E.D.M. Völkel

Nullmenschen


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welches die Leiche bedeckte, zurück und Frau Heinzer erschauderte bei dem Anblick des Leichnams vor sich.

      »Was haben Sie?«, unwillkürlich schluckte sie.

      »Sie ist zirka fünfundzwanzig Jahre alt, gut ernährt und gepflegt.« »Todesursache?«

      »Schwer zu sagen, es fehlt zu viel.« Langsam beugte sich die Beamtin näher. »Was ist mit ihr?«, sie deutete auf die Augen.

      »Sie wurden fachmännisch entfernt, ebenso die Organe und alles weitere Verwertbare wie Knochen, Venen, Gewebe und große Teile der Haut.« Unbeeindruckt dieser Tatsache fuhr er fort. »Sie hat erst vor kurzem ein Kind geboren. Der Uterus fehlt zwar, aber alles andere, wie die gedehnte Bauchdecke und die Werte bestätigt dies eindeutig.«

      Die Beamtin hatte schon vieles gesehen, dies war etwas völlig Neues, noch niemals da gewesenes. Unwillkürlich schüttelte sie sich.

      »Wer das«, er deutete auf die Leiche, »alles entfernte, muss Übung, eine entsprechende Ausbildung und Ausstattung besitzen. Das schafft keiner in einer Lagerhalle oder Keller.«

      »Wie lange ist sie schon tot?«

      »Hm, zirka vierundzwanzig bis sechsundzwanzig Stunden und der Fundort ist definitiv nicht der Tatort«, abschließend klappte er den Aktendeckel zu. »Der Bericht ist per Mail an Sie raus. Ein, zwei Laborergebnisse fehlen noch, die schicke ich, sobald sie vorliegen.«

      Die Kommissarin bedankte sich und verließ eilig den kalten und sterilen Raum.

       ›Welche Ursache könnte ihren Tod ausgelöst haben? War sie während der Entbindung gestorben und hatte einen Organspende Ausweis? Dann müsste sie im Zentralregister gemeldet worden sein. Wo war das Baby? Sabine, sie hatte vielleicht die Möglichkeit einiges zu klären, oder wir irgendwie an weitere Informationen kommen.‹

      * * * * * * *

      Fritz` ehemalige Entscheidung mit einem MC vor Ort den Deal abzuschließen, um erstklassige Ware direkt einzukaufen und nicht über Zwischenhändler, hatte seine Wahl auf den Eiderha MC in Istanbul fallen lassen. Seit diesem Zeitpunkt standen beide MC`s in Verbindung. Sie achten und respektieren sich, was die unerlässliche Grundlage für alle weiteren Geschäfte darstellte.

      Jahrelang lief alles wie geschmiert. Doch letzten Sommer verschwieg Andreas, ein neuer Anwärter für den Eintritt in den

      Lakota MC, ein seiner Familie bekanntes Versteck aus dem Zweiten Weltkrieg. Leider hatte er kein besonders großes Interesse, sein Wissen mit dem MC zu teilen und versuchte, es im Alleingang zu räumen. Sein Pech, dass er die Brüder unterschätzte und erwischt wurde. Das brachte ihm erhebliche Schwierigkeiten ein, die er letztendlich nicht überlebte. Die gefundenen Substanzen erwiesen sich als bemerkenswerter Verkaufsschlager und riefen die benachbarten Motorrad-Rocker des Dirty Ghost und Scrollo MC´s auf den Plan. Sie waren der Meinung, ihnen stände ein Stück des Kuchens zu und mischten sich in ihre Geschäfte ein. Als sie später noch Goldbarren aus alten Nazibeständen fanden, mussten sie die Reißleine ziehen, bevor es zur Eskalation in der Szene kam. Nur die am Fund beteiligten Brüder, Kralle, Hugo, Reno, Berti und er selbst, wussten davon. Die fünf schworen den Eid als Lakota, dieses Wissen mit ihrem Leben zu verteidigen und es keinesfalls preiszugeben. Glücklicher weise hatten sie noch die Gelegenheit den Fund rechtzeitig fortzuschaffen. Im abzweigenden Schacht des Brunnens hinter der Villa wurde er versteckt, bevor sich die Situation verselbstständigte und zur Katastrophe führte.

      Kralle holte Fritz aus seinen Erinnerungen.

      »Die Frankfurter waren bestens über unsern momentanen Status informiert«, sagte er bedeutungsvoll, verzog das Gesicht und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn.

      »Kleiner Pisser, schickt höchsdens seine Leud denn selbst traud er sich ned an uns ran«, Fritz warf einen raschen Blick auf die Brüder. »Sin sie schon bereid?«, besorgt kniff er die Lippen zu kaum sichtbaren Linien zusammen. »Sie solle ned meinedwege in den…«

      »Heh Mann, Bro, ich führe sie. Halt Dich da raus. Du darfst auf keinen Fall mit unserer heutigen Aktion in Verbindung gebracht werden«, Kralle umarmte seinen Präsi. »Ich als Vize bin entscheidungsberechtigt. Egal, was Dir gleich passiert, komm nicht nach!«, fügte er eindringlich flüsternd hinzu. »Vertrau mir«, und stieg zu Hugo in den Van. Irritiert sah dieser von einem zum anderen und verzog fragend sein Gesicht. Kralle schüttelte verneinend den Kopf,

      »Fahr los, wir wollen die Brüder nicht verlieren.«

      »Und…«, deutete er rückwärts auf Fritz, der sich plötzlich zusammenkrümmte und die Arme um seinen Körper schlang. »Was…«

      »Fahr schon, Tina ist gleich da«, befahl er einsilbig und deutete auf das kleine silberne Auto, welches rasch den Waldweg auf sie zukam.

      »Du…«, zog er in die Länge, dann begriff Hugo den Zusammenhang, »…willst ihn ned dabei ham«, flüsterte er, damit die hinter ihm Sitzenden es nicht hörten.

      »Was is mit Fritz?«, vernahmen sie Berti sofort besorgt fragen. »Er hat die Frikadelle ned vertrage«, entgegnete Kralle spontan. »Wir ham alle davon gegesse un ham nix«, konterte Mike sofort. »Oder habt ihr was?«

      »Fahr, die anderen warten bestimmt am Parkplatz und wundern sich, wieso wir ned auftauchen«, befahl Kralle hart und beendete die Diskussion.

      Tina fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu, Hugo lenkte den Van automatisch zur Seite und ließ sie durch. Kralle nickte nur und grüßte Tina durch das Beifahrerfenster.

      »Wo will die hie?«, überrascht sah Hugo ihr hinterher.

      »Ins Krankenhaus«, erklärte Kralle kurz.

      »Aber…Fritz?«, Berti sah entgeistert die Brüder an.

      »Is morgen wieder fit«, beruhigte Kralle ihn. »Los jetzt. Wollen wir uns den Bombenbauer schnappe oder ned?!« Dieser Satz wirkte Wunder, sofort schlug die Besorgnis in Tatkraft der Rache um. Atze und Spider dachten laut über die Art der weiteren Behandlung ihres Gastes nach und steigerten ihre Ideen bis zum langsamen Haut in Streifen abziehen.

      Blitzschnell hatten sie ihren geschmiedeten Plan in die Tat umgesetzt und den kräftemäßig überlegenen Gegner in dem drittklassigen Puff überrumpelt. Reibungslos und präzise wie ein Uhrwerk hatte jeder Lakota seinen Part geleistet und so den entscheidenden Vorteil zum Ergreifen der gesuchten Ratte bewirkt.

      Berti hatte nicht eine Sekunde beim Anblick des prallen Dekolletees gezögert und die männliche Bardame niedergeschlagen, bevor diese den Alarm auslösen konnte. Atze und Spider brachten den riesigen Sascha auf der steilen Treppe zu Fall, stachen ihm die Spritze bis zum Anschlag in den Hals und injizierten ihm die klare Substanz. Schlaff sank er auf den Stufen in sich zusammen. Aufgeschreckt durch diesen Tumult erschien Sergej ein zwei Meter Hüne im engen Flur, der zu den Privaträumen führte. Hugos gezielter Schlag á la Klitschko und der zerborstene Baseballschläger auf seinem Schädel knockten ihn endgültig aus.

      Alarmiert vom Gepolter und Sergej`s wütenden Aufschrei verdrückte sich die gesuchte Ratte in den Entwässerungsgraben, wo sie auch hingehörte. Die aufgestellten Wachposten ergriffen ihn in null Komma nichts und schleiften ihn zum Haus zurück.

      Der üble, widerliche Geruch nach Gülle verbreitete sich unaufhaltsam im Gastraum und stieg den Anwesenden ekelerregend in ihre Nasen. Angewidert verzog Hugo das Gesicht.

      »So transportiert die Sau keiner von uns«, beschwerte er sich und spukte dem Ghost vor die Füße.

      »Der kleine Bach, wo wir ihn geschnappt ham, hat gerad genug Wasser. Entweder wir ersäufe ihn, oder er muss sich wasche«, schlug Mike böse grinsend vor.

      »Genau so machen wir es«, bestätigte Kralle. »Ein kaltes Bad wird seine Erinnerungen beleben.«

      Gemeinsam stiefelten sie in Reih und Glied den verschneiten Pfad entlang und versammelten sich an dem teilweise zugefrorenen Rinnsal. Ihr Atem stieg als kleine weiße Wolken dem Himmel entgegen.

      »Ausziehn«, befahl Berti unbarmherzig. Irritiert sah der Mann ihn ungläubig an. Anscheinend hatte