Claudia Matthes

Die Taufe auf den Tod Christi


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des Paulus zu der kritisierten Gruppenbildung? Zwei Richtungen der Kritik lassen sich ausmachen: Zunächst eine grundsätzliche an den Spaltungen: μεμέρισται ὁ Χριστός; (1,13a),1 sodann eine spezielle Kritik an der Vorstellung, sich als Christ einer bestimmten Person zugehörig, gar verpflichtet zu fühlen: ἢ εἰς τὸ ὄνομα Παύλου ἐβαπτίσθητε; (1,13c). Erstere Kritik scheint in den dann folgenden Versen nicht weiter aufgegriffen zu werden, wohl aber an späterer Stelle in 1Kor 12–14, wo stets die grundlegende in Christus gegebene Einheit bei aller Verschiedenheit der Einzelnen betont wird.

      Gerade das Bild des Leibes verdeutlicht, dass es hierbei für Paulus nicht um einen verhandelbaren Aspekt2 geht, sondern dass das Verhalten der zu einem Leib zusammen Getauften Auswirkungen hat bis dahin, dass spalterisches Verhalten Christus „zerteilt“, die Gemeinde also bis zur Nichtfunktionstüchtigkeit bzw. Lebensfähigkeit hin schädigen kann.3 Angesichts der tatsächlich existie­renden Gruppierungen in der Gemeinde scheint μεμέρισται ὁ Χριστός; keine rhetorische Frage zu sein, sondern vielmehr das „Vor-Augen-Malen“ der Konsequenzen der derzeitigen Situation.

      Ausführlicher widmet sich Paulus am Beispiel seiner eigenen Person der zweiten Kritik: der selbsterklärten Zugehörigkeit zu einer Person. In diesem Zusammenhang sind zwei Fragen zu bedenken: Wie sind die unterschiedlichen Bezugnahmen auf die Taufe zu verstehen?4 Und ist der Abschnitt grundsätzlich rhetorisch und damit teilweise als irreal zu verstehen? Diese Fragen werden meist im „Fahrwasser“ der Überlegungen zu den korinthischen Gruppen(-entstehungsgründen) gesehen, wobei die Mehrheit der Exegeten folgende Argumentationslinie verfolgt: Wenn es sich bei den drei ersten Gruppenhäuptern nicht um die Täufer der ihnen Anhängenden handelt, dann ist die These hinfällig, dass sich das besonders enge Verhältnis durch den Taufakt entwickelt habe. Also hat die Gruppenbildung nichts mit der Taufe zu tun und unterschiedliche Taufverständnisse und daraus möglicherweise resultierende Streitigkeiten scheiden als Erklärung aus. Die von Paulus gestellte Frage ἢ εἰς τὸ ὄνομα Παύλου ἐβαπτίσθητε; (1,13c) bzw. seine Befürchtung ἵνα μή τις εἴπῃ ὅτι εἰς τὸ ἐμὸν ὄνομα ἐβαπτίσθητε (1,15) sind damit rein rhetorisch zu verstehen. Paulus führt demnach die Taufe in einer – für die Korinther offensichtlichen – verdrehten Art und Weise an, ähnlich seiner vorangehenden Frage: μὴ Παῦλος ἐσταυρῶθη ὐπὲρ ὺμῶν; (1,13b).

      Wie erklärt sich aber dann die (doppelte [1,14.16]) erleichterte Feststellung des Paulus, nur wenige getauft zu haben? Welche Funktion hat die abschließende, fast schon heftige Aussage οὐ γὰρ ἀπέστειλέν με Χριστὸς βαπτίζειν ἀλλὰ εὐαγγελίζεσθαι (1,17a) in einer solchen Argumentation? Darin etwa eine Abwertung der Taufe zu sehen,5 macht nur dann Sinn, wenn die Taufe (oder die Rolle des Täufers) zuvor einseitig oder über Gebühr wertgeschätzt wurde. Die Ursache für die korinthischen Gruppenbildungen wird gemeinhin in einer (übermäßigen) Betonung der Weisheit gesehen, was die sich anschließenden Ausführungen zur „Torheit der Kreuzesbotschaft“ (1,18)6 durchaus nahelegen. Ob dies jedoch Unklarheiten bezüglich des Taufverständnisses ausschließt oder nicht vielmehr integriert, nämlich da, wo das paulinische Verständnis der Taufe grundgelegt ist, im Kreuz Jesu Christi, sollte dagegen angefragt werden. In einem Atemzug fragt Paulus: μὴ Παῦλος ἐσταυρώθη ὑπὲρ ὑμῶν, ἢ εἰς τὸ ὄνομα Παύλου ἐβαπτίσθητε; (1,13b.c) an der Stelle, wo er anhand seiner eigenen Person die möglichen Voraussetzungen und Konsequenzen einer Alternativstellung von einzelnen Gemeindemitarbeitern und Christus anfragt.

      Eine solche Herangehensweise allein erklärt noch nicht die Fragen, warum Paulus sich so erleichtert darüber zeigt, nur wenige getauft zu haben, und warum er Taufen und Verkündigen so konträr gegenüberzustellen scheint. Dass die Taufe – auf eine noch zu klärende Weise – Einfluss auf die Gruppenbildungen in Korinth gehabt hat, ist jedoch die einzig sinnvolle Erklärung für das Zustandekommen einer textkritischen Variante zu 1,15: […] εἰς τὸ ἐμὸν ὄνομα ἐβάπτισα – nach durchaus alten und gewichtigen Textzeugen7 befürchtet Paulus nämlich die Unterstellung, er hätte auf seinen eigenen Namen getauft.

      Diese Überlegungen lassen in Kombination mit den oben ausgeführten grammatisch-syntaktischen Wahrnehmungen v.a. zu den Versen 13 und 15 Zweifel an einer rein rhetorischen Interpretation der Bezugnahmen des Paulus auf die Taufe aufkommen. Im Weiteren hat die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung der Taufe in dieser Eingangsargumentation Auswirkungen auf die Frage nach der möglicherweise grundlegenden Bedeutung dieser Perikope für den gesamten Brief. Diese wie auch die bereits verschiedentlich angeführten noch offenen Punkte und Fragestellungen sollen an späterer Stelle, v.a. unter Heranziehung rituellen Vergleichsmaterials erneut gestellt und weiterentwickelt werden.

      2.5 Zusammenfassung unter ritologischer Perspektive

      Die Aufteilung der korinthischen Gemeinde in verschiedene Gruppen ist kein Lapsus, sondern widerspricht dem Leben der Getauften in Gemeinschaft. Auf diese Weise wird die Bedeutung des Kreuzes Christi missverstanden und in welcher Weise sich die Taufe darauf bezieht bzw. daran Anteil gibt. Sowohl das Anhängen an eine Person als auch die daraus entstandene Gruppenbildung gefährden die Einheit und darin das eigentliche Wesen und „Funktionieren“ der christlichen Gemeinde erheblich: als würde man Christus selbst zerreißen.

      Es ist deutlich geworden, dass Paulus bereits zu Beginn des ersten Korintherbriefes – des Paulusbriefes mit den meisten Taufstellen – um die Bedeutung der Taufe ringt. Die Feststellung, dass er froh sei, nur wenige getauft zu haben, spricht gegen eine bloß argumentative Anführung der Taufe. Aber die nähere Untersuchung zu den Parteihäuptern lässt daran zweifeln, dass diese wesentlich als Täufer in Korinth in Erscheinung getreten sind, und kann auch sonst keine grundlegende Gemeinsamkeit in Person oder Funktion innerhalb der Gemeinde feststellen. Es bedarf demnach einer noch genaueren Analyse der Taufe und der zu ihrer Deutung verwendeten Motive, um die tatsächliche Bedeutung der Taufe im Argumentationsgang in 1Kor 1 eindeutig eruieren zu können.1

      Die wesentliche Deutung der Taufe kreist um das Verhältnis von Einzelpersonen und Gruppen im Gegenüber zu Christus: Steht die Christusbindung in der Taufe in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Bindungen der Getauften?2 Oder ist ein relationäres Verhältnis zwischen Christusbindung und dem Verhältnis der Getauften untereinander zu denken?3 Muss Einheit in diesem Falle auch Gleichheit bedeuten?4 Welche Bedeutung kommt in der Konstellation der Kreuzigung Jesus zu?5 Weiterhin ist zu fragen, ob die rhetorisch zu verstehenden Fragen in 1Kor 1,13 Anhaltspunkte in der Realität haben? Wenn nicht, wie die Abänderung der ὄνομα-Taufformel, zumal als einziger Beleg dieser Formel bei Paulus, als bewusste Verfälschung einer Taufformel im Kontext von Ritualkritiken zu werten ist.6 Und schließlich: Welche Rolle nimmt der Täufer nach paulinischer und nach korinthischer Auffassung ein und welche Rolle spielt dabei die Verkündigung? Die umfassende These Heinricis zu diesem Thema soll hier abschließend, nicht zuletzt auf Grund ihrer erheblichen Wirkungsgeschichte dargestellt werden.

       Exkurs: Der Täufer als Mystagoge – Heinrici

      „… es knüpf[t] sich zwischen Täufer und Täufling noch ein besonderes Band, ähnlich wie zwischen Mystagogen und dem von ihm Eingeweihten“1 – in Gefolgschaft von C.F. Georg Heinrici findet sich in der Forschungsgeschichte immer wieder die Erklärungsthese für die Gruppenbildungen in Korinth, dass die Korinther die christliche Taufe mit Mysterieneinweihungen verwechseln würden. Die ihnen daher bekannte besondere Bindung des Initianden an den Mystagogen vermuten sie auch für die Taufe und separieren sich daher in verschiedene Gruppen, welche sich jeweils auf ihren Täufer berufen. Heinrici entfaltet seine Argumentation wie folgt:2

      Paulus kritisiert in der Aufzählung der vier Parteiparolen eine „falsche Nebeneinanderstellung von Lehrern und dem Herrn“ (83). Sie entspräche einer Zerstückelung Christi, welche ein ähnliches Unding sei, wie die Taufe auf