Иван Тургенев

Rudin


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      Rudin

      I

      Es war ein stiller Sommermorgen. Die Sonne stand schon ziemlich hoch am reinen Himmel, auf den Feldern aber glänzte noch der Thau, aus den eben erwachten Thälern wehte duftige Frische und in dein noch feuchten und lautlosen Walde stimmten die kleinen Vögel lustig ihr Morgenlied an. Auf dem Gipfel eines Hügels, dessen Abhänge von oben bis unten mit reifendem Roggen bedeckt waren, zeigte sich ein kleines Dörfchen. Nach diesem Dörfchen ging, auf schmalem Nebenwege, eine junge Frau in weißem Mousselinkleide und rundem Strohhute, einen Sonnenschirm in der Hand. Ein kleiner, als Kosak gekleideter Dienstbursche folgte ihr in einiger Entfernung.

      Sie ging, ohne sich zu beeilen und als fände sie Vergnügen an ihrem Spaziergange Rings umher aus dem langen und schwankenden Roggen zogen in silbergraulichem und röthlichem Farbenspiele langgestreckte Wogen mit sanftem Rauschen dahin; in der Höhe schmetterten Lerchen. Die junge Frau kam aus dem ihr gehörigen größeren Dorfe, das etwa eine Werst von demjenigen Dörfchen entfernt lag, wohin sie ihre Schritte gerichtet hatte. Sie hieß Alexandra Pawlowna Lipin, war Wittwe, kinderlos und ziemlich begütert, und lebte zusammen mit ihrem unverheiratheten Bruder, Sergei Pawlowitsch Wolinzow, einem Stab-Rittmeister außer Diensten, welcher ihr Gut verwaltete.

      Alexandra Pawlowna hatte das Dorf erreicht; sie blieb bei dem äußersten, sehr alten und verfallenen Bauernhäuschen stehen, rief ihren Dienstburschen heran und befahl ihm, hineinzugehen und sich nach dem Befinden der Eigenthümerin zu erkundigen. Er kehrte bald zurück, gefolgt von einem altersschwachen Bauer mit weißem Barte.

      – Nun, wie steht’s? fragte Alexandra Pawlowna.

      – Sie lebt noch . . erwiederte der Alte.

      – Kann ich hineingehen?

      – Warum nicht.

      Alexandra Pawlowna trat in die Hütte. Es war eng darin, beklommen und räucherig . . . Auf der Ofenbank1 regte sich Jemand und stöhnte. Alexandra Pawlowna sah sich um und gewahrte in dem Halbdunkel den gelben und runzeligen Kopf einer alten Frau, den ein quarrirtes Tuch umhüllte. Bis unter den Hals mit einem dicken Oberrock bedeckt, athmete sie schwer und bewegte schwach ihre mageren Arme.

      Alexandra Pawlowna trat zu der Alten heran und berührte ihre Stirne mit der Hand; sie war brennend heiß.

      – Wie ist Dein Befinden, Matrona? fragte sie, sich über die Ofenbank beugend.

      – Ach! Ach! stöhnte die Alte, nachdem sie Alexandra Pawlowna gewahr worden war. – Schlecht, Schlecht, Mütterchen! Das Todesstündchen ist gekommen, mein Täubchen.

      – Mit Gottes Hilfe wird es schon besser werden, Matrona. Hast-Du die Arznei eingenommen, die ich Dir geschickt habe?

      Die Alte stöhnte schwer und gab keine Antwort. Sie hatte die Frage nicht recht gehört.

      – Sie hat sie eingenommen, erklärte der Alte, der an der Thür stehen geblieben war.

      Alexandra Pawlowna wandte sich zu ihm.

      – Außer Dir ist Niemand bei ihr? fragte sie.

      – Die Kleine ist da – ihre Enkelin, läuft aber immer davon. Kann nicht sitzen bleiben: ein wildes Ding. Einen Trunk Wasser der Großmutter reichen – selbst das fällt ihr schwer. Bin selbst zu alt: was kann ich helfen?

      – Sollte man sie nicht zu mir in’s Krankenhaus tragen? «

      – Nein! wozu in’s Krankenhaus! ganz gleich, wo man stirbt. Sie hat ihre Zeit abgelebt; es muß wohl Gottes Wille so sein. Sie kann von der Ofenbank nicht herunter. Wie soll die in’s Krankenhaus! Hebt man sie nur auf, so ist sie todt.

      – Ach, stöhnte die Kranke wieder: – meine schöne, gnädige Frau, meine Kleine, die Waise, verlaß sie nicht; unsere Herrschaft ist weit von hier, Du aber . . .

      Die Alte schwieg, sie konnte kaum sprechen.

      – Sei ruhig, sagte Alexandra Pawlowna: – es soll Alles geschehen. Ich habe Dir da Thee und Zucker gebracht. Wenn Du Luft haben wirst, trinke . . . Ihr habt ja doch wohl ein Samowar2 setzte sie, mit einem Blick auf den Alten, hinzu.

      – Ein Samowar? Nein, ein Samowar haben wir nicht, man kann sich das aber verschaffen.

      – Nun, dann verschaffe ihn Dir, geht’s nicht, so schicke ich Dir einen. Und sage auch Deiner Enkelin, sie solle nicht aus dem Hause laufen. Sage ihr, es sei das gar nicht recht von ihr.

      Der Alte antwortete nichts, nahm indessen den eingewickelten Thee und Zucker mit beiden Händen entgegen.

      – Nun, lebe wohl, Matrona! sagte Alexandra Pawlowna: – ich komme wieder zu Dir, verliere den Muth nicht und nimm die Arznei pünktlich ein . . .

      Die Alte hob den Kopf ein wenig und streckte sich gegen Alexandra Pawlowna vor.

      – Gieb, Gnädige, das Händchen, lallte sie.

      Alexandra Pawlowna gab ihr nicht die Hand, sie beugte sich über sie und küßte sie auf die Stirne.

      – Gieb also Acht, sagte sie im Fortgehen zum Alten: – die Arznei muß ihr durchaus eingegeben werden, wie vorgeschrieben ist . . . Und auch Thee gebt ihr zu trinken.

      Der Alte erwiederte abermals nichts und verbeugte sieh nur.

      Alexandra Pawlowna athmete freier, als sie wieder in die frische Luft gekommen war. Sie schlug ihren Sonnenschirm auf und wollte bereits nach Hause geben, als plötzlich um die Ecke der Hütte herum auf einer niedrigen Reitdroschke ein Mann in den Dreißigen angefahren kam; er hatte einen alten Paletot aus grauem Leinzeuge an und trug eine Mütze aus gleichem Stoffe. Als er Alexandra Pawlowna’s ansichtig wurde, hielt er sogleich an und wandte sich zu ihr. Sein Gesicht war breit und bleich, mit kleinen blaßgrauen Augen und hellblondem Schnurrbart; das Ganze paßte zur Farbe seines Anzuges.

      – Guten Tag, brachte er mit einem trägen Lächeln hervor: – was machen Sie denn hier, wenn ich fragen darf.

      – Ich habe eine Kranke besucht . . . Von wo kommen Sie aber, Michael Michailitsch?

      Der Mann, der Michael Michailitsch hieß, schaute ihr in die Augen und lächelte wieder.

      – Sie haben gut daran gethan, fuhr er fort: – eine Kranke zu besuchen; wäre es aber nicht besser, Sie ließen sie in’s Krankenhaus bringen?

      – Sie ist zu schwach: man darf sie nicht rühren.

      – Wie ist’s denn mit Ihrem Krankenhause, sind Sie nicht Willens es eingehen zu lassen?

      – Eingehen lassen? Weshalb?

      – Nun, so.

      – Welch’ sonderbarer Einfall! Wie ist Ihnen der in den Kopf gekommen?

      – Sie verkehren ja so viel mit Frau Laßunski, und stehen, wie es scheint, unter ihrem Einflusse. Wie die nun sagt, sind ja Krankenhäuser, Schulen – nichts als Unsinn, unnütze Erfindungen. Die Wohlthätigkeit soll persönlich sein, ebenso die Bildung; das Alles ist Sache der Seele . . . in dieser Weise, glaube ich, drückt sie sich aus. Wem sie das nachsingt, möchte ich aber wissen?

      Alexandra Pawlowna lachte aus.

      – Darja Michailowna ist eine kluge Frau, ich liebe und achte sie sehr; sie kann ja aber auch irren und ich glaube nicht an jedes ihrer Worte.

      – Und Sie thun sehr wohl daran, erwiederte Michael Michailitsch, immer noch aus der Droschke sitzend: – denn Sie selbst schenkt ihren eigenen Worten keinen rechten Glauben. Es freut mich übrigens sehr, daß ich sie getroffen habe.

      – Wie so?

      – Eine schöne Frage! Als wenn es nicht immer angenehm wäre, mit Ihnen zusammenzukommen! Heute sind Sie ebenso frisch und freundlich, wie dieser Morgen

      Alexandra Pawlowna lachte wieder.

      – Worüber lachen Sie denn?

      – Wie, worüber? Wenn Sie sehen könnten, mit welcher apathischen, kalten Miene Sie Ihr Compliment vorbrachten! Es wundert mich, daß Sie es ohne Gähnen zu Ende gebracht haben.

      – Mit kalter Miene . . . Sie wollen immer Feuer haben; Feuer taugt aber zu nichts. Es lodert auf, qualmt und verlischt.

      – Und