Glenn Stirling

Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand


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um den Tisch herum, blieb neben ihr stehen und sie schaute zu ihm empor. Er nahm ihre Hände, zog ihre Rechte an seine Lippen, küsste ihre Finger einzeln, dann den Handrücken und legte ihre Hand an seine Wange.

      Sie strich ihm zärtlich darüber, erwischte sein Ohrläppchen und zog daran, als wollte sie ihm damit zeigen, dass er sich zu ihr niederbeugen sollte.

      Er spürte ganz genau, was sie wollte und kam ihrem Verlangen nach. Aber es fiel ihm schwer, sich zu bücken; daran hatte sie wohl nicht gedacht. Dennoch tat er es, wenn auch unter Schmerzen.

      Er küsste ihre Nasenspitze, ihre Stirn, küsste sie auf beide Augen und dann auf den Mund. Seine Hände griffen unter ihre Arme und zogen sie empor.

      Sie wusste, nach was er sich sehnte. Und obgleich sie es selbst auch wollte, glaubte sie, es ihm versagen zu müssen. Nein, nicht schon heute, dachte sie. Nicht schon jetzt. Ich muss mich dagegen wehren.

      Aber sie tat nichts, um ihn zu hindern, als er sie wie in einem Tanz bis zur Couch führte. Und als ihre Kniekehlen dagegen stießen, hatte sie nicht die Kraft stehenzubleiben. Sie gab nach, als er sie auf die Couch drängte. Sie sank darauf, spürte seine kräftigen Arme, fühlte seinen Mund auf ihren Lippen und ertrank in der Glut seiner Küsse. Der einzige Gedanke, den sie überhaupt fassen konnte, war der Wunsch, mit ihm glücklich zu sein ...

      14

      Die Morgenbesprechung bei Gött war zu Ende. Alle Ärzte, bis auf Ina Bender, waren inzwischen gegangen. Und Gött hielt noch immer die Zeitung mit dem Bericht über den Unglücksfall im Freihafen in den Händen.

      Ina hatte ebenfalls die Fotos und Berichte gesehen. Fotos des Kollegen Dr. Harald Preiß und seiner Helferin Schwester Marita. Aber auch Fotos von Dr. Sanders, als der auf der Trage ins Klinomobil geschafft worden war.

      „Wie geht es dem Kollegen Sanders eigentlich?“, fragte Ina.

      „Ja, Frau Bender“, erwiderte Gött, „der macht sich prächtig, muss aber noch liegen, hat ganz schön einen auf den Ballon bekommen. Naja, das heilt rasch. Und was wichtiger ist, diesem Arbeiter, den Sanders und Preiß mit Schwester Maritas Hilfe operiert haben, geht es den Umständen gemäß nicht schlecht. Sie werden ihn noch sicherheitshalber eine Weile in der Intensivstation zur Beobachtung halten, weil ja mit Entzündungen gerechnet werden muss.“ Er schob die Zeitung beiseite und sah Ina an. „Nun setzen Sie sich, Frau Bender, Sie haben doch irgendetwas auf dem Herzen. Übrigens, das wäre fast unter dieser Sache von gestern untergegangen, bin ich verdammt froh, dass es mit Ihrem Bernd Kluge ein Irrtum war.“

      „Deswegen wollte ich mit Ihnen reden, Herr Chefarzt“, erklärte Ina und sah ihn ernst an.

      Er lehnte sich zurück und machte ein gespannt wirkendes Gesicht. „Also heraus damit, was ist los?“

      „Ich möchte vier Tage Urlaub haben, Herr Professor.“

      Er richtete sich spontan auf, als sei er mit einer Nadel gepiekt worden. „Urlaub? Das ist ausgeschlossen! Menschenskind, Frau Bender, Sie wissen doch, was bei uns los ist. Wieso denn Urlaub?“

      „Ich will zu ihm. Herr Chefarzt, es dauert nur vier Tage, dann bin ich wieder hier, mache meinen Dienst. Und solange muss es ja einmal möglich sein. Ich möchte mich nicht krankmelden und Ihnen etwas vorschwindeln. Ich werde zu ihm fahren und dafür sorgen, dass er mitkommt, dass er das da aufgibt. Oder er gibt mich auf.“

      „Aber Mädchen, nun hören Sie doch mal zu“, sagte Gött beschwichtigend. „Ich brauche Sie hier so dringend. Sie wissen doch genau, dass Preiß verletzt ist und für den Notdienst ausfällt. Da muss ich jemand anderen hinschicken. Die Grund kann das nicht. Ich frage mich überhaupt, wie die jemals mit ihrer Facharztausbildung zurande kommen will. Und alle anderen brauche ich hier dringend. Glücklicherweise habe ich das Glück, dass der Kollege Fink mir einen Anästhesisten, der sich in Facharztausbildung befindet, für den Notdienst herausgibt. Das sind schon mal s die winzigen Erfolge, die man haben kann. Aber wen soll ich denn für Sie hier einsetzen? Breitenbacher hüpft mit einem Gipsfuß herum. Und wenn ich den schon sehe mit seinem Märtyrerblick, wird mir schwarz vor Augen. Aber ich gebe ja zu, es fällt ihm nicht leicht, Dienst zu machen. Doch er tut ihn, weil ich ihn darum gebeten habe und weil ich ihn brauche. Wir können auf niemanden verzichten, unseren Patienten zuliebe nicht. Sehen Sie, Ihrem Bernd geht es doch gut da unten, es ist ihm nichts passiert, und er ... “

      „Gutgehen?“, fauchte Ina zornig. „Wie kann es einem Arzt gutgehen, der in einem Katastrophengebiet arbeitet, wo, wie ich gestern Abend noch im Fernsehen gesehen habe, nicht einmal Unterkünfte für die Menschen sind, die obdachlos wurden. Es ist ein Jammer, wie die da leben und es ist kalt da.“

      „Mein Gott“, knurrte er, „ich verstehe Sie ja. Aber nun seien Sie doch einmal vernünftig. Hier liegen hunderte Patienten, die unsere Hilfe brauchen. Wir müssen uns um sie kümmern. Wir können doch nicht einfach einer persönlichen Frage wegen alles hinschmeißen. Ich habe Kiesewetter ja schon in den aktiven Dienst gesteckt und mache seine Arbeit, weil wir eben niemanden haben, weil überall Ärzte fehlen. Kiesewetter hilft da und dort als Oberarzt, das ist auch nicht die Regel. Wenn Sie jetzt noch ausfallen, wie soll das denn weitergehen? Immerhin wird hier rund um die Uhr gearbeitet. Wir sind nun mal nicht irgendein Kreiskrankenhaus in Hintertupfingen. Dies ist das Hafenkrankenhaus in Hamburg.“

      Ina sah ja ein, dass er im Grunde recht hatte. Aber sie hatte die letzte Nacht aus Sorge um Bernd schon nicht mehr schlafen können. Der Schock von dieser falschen Todesmeldung saß ihr noch in den Gliedern. Nein, sagte sie sich, ich halte das wirklich nicht aus. Gött erklärte sie:

      „Ich habe Sie selten um etwas gebeten, was mir so ernst war wie das.“

      „Aber Sie können doch nicht einfach da runter reisen, das ist ein Katastrophengebiet. Sie kommen da überhaupt nicht hin. Ich habe auch Fernsehen geguckt wie Sie. Immer wieder war davon die Rede, dass es ein unzugängliches Gebiet ist, das nur über Hubschrauber erreicht werden kann oder über was weiß ich was. Sie können sich doch nicht von der Armee dort einen Panzer mieten, nur um dahinzukommen, damit Sie sehen, dass es Ihrem Freund gutgeht. Dafür hat doch niemand Verständnis. Und wenn Sie als Ärztin hinkommen, dann wird, wenn die Leute noch ganz bei Tröste sind, die erste Frage die sein: Wollen Sie uns helfen? Naja, und das finde ich normal. Also, warten Sie, bis er kommt. Sie haben mir doch selbst erzählt, dass es nur vierzehn Tage oder drei Wochen dauert. Er ist ja schon eine ganze Zeit dort, dann kommt er doch bald zurück.“

      „Sie wollen also“, erklärte sie beharrlich, „dass ich Ihnen mit einer Krankmeldung komme?“

      „Verdammt, nein, das will ich nicht!“, polterte er und klatschte mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. „Ich will, dass Sie Ihren Dienst machen und nicht nur ich will das, sondern es muss sein, der Patienten wegen. Die anderen bekommen die Kurve nicht. Ich kann doch nicht mit lauter Leuten, die sich noch in der Ausbildung befinden, die schwierigen Fälle behandeln. Das ist einfach unmöglich. Außer Breitenbacher, Kiesewetter und mir muss es noch einen vierten Arzt geben, der absolut fach- und sachkundig ist. Und Sie sind das. Sie sind eine voll ausgebildete Fachärztin. Wir haben schwierige Probleme und Sie wissen, dass wir die Besatzung des Quarantäneschiffes seit gestern auch hier im Hause haben. Die Isolierstation ist voll besetzt. Das fällt unter unsere Obhut. Ich kann es nicht ändern, aber ich brauche Sie und kann Sie keine Stunde entbehren. Und damit ist das Thema bewältigt. Ich glaube, Ihre Patienten warten, Frau Bender.“

      Sie