Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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für die paulinische Theologie grundlegend ist die Vorstellung von der Einzigkeit Gottes und deren Bedeutung für die Konstitution der christlichen Gemeinde. Der Monotheismus wird dabei nicht nur in seinen Inhalten, sondern oft auch in seinen prägenden Formeln aus dem Judentum übernommen: Die sogenannte Monotheismusformel, wie sie ins jüdische Glaubensbekenntnis eingegangen ist (‎‏יהוה אלהינו יהוה ארד‏‎ […] / […] κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν κύριος εἷς ἐστιν [Dtn 6,4]) und von Jesus als das höchste Gebot zitiert wird (Mk 12,29 par), findet sich an prominenten argumentativen paulinischen Stellen wie etwa in Gal 3,20 ([…] ὁ δὲ θεὸς εἷς ἐστιν) oder Röm 3,30 (εἴπερ εἷς ὁ θεὸς ὃς δικαιώσει […]),2 später aber auch in den Evangelien (z.B. Mt 23,8–10). Dass der monotheistische Glaube der in der Antike verbreiteten Vielgöttervorstellung manifest gegenübersteht, verleiht seiner argumentativen Verwendung etwa bei der Beschreibung der Gemeinde ein spezielles, teilweise wohl erläuterungsbedürftiges Gewicht.

      Was aber meint „Einzigkeit“? Im Kontrast zu vielen Göttern hat die Vorstellung von nur einem Gott automatisch den Aspekt der Einzigartigkeit. Dies lenkt bereits den Blick von der rein nummerischen Aussage (einer anstatt fünf) auf die Qualitätsebene. Dass diese zweite Dimension der Einzigkeit christlicherseits als mindestens ebenso wesentlich wahrgenommen wird, macht spätestens die „Erweiterung“ der Formel auf Christus deutlich: „Die Monotheismusformel wird variiert, um analog zur Einzigkeit Gottes die einzigartige Stellung Christi festzustellen (Jak 4,12; Mt 23,8–10).“3 Neben der gesonderten Stellung und Einmaligkeit Christi4 wird in der johanneischen Theologie dazu speziell die Einheit mit Gott betont: ἐγὼ καὶ ὁ πατὴρ ἕν ἐσμεν (Joh 10,30). Mit Blick auf die Interpretation von Gal 3 ist dazu festzuhalten, dass das Einssein des Vaters mit Christus nie als Identität verstanden, sondern stets als besonders qualitative Form von Gemeinschaft, nämlich Einheit, dargestellt wird. Davon wird auch eine Einheitsvorstellung für andere abgeleitet: ἵνα πάντες ἓν ὦσιν, καθὼς σύ, πάτερ, ἐν ἐμοὶ κἀγὼ ἐν σοί, ἵνα καὶ αὐτοὶ ἐν ἡμῖν ὦσιν […] (Joh 17,21).5 Beachtenswert ist hierbei, dass die Einzigkeitsvorstellung, welche auf Einheit abhebt, mit einer (reziproken) ἐν-Aussage kombiniert ist, wie wir sie auch in 3,28d vorfinden.6 Paränetisch-argumentativ wird die Einzigkeit Gottes gelegentlich aber auch unabhängig vom Einheitsaspekt hervorgehoben: Ὑμεῖς δὲ μὴ κληθῆτε ῥαββί· εἷς γάρ ἐστιν ὑμῶν ὁ διδάσκαλος, πάντες δὲ ὑμεῖς ἀδελφοί ἐστε. (Mt 23,8).7

      1.5.4.2 Einheitskonzepte bei Paulus

      Auch für Paulus gibt „Gottes Einzigkeit gedankliches und praktisches Fundament seines Denkens“ ab:1 εἴπερ εἷς ὁ θεὸς ὃς δικαιώσει περιτομὴν ἐκ πίστεως καὶ ἀκροβυστίαν διὰ τῆς πίστεως. (Röm 3,30) Dass Gott – in Christus – an allen gleich handelt, begründet eine Einheit von ganz neuer Qualität: οὔτε γὰρ περιτομή τί ἐστιν οὔτε ἀκροβυστία ἀλλὰ καινὴ κτίσις (Gal 6,15). Um diese Einheit zu illustrieren spielt Paulus geradezu mit unterschiedlichen ekklesiologischen Metaphern, die doch alle einen Grundaspekt seiner Ekklesiologie herausstellen, welcher sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: „Nur gemeinsam ergebt ihr ein sinnvolles, funktionierendes Ganzes – und dazu braucht es nicht nur jeden Einzelnen, sondern ein jeder wirkt auch (konstitutiv) auf die anderen ein.“ Dies verdeutlicht am sinnfälligsten sein Bild von der Gemeinde als Leib Christi: ἡμεῖς πάντες εἰς ἓν σῶμα ἐβαπτίσθημεν […]καὶ γὰρ τὸ σῶμα οὐκ ἔστιν ἓν μέλος ἀλλὰ πολλά. (siehe 1Kor 12,13f; 1Kor 10,17; Röm 12,4–6)2 Aber auch Metaphern wie die Gemeinde als Bau Gottes (1Kor 3,9b–15), als Tempel (1Kor 3,16f) oder auch ungesäuerter Teig (1Kor 5,6–8)3 – wenn auch teilweise unter einem anderen Fokus herangezogen, wie etwa dem Gemeindeaufbau oder dem Gericht – zeigen, dass nicht nur die Einzigkeit und Bedeutung der christlichen Versammlung, sondern auch ihre konstituierenden Bindungen in den Blick geraten: Einerseits die jeweilige und zugleich gemeinsame Bindung an Christus (Christus als σῶμα [1Kor 12,12f], θεμέλιος [1Kor 3,11] oder πάσχα [1Kor 5,7]), andererseits die Bindung untereinander (die ergänzenden Funktionen der Gliedmaßen [1Kor 12,14–31], das Aufeinander der Steine [1Kor 3,10f], das Verderben des Teiges durch auch nur den geringsten Anteil gesäuerten Teiges [1Kor 5,6.8]).

      Einheit ist für Paulus demnach eine konstitutive Komponente für die christliche Gemeinde. Sämtliche von ihm gewählten ekklesiologischen Metaphern spiegeln dies wider. Besonders in seinen Ermahnungen macht er deutlich, dass dies gerade eine erhöhte, nicht etwa eine geringere Verantwortung des Einzelnen nach sich zieht. Denn die Einheit fußt gerade nicht auf Gleichheit der einzelnen Beteiligten, sodass der Einzelne nötigenfalls austauschbar wäre, sondern auf dem reibungslosen Mit- und Füreinander der unterschiedlichen Menschen mit ihren Begabungen und Funktionen. Dies gilt für die Gemeindeleiter (1Kor 3) ebenso wie für die Glieder der Gemeinde (1Kor 12).

      Betrachtet man nun konkret Gal, so begegnen Einzigkeits- und Einheitsaussagen v.a. in Kp. 3: Um die Erlösung vom Fluch des Gesetzes zu erklären, erweist Paulus Christus als den einen Nachkommen (ἀλλ ὡς ἐφ ἑνός· καὶ τῷ σπέρματί σου [3,16]) und damit Erben der Verheißung an Abraham. Seine entscheidende Interpretation der Nachkommensverheißung4 als Singular (τῷ σπέρματι αὐτοῦ [3,16]) verbindet Paulus über die Vokabel εἷς/ἕν5 mit zwei anderen Schlüsselstellen des Kapitels, welche beide die Einzigkeit betonen: ὁ δὲ μεσίτης ἑνὸς οὐκ ἕστιν, ὁ δὲ θεὸς εἷς ἐστιν (3,20). Diese argumentative Eröffnung läuft schließlich auf πάντες γὰρ ὑμεῖς εἷς ἐστε ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (3,28d) hinaus – auf Grund der Einzigkeit der Stellung Christi (3,16) und der Einzigkeit Gottes (3,20) wird diese nun auch für alle Getauften postuliert. Wenn Christus der eine Nachkomme ist und nun auch für alle Χριστοῦ gilt, dass sie τοῦ Ἀβραὰμ σπέρμα […] κατ ἐπαγγελίαν κληρονόμοι sind, dann können sie dies nur (als) εἷς sein (3,28f).

      Paulus leitet aus der Einzigkeit Gottes und dessen einzigartiger Einheit mit Christus auch Einheitsqualitäten für die Christen, hier Getauften, ab. Dass sich Paulus unter dieser Einheit qualitativ etwas anderes vorstellt als die bloße Summe oder Gemeinschaft der einzelnen (Bestand-)Teile erweist sich dann in 6,15 – ein Vers, der wie 3,28a von der (bleibenden) Verschiedenheit Beschnittener und Unbeschnittener ausgeht: οὔτε γὰρ περιτομή τί ἐστιν οὔτε ἀκροβυστία ἀλλὰ καινὴ κτίσις.

      1.5.4.3 Personale Einheitsvorstellungen

      Wenn εἷς der Einheitsvorstellung einen personalen Akzent verleiht, so bleibt abschließend zu fragen, welche der dargelegten neutestamentlichen Einheitskonzepte personal verstanden werden und als Deutungsmuster für 3,28d dienen können: 1) Die Einheit von Gott/Vater und Christus: Von dieser besonderen Art der Einheit – oftmals ausgedrückt durch reziprokes „ἐν-Sein“ – soll auch die Einheit der Anhänger ausgehen. Jedoch findet sich dieses Konzept lediglich in den Evangelien, speziell Joh, und zudem sagt es zwar eine Einheit von Personen aus, jedoch hat diese Einheit selbst keinen personalen Charakter. 2) Die Leib-Christi-Metapher: Die Grundmetapher dieser ekklesiologischen Vorstellung des Paulus ist ein menschlicher Körper, der buchstäblich davon lebt, dass seine Glieder sich ergänzen und darin auf grundlegende Weise untereinander verbunden sind.1 3) Ein Leib mit der Prostituierten: […] ὅτι ὁ κολλώμενος τῇ πόρνῃ ἓν σῶμά ἐστιν (1Kor 6,15–17).