau zueinander verhalten sollen (Eph 5,33).

      Dass die Einheit von Christus und der Gemeinde und damit dem einzelnen Gemeindeglied, verstanden als Glied seines Leibes, verstanden wird als maximale Einheit und Nähe, wie sie bisher nur in der Gemeinschaft von Frau und Mann zu finden war, ist ein Vorstellung, die sich in verschiedenen neutestamentlichen Schriften wiederfindet. Jedoch deutet bereits 1Kor 6,15–20 an, dass dies nicht zwangsläufig eine positive, wenn auch paränetische Einstellung zur Ehe nach sich ziehen muss. Denn es handelt sich nicht um zwei einander zwar vergleichbare, aber unabhängige einende Bindungen. Paulus argumentiert gegen den Umgang mit Prostituierten, weil dieser einen Einfluss auf die Christusbindung habe: καὶ τὴν περικεφαλαίαν τοῦ σωτηρίου δέξασθε καὶ τὴν μάχαιραν τοῦ πνεύματος ὅ ἐστιν ῥῆμα θεοῦ (1Kor 6,17).

      Die jeweilige Bindung kann gar so eng aufgefasst werden, dass eine Art Konkurrenzverhältnis wahrgenommen wird, als könne man eine derartige Einheit nur einmal eingehen. Wenn auch die Taufe εἰς Χριστόν nicht ohne Weiteres mit der Entscheidung der Jünger für die Nachfolge gleichgesetzt werden soll, so kommt einem dennoch die Forderung des Verlassens sämtlicher Anverwandter als Voraussetzung für die Nachfolge (Lk 14,26f) in den Sinn. Die Entscheidung zur Nachfolge fordert demnach eine Unterordnung, wenn nicht einen Bruch mit allen wichtigen, tragenden bisherigen Bindungen.

      Paulus wiederum leitet daraus das Ideal ab, unter einer gewissen Naherwartung, dass es besser ist, solche Bindungen, speziell die so grundlegende und enge der Ehe, gar nicht erst einzugehen: καλὸν ἀνθρώπῳ γυναικὸς μὴ ἅπτεσθαι (1Kor 7,1). Wer ledig ist oder Witwe, ebenso die Jungfrauen sollen möglichst allein bleiben. Zwar ist dies kein Gebot, θλῖψιν δὲ τῇ σαρκὶ ἕξουσιν οἱ τοιοῦτοι, ἐγὼ δὲ ὑμῶν φείδομαι (1Kor 7,28). Paulus bezeichnet diejenigen, welche versuchen, dem Gatten und dem Herrn gerecht zu werden, als μεμέρισται (1Kor 7,34) – „geteilt“ oder wie Luther kontextuell übersetzt: „geteilten Herzens“.5 Die Bindung an Christus wie auch die Ehe sind für Paulus derartig grundlegende Einheiten, dass es seiner Meinung nach eher das Individuum zerreißen muss, als diese Verbindungen.6

      Mit Blick auf Gal 3,28c ist für das Verhältnis von Männern und Frauen also festzuhalten, dass einerseits ein deutliches, abhängiges Gefälle auszumachen ist und andererseits die wechselseitige Bindung aneinander derartig grundlegend verstanden wird, dass sie geradezu zum Paradigma für Einheit wird. Dieses wird verschiedentlich herangezogen, um das Verhältnis Christi zu seiner Gemeinde, aber auch Nachfolge für den Einzelnen zu illustrieren, teilweise in Konkurrenz zu menschlichen Bindungen. Über γὰρ angebunden wird dieser Aspekt in Gal 3,28d ja auch thematisiert.

      Die Wahrnehmung, dass 1Kor 12 und Kol 3 ohne das Paar ἄρσεν/θῆλυ auskommen, bringt zwei weitere Fragen auf den Plan: 1) Macht der Argumentationskontext von Gal die Anführung dieses dritten Paares sinnvoll oder gar notwendig?7 2) Wie stellt sich das Verhältnis zu den beiden anderen Paaren dar? Es ist bereits dargelegt worden, dass die Gegensatzpaare Ἰουδαῖος/Ἕλλην und δοῦλος/ἐλεύθερος inhaltlich und motivisch in Gal auch sonst aufgegriffen und problematisiert werden,8 wobei rechtsgeschichtliche Betrachtungen gezeigt haben, dass die Erbthematik Sohn/Sklave zumindest indirekt auch das Verhältnis männlich-weiblich betrifft, insofern als Frauen nur eingeschränkt erbberechtigt sind.

      Betrachtet man den direkten Kontext, in dem alle drei Paare geboten werden, wird die Verbindung zu einem anderen Schwerpunkt des Gal jedoch noch deutlicher: Bewirkt wird die dreimalige Negierung bisheriger Kategorien durch die allen, auf gleiche Weise, gewährte Taufe – im Gegensatz zum bisherigen Initiationsritus Beschneidung, welcher lediglich an Männern vollzogen wird. Eine Ergänzung der Taufe um die Beschneidung würde demnach nicht nur alle zu Juden machen und damit an das Gesetz binden, sondern auch die neue „Gleichbehandlung“ negieren. Die gewählte Umschreibung des Taufvorgangs, nämlich sich ganz in Christus hinein zu begeben, funktioniert als Metapher ebenfalls für beide Geschlechter. Sie ist oben bereits als völlig neue, engste und zugleich grundlegende Bindung dargestellt worden. In dieser Weise entsteht in der Taufe eine Bindung, welche zur bisher engsten, grundlegenden Bindung eines Menschen – der Bindung an den jeweiligen Ehepartner – mindestens in Konkurrenz steht, wenn nicht diese ersetzt, denkt man etwa an die Empfehlung der Ehelosigkeit (1Kor 7,1).

      Darüber hinaus bietet auch die Zusammenschau der drei Paare weiteren Aufschluss über die Art ihrer Beschaffenheit und damit ihrer möglichen Negierung: Unhaltbar scheint die These geworden zu sein, dass sie einzeln für die religiöse, soziale und biologische Grundunterscheidung der antiken Gesellschaft stehen.9 Viel mehr beinhalten alle drei Paare rechtliche, soziale, religiöse und weitere Aspekte, sodass Meeks zu Recht feststellt, dass: „[…] in verse 28 all the pairs refer quite concretely to social statuses.“10

      Inwieweit Gal 3,28c kategorial auf einer Linie mit Gal 3,28a.b gesehen wird, hat erhebliche Auswirkungen auf die Interpretation von οὐκ ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ. Entsprechend könnte die Vielfalt der diesbezüglichen Forschungspositionen kaum größer sein. Es lässt sich dennoch eine grundlegende Entscheidung ausmachen, dass die Negierung entweder mit dem Gottesverhältnis oder dem zwischenmenschlichen Verhältnis der beiden, nicht aber mit beiden zugleich, in Verbindung gebracht wird.

      Forschungsüberblick zu ὀυκ in Gal 3,28c

      1. Negierung des unterschiedlichen Status im Gottesverhältnis: „Mann bleibt Mann und Frau bleibt Frau, auch nach der Taufe –, aber sie [die Unterschiede, CM] haben jegliche Heilsbedeutung vor Gott verloren.“11 Die Taufe kommt, anders als die Beschneidung, Männern und Frauen in gleicher Weise zugute und bewirkt durch die „Bekleidung mit Christus“ für beide eine ganz neue, gleiche Stellung vor Gott, was allerdings nicht zwangsläufig auch eine Gleichheit in der Kultpartizipation nach sich ziehen muss.12

      2. Negierung des bisherigen Verhältnisses zueinander: In dem neugestalteten Gottesverhältnis sehen manche Exegeten auch Auswirkungen für das Verhältnis von Männern und Frauen nach der Taufe. Jedoch kann die Negierung auf drei unterschiedliche Aspekte des bisherigen Verhältnisses bezogen werden:

      2.1 Aufhebung der Unterscheidung von ἄρσεν καὶ θῆλυ: Die neutrische Form sowie die Parallelen aus christlicher Gnosis und Apokryphen sprechen dafür, dass nicht nur die soziale Emanzipation der Frauen im Blick ist, sondern „die metaphysische Beseitigung der biologischen Geschlechtsunterschiede als Folge der Erlösung in Christus“13 – also Androgynie.14 Mit Bezugnahme auf den Kontext (Gal 6,15) kann dies entweder als καινὴ κτίσις verstanden werden oder als Restauration des paradiesischen Urzustandes: Gottebenbildlichkeit, Herrlichkeit und v.a. die ursprüngliche Einheit des Menschen – der „androgyne Urmensch“.15 Diese Interpretation stützt sich auf „eine Lesart von Gen 1,27, nach der der Mensch ursprünglich als androgynes Wesen nach dem Bild Gottes geschaffen war und dann in eine männliche und eine weibliche Hälfte geteilt wurde (Gen 2,21f).“16 Dass hier tatsächlich eine „Transformation ontologischer Kategorien“17 vorliegt – entgegen den sich lediglich auf soziale Rollenverhältnisse beziehenden voranstehenden beiden Paaren –, kann auf den Christus-Anthropos-Mythos zurückgeführt werden,18 einer androgynen Christusvorstellung.19 Da sich für die androgyne Argumentation aber weder alt- noch neutestamentliche Vergleichstexte finden lassen, kann ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ auch als „Annullierung der sexuellen Polarität“20 im Sinne von Asexualität21 interpretiert werden,