Edgar Wallace

Der Frosch mit der Maske


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      Edgar Wallace

      Der Frosch mit der Maske

      Impressum

      Covergestaltung: Steve Lippold

      Digitalisierung: Gunter Pirntke

      ISBN: 9783955012199

      2014 andersseitig.de

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

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      1

      Das Heißwerden des Kühlers traf mit dem Platzen eines Autoreifens zusammen. Und das nächste Zusammentreffen war, daß dies alles in der Nachbarschaft des Maytree-Hauses auf der Landstraße nach Horsham geschah. Das Landhaus war größer als die meisten dieser Art. Es hatte eine holzverzierte Fassade und ein Strohdach. Richard Gordon stand vor der Gartentür still, um es zu bewundern. Das Haus stammte noch aus der Elisabethanischen Epoche. Aber sein Interesse und seine Bewunderung waren nicht nur die eines Altertumsliebhabers.

      Nein – obgleich er Blumen als ein richtiger Blumenfreund liebte und dieser weite Garten wie ein Teppich dalag, war es doch nicht der Duft der Provencerosen, der ihn gefangennahm. Es war auch nicht das Gefühl von Gemütlichkeit und Sauberkeit, das dieser Ort ausströmte, nicht dieser gescheuerte, mit roten Ziegeln bepflasterte Weg, der zum Haus führte, nicht die schneeweißen Vorhänge hinter den bleigefaßten Fensterscheiben.

      Es war das Mädchen im rotbezogenen Korbsessel, das seinen Blick fesselte. Sie saß inmitten einer kleinen Rasenfläche, im Schatten eines Maulbeerbaumes, die wohlgeformten jungen Glieder ausgestreckt, ein Buch in der Hand, eine große Schachtel Bonbons zur Seite. Ihr Haar hatte die Farbe alten Goldes, aber eines Goldes, das Leben und Glanz bewahrt hat. Sie zog die Beine hastig an und erhob sich.

      »Es tut mir leid, Sie zu stören«, entschuldigte sich Dick, den Hut in der Hand. »Aber ich brauche Wasser für meinen armen Wagen.«

      »Wenn Sie mit mir hinter das Haus kommen wollen, werde ich Ihnen den Brunnen zeigen«, antwortete sie. Die Schönheit ihrer Stimme kam ihm sogleich zum Bewußtsein. Es war ein Alt, auf den alle Adjektive angewendet werden konnten, die die Wärme, Weichheit, Klangfülle und Süßigkeit einer Stimme zu kennzeichnen vermögen. Er folgte und hätte gerne gewußt, wer sie war. Sie hatte eine kleine patronisierende Färbung in der Stimme, die er wohl verstand. Es war der Ton eines erwachsenen Mädchens einem Jüngling ihres Alters gegenüber. Dick, der dreißig Jahre alt war und mit seinem glatten Knabengesicht wie achtzehn aussah, hatte diesen »Kleinen-Jungen-Ton« schon früher gehört und war immer durch ihn belustigt worden.

      »Hier sind die Eimer, und da ist der Brunnen«, sagte sie. »Ich würde Ihnen ein Mädchen zur Hilfe schicken, aber wir haben keins, haben nie eins gehabt und werden wohl nie eins bekommen.«

      »Da ist aber ein armes Mädchen um einen besonders guten Posten gekommen«, sagte Dick, »denn ich finde es hier entzückend.«

      Sie schwieg, und während sie ihm beim Füllen der Eimer zusah, hatte er den Eindruck der verschlossenen Gleichgültigkeit von ihrer Seite. Aber als er die Eimer zum Auto auf der Landstraße trug, folgte sie ihm nach. Sie ging um den großen gelben Rolls Royce herum und prüfte ihn mit Neugier.

      »Fürchten Sie sich nicht, einen so schweren Wagen allein zu fahren?« fragte sie. »Ich würde mich zu Tode fürchten. Er ist so gewaltig und so schwer zu handhaben.«

      Dick richtete sich auf. »Angst?« rühmte er sich lachend. »Das ist ein Wort, das ich aus dem Lexikon meiner Jugend gestrichen habe.«

      Eine Sekunde lang war sie verwirrt, dann lachte sie wie er.

      »Sind Sie über Welford gekommen?« fragte sie. Er nickte. »Dann haben Sie vielleicht meinen Vater auf der Straße getroffen?«

      »Ich bin nur einem trüb dreinschauenden Herrn mittleren Alters begegnet, der einen großen braunen Kasten schleppte.«

      »Wo sind Sie ihm begegnet?« fragte sie mit Interesse.

      »Es war zwei Meilen von hier, vielleicht noch näher.« Und dann, als ihn Zweifel überkam, fügte er hinzu: »Ich hoffe, daß ich nicht Ihren Herrn Vater beschrieben habe?«

      »Ich glaube schon, daß er es gewesen ist«, sagte sie ohne Verstimmung. »Papa ist ein Naturforscherfotograf. Er nimmt Filme von Vögeln und anderes auf, natürlich als Amateur.«

      Dick trug die Eimer nach dem Ort zurück, an dem er sie gefunden hatte, und verweilte noch zögernd. Er suchte nach einer Entschuldigung für sein Bleiben und glaubte, sie in dem Garten zu finden. Wie weit er jedoch dieses Gesprächsthema hätte ausschöpfen mögen, muß bloße Vermutung bleiben, denn eine Unterbrechung des Gespräches trat in Gestalt eines jungen Mannes aus dem Haustor. Er war groß, hübsch, athletisch gebaut. Dick schätzte ihn auf zwanzig Jahre.

      »Hallo, Ella, ist Vater zurück?« fragte er.

      »Mein Bruder«, stellte das Mädchen vor, und Dick Gordon war sich dessen bewußt, daß er die freie und leichte Art des Bekanntwerdens seinem jugendlichen Aussehen verdankte. Als unbedeutender Junge behandelt zu werden, hatte, wie es schien, seine Vorteile. »Ich habe ihm gesagt, daß man es jungen Burschen nicht erlauben sollte, so große Wagen zu lenken«, sagte Ella. »Erinnern Sie sich noch an den gräßlichen Zusammenstoß bei der Norham-Kreuzung?«

      Ray Bennett kicherte. »Das gehört alles mit zu eurer Verschwörung. Nur damit ich kein Motorrad bekomme! Vater glaubt nämlich, daß ich damit jemanden zu Tode fahren würde, und Ella denkt, ich würde selbst dabei verunglücken.«

      In diesem Augenblick sah Dick den Mann, dem er auf der Landstraße begegnet war, hereinkommen. Groß, mit lockeren Gliedern, grau und hager, blickte er ihm mißtrauisch entgegen.

      »Guten Tag«, stieß er kurz hervor. »Panne gehabt?«

      »Nein. Ich hatte nur kein Wasser, und Fräulein –«

      »Bennett«, sagte der Mann. »Sie hat Ihnen Wasser gegeben? Nun also, guten Morgen.« Er trat beiseite, um Gordon an sich vorüber zu lassen, aber Dick öffnete von innen her das Tor und ließ den Besitzer von Maytree-Haus hereinkommen.

      »Mein Name ist Gordon«, sagte er. »Ich danke Ihnen noch sehr für Ihre Gastfreundschaft.«

      Mit einem Nicken ging der alte Mann, seine schwere Last tragend, ins Haus. Und Dick wendete sich, fast verzweifelt darüber, nun gehen zu sollen, an das junge Mädchen:

      »Sie irren, wenn Sie das Steuern des Wagens für so schwierig halten, wollen Sie es versuchen? Oder vielleicht Ihr Bruder?« Das Mädchen zögerte. Aber der junge Bennett sagte eifrig:

      »Ich würde es sehr gerne versuchen, ich habe noch nie einen starken Wagen gefahren!«

      Daß er ihn zu fahren vermochte, wenn die Gelegenheit sich bot, zeigte er nun. Sie sahen zu, wie der Wagen um die Ecke glitt, das Mädchen mit einer kleinen Falte zwischen den Brauen, Dick alles außer dem einen vergessend, daß er noch einige Minuten in ihrer Nähe zu bleiben vermochte.

      »Hätten Sie ihn doch nur nicht fahren lassen«, sagte das Mädchen. »Es nützt einem Jungen, der sich immer nach etwas Besserem sehnt, nichts, wenn man ihn solch ein schönes Auto steuern läßt. – Vielleicht verstehen Sie mich nicht? Ray ist sehr ehrgeizig und träumt von Millionen. So etwas bringt ihn immer ganz außer sich.«

      Ihr Vater kam in dem Augenblick aus dem Haus, und sein Gesicht verfinsterte sich, als er die beiden am Tor stehen sah. »Sie haben ihn den Wagen fahren lassen?« sagte er grimmig. »Es wäre mir lieber gewesen, wenn's nicht geschehen wäre.«

      »Es tut mir leid«, sagte Dick ruhig. »Da kommt er!« Der große Wagen kam auf sie zu und hielt vor dem Tor.

      »Er ist wundervoll!« Ray Bennett sprang heraus und überflog den Rolls mit einem Blick, in dem Bedauern und Bewunderung sich mengten. »Mein Gott! Wenn der mir gehörte!«

      »Er gehört dir aber nicht«, fiel ihm der Alte ins Wort. Doch dann, als würde er seine