Karl Marx

Lohn, Preis und Profit


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      LUNATA

Lohn, Preis und Profit

       Entstanden Ende Mai bis. 27. Juni 1865

       Der Text entspricht der Niederschrift eines Vortrages, gehalten von Marx im Juni 1865

       Erstdruck unter dem Titel »Value, price, and profit«, London 1898.

      Lohn, Preis und Profit

      © 1865 Karl Marx

      Erstdruck London 1898

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Einleitendes

       1. Produktion und Löhne

       2. Produktion, Lohn, Profit

       3. Löhne und Geldumlauf

       4. Angebot und Nachfrage

       5. Löhne und Preise

       6. Wert und Arbeit

       7. Die Arbeitskraft

       8. Die Produktion des Mehrwerts

       9. Der Wert der Arbeit

       10. Profit wird gemacht durch Verkauf einer Ware zu ihrem Wert

       11. Die verschiedenen Teile, in die der Mehrwert zerfällt

       12. Das allgemeine Verhältnis zwischen Profiten, Arbeitslöhnen und Preisen

       13. Die hauptsächlichsten Versuche, den Arbeitslohn zu heben oder seinem Sinken entgegenzuwirken

       14. Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit und seine Resultate

      Einleitendes

      Bürger!

      Bevor ich auf unseren Gegenstand eingehe, erlaubt mir einige Vorbemerkungen.

      Gegenwärtig herrscht auf dem Kontinent eine wahre Epidemie von Streiks, und allgemein wird nach einer Lohnsteigerung gerufen. Die Frage wird auf unserm Kongress zur Sprache kommen. Ihr als Leiter der Internationalen Assoziation müsst einen festen Standpunkt in dieser überragenden Frage haben. Ich für meinen Teil habe es daher für meine Pflicht gehalten, ausführlich auf die Sache einzugehen - selbst auf die Gefahr hin, eure Geduld auf eine harte Probe zu stellen.

      Eine Vorbemerkung noch mit Bezug auf Bürger Weston. Nicht nur hat er vor euch Anschauungen entwickelt, die, wie er weiß, in der Arbeiterklasse äußerst unpopulär sind; er hat diese Anschauungen auch öffentlich vertreten, wie er glaubt im Interesse der Arbeiterklasse. Eine solche Bekundung moralischen Muts müssen wir alle hochachten. Trotz des unverblümten Stils meiner Ausführungen wird er hoffentlich am Schluss derselben finden, dass ich mit dem übereinstimme, was mir als der eigentliche Grundgedanke seiner Sätze erscheint, die ich jedoch in ihrer gegenwärtigen Form nicht umhin kann, für theoretisch falsch und praktisch gefährlich zu halten.

      Ich komme nun ohne Umschweife zur Sache.

      1. Produktion und Löhne

      Bürger Westons Beweisführung beruhte wesentlich auf zwei Voraussetzungen:

      1 dass der Betrag der nationalen Produktion ein unveränderliches Ding ist oder, wie die Mathematiker sagen würden, eine konstante Menge oder Größe;

      2 dass der Betrag des Reallohns, d.h. des Lohns, gemessen durch das Warenquantum, das mit ihm gekauft werden kann, ein unveränderlicher Betrag, eine konstante Größe ist.

      Nun, das Irrtümliche seiner ersten Behauptung springt in die Augen. Ihr werdet finden, daß Wert und Masse der Produktion von Jahr zu Jahr zunehmen, daß die Produktivkraft der nationalen Arbeit größer wird und daß die zur Zirkulation dieser gesteigerten Produktion notwendige Geldmenge fortwährend wechselt. Was am Ende des Jahres und für verschiedne miteinander verglichene Jahre gilt, das gilt auch für jeden Durchschnittstag im Jahr. Die Menge oder Größe der nationalen Produktion wechselt fortwährend. Sie ist keine konstante, sondern eine variable Größe, und ganz abgesehn von den Veränderungen des Bevölkerungsstandes kann das nicht anders sein wegen des fortwährenden Wechsels in der Akkumulation des Kapitals und der Produktivkraft der Arbeit. Unleugbar, fände heute eine Steigerung der allgemeinen Lohnrate statt, so würde diese Steigerung, welches immer ihre schließlichen Folgen, an sich nicht unmittelbar den Betrag der Produktion ändern. Sie würde zunächst einmal vom jetzigen Stand der Dinge ausgehn. War aber die nationale Produktion vor der Lohnsteigerung variabel und nicht fix, so wird sie auch nach der Lohnsteigerung fortfahren, variabel und nicht fix zu sein.

      Gesetzt aber, der Betrag der nationalen Produktion sei konstant statt variabel. Selbst dann bliebe, was unser Freund Weston für einen Vernunftschluß hält, eine bloße Behauptung. Habe ich eine gegebne Zahl, sage 8, so hindern die absoluten Grenzen dieser Zahl ihre Bestandteile keineswegs, ihre relativen Grenzen zu ändern. Machte der Profit 6 aus und der Arbeitslohn 2, so könnte der Arbeitslohn auf 6 steigen und der Profit auf 2 fallen, und doch bliebe der Gesamtbetrag 8. So würde der fixe Betrag der Produktion keineswegs beweisen, daß der Betrag des Arbeitslohns fix sei. Wie beweist nun aber unser Freund Weston diese Fixität? Einfach indem er sie behauptet.

      Aber selbst seine Behauptung zugegeben, ergibt sich aus ihr zweierlei, während er nur eins sieht. Ist der Lohnbetrag eine konstante Größe, so kann er weder vermehrt noch vermindert werden. Wenn daher die Arbeiter töricht handeln mögen, indem sie eine vorübergehende Lohnsteigerung erzwingen, so handeln die Kapitalisten nicht minder töricht, indem sie eine vorübergehende Lohnsenkung erzwingen. Unser Freund Weston leugnet nicht, daß die Arbeiter unter gewissen Umständen eine Steigerung des Arbeitslohns durchsetzen können, da aber sein Betrag von Natur fixiert sein soll, müsse ein Rückschlag erfolgen. Andrerseits weiß er auch, daß die Kapitalisten eine Lohnsenkung erzwingen können und daß sie dies in der Tat fortwährend versuchen. Nach dem Prinzip des konstanten Arbeitslohns müßte in dem einen Fall so gut wie in dem andern ein Rückschlag erfolgen. Wenn daher die Arbeiter sich dem Versuch oder der Durchführung einer Lohnsenkung widersetzten, täten sie ganz recht. Sie würden also richtig handeln, indem sie eine Lohnsteigerung erzwingen, weil jede Abwehraktion gegen eine Herabsetzung des Lohns eine Aktion für eine Lohnsteigerung ist. Nach Bürger Westons eignem Prinzip vom konstanten Arbeitslohn sollten sich die Arbeiter daher unter gewissen Umständen zusammentun und für eine Lohnsteigerung kämpfen.

      Wenn er die Schlußfolgerung ablehnt, muß er die Voraussetzung preisgeben, woraus sie sich ergibt. Statt zu sagen, der Betrag des Arbeitslohns sei ein konstantes Quantum, müßte er sagen, daß, obgleich er weder steigen könne noch müsse, er vielmehr fallen könne und müsse, sobald es dem Kapital gefällt, ihn herabzusetzen. Beliebt es dem Kapitalisten, euch Kartoffeln an Stelle von Fleisch und Hafer an Stelle von Weizen essen zu