Norbert Wibben

Raban und Röiven Insel der Elfen


Скачать книгу

      »Genau.«

      »Ich finde, Zaubern ist unfair!«

      Jetzt sitzen die fünf wieder zwischen ihren Eltern, da Röiven ihnen gefolgt ist. Die jungen Raben halten ihre Köpfe betrübt gesenkt.

      »Ich nehme die Entschuldigung an. Nach einem überstandenen Zauber soll man sich unbedingt stärken. Mögen eure Kinder genauso gerne Schokolade wie du, Röiven?«

      »Schokolade?«

      »Was ist das?«

      »Wenn das wieder so ein Zauber ist, verzichten wir!«

      »Genau, keine Zauberei!«

      »Ich werde euch einige Brocken Schokolade schenken. Die sind sehr nahrhaft. Fragt euren Vater.« Während Raban mit einem Spruch mehrere Häufchen, genau gesagt acht, auf der Wiese erscheinen lässt, fordert er die Vögel auf, an diesem Versöhnungsmahl teilzunehmen.

      »Die habe ich schon lange vermisst, so ungefähr seit unserem letzten Treffen!«, krächzt Röiven, während er als erster vor einem dieser Haufen hockt. Schnell schnappt er sich einen Brocken, den er mit geschlossenen Augen hinunterschluckt. »Ah. Das tut gut!« Schon verschwindet das nächste Stück Schokolade.

      Im nächsten Moment hockt jeder Kolkrabe vor einem der sieben Haufen, die schnell kleiner werden. Raban und Ilea setzen sich ebenfalls ins Gras und genießen die Brocken des achten. Wie es der Junge erwartet hat, sind die Vögel schneller als er und das Mädchen fertig. Da sie noch sieben Stücke übrighaben, bekommt jeder der Raben noch eins davon. Damit schließen die sonst immer auf Krawall gebürsteten Jungvögel endgültig Frieden mit ihnen.

      Nachdem die letzten Brocken aufgegessen sind, fliegen die jungen Vögel kreischend auf, um sich etwas Bewegung zu verschaffen. Sie beginnen sich gegenseitig zu jagen. Lange untätig herumsitzen können sie wohl nicht. Röiven blickt ihnen hinterher. Er ist mindestens so besorgt um sie, wie er es bei seinem ersten Kind, Ainoa, war. Unruhig hopst er von einem Bein aufs andere und späht in die Ferne, doch die jungen Raben sind nirgends zu sehen.

      »Hast du gerade auch einen Hilferuf gehört?«, fragt er Zoe aufgeregt, die das jedoch verneint.

      »Du weißt, ich habe das bessere Gehör von uns beiden. Da war kein Hilferuf.«

      »Vielleicht können sie auch nicht um Hilfe rufen. Es gibt unzählige Gefahren, die ihnen begegnen könnten. Lass uns nachschauen. Nur ganz kurz.«

      »Du hast doch gerade erst Besuch von deinem Freund bekommen. Was sollen er und Ilea von dir denken? Ich könnte ja an deiner Stelle nach den Kindern schauen, wenn dich das beruhigt. Was meinst du?«

      »Nein. Wenn ihnen ein Zauberer begegnen sollte, kannst du ihnen …«

      »Es gibt keine gefährlichen Magier mehr«, versucht Raban, den übervorsichtigen Vater zu beruhigen.

      »Vielleicht wissen wir nur nichts davon. Im Herbst war es doch ähnlich. Und plötzlich gab es sogar zwei fremde Zauberer in unserem Land.«

      »Das stimmt schon. Aber nur einer war böse, der andere verfolgte ihn. Und du konntest den Bösen letztlich zur Strecke bringen.«

      »Genau. Und deshalb muss ich in der Nähe meiner Kinder sein. Wir sehen uns demnächst.« Mit diesen Worten schwingt sich der Kolkrabe in die Luft und fliegt in die Richtung, die die jungen Raben erst vor wenigen Minuten eingeschlagen haben. »Zoe, komm schon. Zu zweit sehen wir sie eher.« Mit einem Seufzer erhebt sich seine Gefährtin.

      »Tut mir leid. Ich hoffte, dass er die Fürsorge bei unseren neuen Kindern etwas zügeln würde. Bei Ainoa war sie ja noch nachvollziehbar, aber jetzt? Kommt uns doch trotzdem bald mal wieder besuchen. Oder, Raban, könntest du ihn mit auf eine neue Mission nehmen? Da käme er auf andere Gedanken.« Schnell folgt Zoe nun Röiven, der inzwischen nur noch als kleiner Punkt zu sehen ist.

      Der Junge und das Mädchen schauen sich an und beginnen dann zu grinsen.

      »Vielleicht sollte ich diesen Rabenvater tatsächlich mit einer besonderen Aufgabe ablenken. Die jungen Kolkraben sind doch bereits selbstständig und werden ihn noch völlig überfordern.«

      »Das ist eine gute Idee. Ich hatte den Eindruck, dass dein Freund schon sehr abgenommen hat. Sein Gefieder glänzt auch nicht mehr so stark wie sonst. Du solltest Röiven morgen erneut besuchen. Vielleicht überredest du ihn zu einer kleinen Auszeit in eurer Scheune, du weißt sicher, welche ich meine.«

      »Aber klaro. Jo, jepp usw. Übrigens, diese Ausdrücke haben seine Kinder schon von Röiven übernommen. – Die Idee ist super. Das bringt mich darauf, dass wir im Herbst den Ausflug dort abgebrochen haben. Ich schlage vor, dass wir jetzt den nächsten Ort unseres Ausflugs aufsuchen.« Der Junge erhebt sich und klopft sich einige Grashalme von der Hose. Er schultert den Rucksack und nimmt Ileas Hand in seine.

      Im gleichen Moment stehen sie in der Nähe eines Meeresarms mit Blick auf eine kleine Festung, die sich auf einer Felseninsel befindet. Ilea dreht sich einmal komplett um sich selbst, um die überwältigende Szenerie rundherum erfassen zu können.

      »Wow. Das ist atemberaubend schön hier. Aber sind wir im letzten Herbst bei unserer Flucht vor dem Zauberer nicht zuerst in zwei Tierparks gewesen? Dann standen wir vor dem Museum in der Hauptstadt, sind kurz mit der Straßenbahn gefahren und suchten die Eingangshalle eines Bahnhofs auf, bevor wir hierherkamen.«

      »Genau. Diese Orte sind zwar auch Stationen der Reise mit Röiven gewesen, aber sie sind nicht wirklich spektakulär, ich meine, nicht so umwerfend schön.« Raban blickt Ilea forschend an. Hat er richtig vermutet, dass sie auch eher die Besonderheiten der Natur als das hektische Leben an den anderen Plätzen sehen möchte? Das Mädchen lächelt ihn an.

      »Wir hatten im Herbst eigentlich auch nicht vor, diese Orte zu besuchen, wenn ich mich richtig erinnere. Hier, in der Ruhe, ist es viel entspannter. – Was passierte hier, ich meine, auf eurer Reise vor zwei Jahren?« Der Junge freut sich, dass er die richtige Wahl getroffen hat.

      »Wir suchten nach weiteren Kolkraben. Röiven hatte erfahren, dass hier ein Clan von ihnen leben sollte, also ein Familienverband der Fithich.«

      »Und, hattet ihr Erfolg?«

      »Nein! Die Burg war schon damals völlig heruntergekommen und unbewohnt. Für Fithich gab es keinen Grund, sich dort aufzuhalten. Bis auf ein paar Krähen, die den König der Lüfte, einen Steinadler, attackierten, gab es hier keine anderen Vögel.«

      »Krähen bezeichnet Röiven doch sonst als »Lumpenpack« oder »Gesindel«, genauso wie Dohlen und Elstern.« Ilea schaut Raban mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Konntet ihr von ihnen etwas erfahren?«

      »Nein. Das hat Röiven auch nicht versucht. Aber der Adler gab meinem Freund einen Tipp, wo wir suchen sollten. Das ist auch der nächste Halt auf unserer Reise.«

      »Warte bitte. Ich möchte mich noch etwas umsehen.«

      Gemeinsam mit Ilea betrachtet Raban erneut das Panorama. Umrahmt wird ihr Standpunkt ringsherum von gewaltigen Bergen, wodurch die Burganlage auf dem Eiland winzig erscheint. Das Wasser des Meeresarms liegt fast glatt vor ihnen, in dem sich die alte Anlage und der blaue Himmel spiegeln. Sie drehen sich um und erblicken eine langsam ansteigende Ebene, die bis an den Fuß der Berge reicht. Die Gipfel setzen sich bis in weiter Ferne fort, neben- und übereinander emporragend.

      »Die Ebene mündet in einer Felsspalte, die zwischen die Berge führt. Wir sind ihr damals bis in ein Tal gefolgt, in dem Kolkraben zu finden sein sollten. Wollen wir auch durch die Schlucht wandern?«

      »Wenn der Pfad zwischen diesen gewaltigen Bergen sehr eng wird, fühle ich mich ein wenig unbehaglich. Nein. Bring uns lieber direkt zum nächsten Ort.« Ilea nimmt