Glenn Stirling

Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand


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Wald und hat nach seinem kleinen Assistenzarzt gerufen.“

      „Was“, rief Marita, die das schon geahnt hatte, „etwa jetzt?“

      Harald schüttelte den Kopf.

      „Nein, nein, nicht jetzt, morgen Früh. Dr. Bender ist auf und davon in die Türkei. Erst hat sie bei ihm um Urlaub nachgesucht, ihn aber nicht bekommen und jetzt ist sie trotzdem weg, hat Kiesewetter nur mitgeteilt, was sie vorhat. Ihr Bekannter ist, wie Gött sagte, vermutlich an Hepatitis erkrankt und liegt in Ankara in einem Spital. Sie will ihn nach Deutschland bringen lassen und sich um alles kümmern.“

      „Das würde ich auch für dich tun“, erklärte Marita entschlossen.

      „Aber Gött begreift es nicht, er tobt herum. Ihm fehlen ohnehin schon Ärzte und jetzt ist sein Goldstück auf und davon.“

      „Rede nicht so über Frau Doktor Bender. Sie ist ein fabelhafter Mensch“, meinte Marita streng.

      „Weiß ich doch. Ich mag sie ja auch sehr“, erklärte Harald sofort. „Aber du weißt ja, wie er ist. Sie ist die einzige, die bei ihm Narrenfreiheit genießt. Was die ihm schon manchmal gesagt hat . . . Mein lieber Mann, das würde ich mir nie erlauben. Mich schmisse er auf der Stelle raus.“

      „Du bist auch nicht Frau Doktor Bender, Harald, das darfst du nicht vergessen. Die ist schon so lange da. Und ich finde es großartig, dass sie sich nichts gefallen lässt. Wie oft schon habe ich mir gewünscht, auch so zu sein. Und wenn man sie braucht, dann hilft sie. Sie hilft jedem. Sie ist sehr gerecht. Ich lasse nichts auf sie kommen. Ich verdanke ihr auch eine Menge.“

      „Das ist unbestritten. Aber das Problem bleibt nach wie vor, dass er keine Ärzte hat und ich jetzt deshalb in der Klinik antanzen muss und zwar morgen Früh. Dabei hatten wir uns so über die drei Tage gefreut.“

      „Dann kann ich auch wieder Dienst tun. Sollst du etwa im Notdienst ... “

      „Nein. Er möchte, dass ich zusammen mit Breitenbacher, der mit dem Gipsfuß herumhumpelt, die Stationen mache.“

      „Aber hör mal, dann bist du ja Stationsarzt!“

      „Doch nur kommissarisch. Wenn Doktor Bender wieder da ist, trete ich wieder ins zweite Glied zurück, wo ich hingehöre“, meinte er lakonisch.

      „Sei doch nicht immer so bitter. Du bist doch noch in der Facharztausbildung und sie ist längst damit fertig. Oder sagst du das nur, weil sie eine Frau ist? Bei Breitenbacher machst du nicht so bissige Bemerkungen.“

      „Ach weißt du, ich hab sie recht gern. Aber sie kann manchmal so von oben herunter sein und das kann ich nicht ausstehen, bei keinem. Weder bei einem Mann noch bei einer Frau.“

      „Sie meint es aber nicht so. Du solltest es mal erleben, wenn du ein echtes Problem hast. Die hilft dir, wie niemand sonst.“

      „In Ordnung. Wenn du mit deinem Denkmal fertig bist, überlegen wir mal, was uns beide angeht. Ich muss morgen Früh also in den Dienst. Das bedeutet, ich müsste heute Abend noch nach Hause, denn ich kann nicht in diesen Sachen deines Bruders herumlaufen.“

      „Dann gehen wir eben beide zu dir. Oder willst du das nicht?“

      „In Ordnung, und was tust du? Ich möchte nicht, dass du dich auch in der Klinik meldest. Genieß doch wenigstens die beiden Tage, die wir noch haben. Ich will sehen, dass ich so früh wie möglich nach Hause komme.“

      „Ich wollte eigentlich einiges erledigen. Dann werde ich vormittags in die Stadt gehen und am Nachmittag auf dich warten. Ich werde uns etwas kochen“, verriet sie begeistert. „Etwas ganz Feines.“

      „Du hast Hunger, nicht wahr?“ Er lachte. „Und mir knurrt auch der Bauch. Weißt du, was wir tun? Wir ziehen uns an, gehen irgendwo schön essen und machen noch etwas aus diesem Abend. Morgen ruft die Pflicht wieder.“

      „Frau Doktor Bender hat wirklich Pech“, meinte Marita nachdenklich. „Jetzt war sie froh, dass es eine Falschmeldung gewesen ist und er lebt und nun ist er krank. Ein furchtbares Durcheinander. Aber dass sie dorthin fliegt, finde ich richtig. Ich würde das nicht anders machen.“

      „Ich glaube“, meinte Harald nachdenklich, „das Wort Angst kennst du gar nicht. Sie kennt es nämlich auch nicht.“

      Marita lachte. „Hast du eine Ahnung! Du weißt überhaupt nichts von mir. Du hättest sehen sollen, wie ich vor Angst gezittert habe, als wir unter dieses Dach gekrochen sind. Du hättest mein Herz klopfen hören müssen, dann würdest du so etwas nicht sagen. Aber dann dachte ich, es muss ganz einfach sein. Und ich weiß, Frau Doktor Bender ist auch so. Wir haben sogar einmal darüber gesprochen. Da hat sie mir gesagt, dass sie schon bei manchem Einsatz am ganzen Leibe geflogen ist vor Angst und Furcht. Einmal, da hat man sie auf hoher See mit einem Hubschrauber zu einem Frachter gebracht und da sollte sie abgelassen werden. Aber es war so stürmisch, dass der Pilot in dem Augenblick, als sie abgesetzt werden sollte, vom Sturm weggetrieben wurde und sie im Wasser eingetaucht ist. Und schließlich, als es dann doch gelang, sie auf dem Schiff abzusetzen, hat sie sich fast die Beine gebrochen, als sie gegen eine Windhutze geknallt ist. Sie hat mir das einmal erzählt. Aber auf dem Schiff, da wartete man auf einen Arzt, der hilft, und nicht auf jemanden, der sich erst mal vom eigenen Schock erholen muss. Aber Ina Bender hat mir gesagt, damals dachte sie daran, dass das Männer auch machen. Und was ein Mann kann, denkt sie immer, das kann auch eine Frau.“

      „Na ja“, meinte Harald einschränkend, „es gibt da so ein paar Dinge, die sollte man einer Frau nicht zumuten. Und was den Einsatz von Ärztinnen auf hoher See anbetrifft, so halte ich das für eine Schinderei.“

      „Aber sie meldet sich dazu freiwillig, das möchte ich dir nur mal sagen. Und ich würde es, wäre ich an ihrer Stelle, ebenso tun.“

      „Es lebe die Emanzipation“, sagte er spöttisch. „Und was habt ihr davon?“

      „Selbstbestätigung“, erklärte sie nur. „Komm, jetzt werden wir nicht über so etwas sprechen, jetzt ziehen wir uns an und dann gehen wir essen. Dein Vorschlag war gut.“

      „Vorher fahren wir bei mir vorbei. Ich weiß, dass es noch ein schöner Abend wird und morgen kommt wieder der Ernst des Lebens.“

      Später fuhren sie mit einem Taxi zum Hafenkrankenhaus, wo er seinen Wagen stehen hatte. Damit gelangten sie zu seiner Wohnung, er zog sich um und Marita sah zum ersten Male sein Zuhause. Es war noch erheblich bescheidener als das ihre, sah aber überraschend ordentlich und aufgeräumt aus. Darüber wunderte sie sich, sie hatte ihm das nicht zugetraut. Auch im Schrank, als er seine Kleidung herausnahm, lag alles säuberlich aufgereiht.

      „Hast du jemanden, der dir dein Zeug macht?“, fragte sie.

      Er schaute sie verwundert an und schüttelte den Kopf. „Aber nein, ich gehe mit meinem Klamottenkram am Sonnabendvormittag in die Wäscherei. So ein Waschsalon, verstehst du? Und Sonntagvormittags habe ich meinen Haushaltstag

      Marita war in diesem Punkt sehr angenehm von ihm berührt. Aber nun wollte sie doch eine Frage stellen, die sie die ganze Zeit vermieden hätte.

      „Sag mal, Harald, nimm es mir nicht übel, aber man spricht ja von dir und deinem Umgang mit Frauen. Es sind sehr viele gewesen, nicht wahr?“

      Er sah sie traurig lächelnd an. „Es waren viele und keine. Im Grunde hat es vor dir nur eine einzige gegeben, die zählt. Sie ist vor fünf Jahren verunglückt, als sie mit ihrem Bruder auf dessen Motorrad fuhr und sie gegen einen Lastwagen geprallt sind. Beide waren auf der Stelle tot. Die Frauen danach, bis zu dir, sind nichts als Episoden gewesen, Erlebnisse einer Nacht oder nicht einmal das. Du brauchst überhaupt nicht an sie zu denken. Die meisten hatte ich schon eine Stunde danach vergessen, wenn du weißt, was ich meine.“

      „Und dieses Mädchen, das nicht mehr lebt?“, fragte sie zögernd.

      Er ging zu seinem Schrank, nahm ein Bild heraus und reichte es ihr. „Das ist sie. Damals war sie neunzehn. Ein Wirbelwind. Sie ist ganz anders als du gewesen. Eine übermütige,