Für Emmi und Paula
Beate Dölling
Ab in die Rakete
INHALT
KAPITEL 1,
in dem Luis ins Altenheim geht und für
einen Nichtschwimmer gehalten wird
»Haus Erlengrund« steht auf einem Messingschild an einer großen, hölzernen Eingangstür, die nur über einen Knopf an der Wand zu öffnen ist. Luis steht neben Julia, Mamas Busenfreundin, und drückt auf den Knopf. Die riesige Holztür surrt auf. Gleich hinter dem Eingang hängt ein Desinfektionsspender an der Wand. Damit soll er sich die Hände gründlich einreiben. Na gut. Das müssen Astronauten auch, damit sie keine Keime mit ins All nehmen.
Er geht mit Julia durch den Flur. Es riecht nach diesem Desinfektionsmittel und Brokkoli. An den Türen links und rechts hängen verschiedene Blumen- und Tierbilder mit Namensschildern.
»Runter von der Leine!«, ruft ein alter Mann, der ihnen entgegenkommt und genau auf sie zusteuert. Er hat eine Trillerpfeife im Mund und pfeift so laut, dass Luis zusammenfährt. Der Mann wedelt wild mit einem Arm in seine Richtung. Was hat der denn?
»Hallo, Herr Dollmann«, spricht Julia ihn an. »Das Schwimmbad ist doch schon geschlossen.«
Sie streckt die Hand aus. Der Mann zögert erst ein bisschen, rückt dann die Trillerpfeife raus. Er trägt eine grüne, an den Knien ausgebeulte Trainingshose und blaue Badelatschen. Das weiße Poloshirt hat in der Mitte einen dicken blau-roten Fleck. Kirsch- oder Brombeermarmelade – erkennt Luis sofort.
»Was macht denn der Nichtschwimmer hier?« Der Mann deutet mit dem Kinn auf ihn.
Julia lächelt nur und sagt: »Aber Herr Dollmann, Luis ist doch kein Nichtschwimmer.«
»So? Was hast du denn, einen Freischwimmer oder einen Fahrtenschwimmer?«, wendet sich der Mann an ihn.
Luis versteht gar nichts mehr. »Einen was?«, fragt er.
»Früher hießen die Schwimmabzeichen so«, sagt Julia. »Du hast doch eins, oder?«
»Ein Schwimmabzeichen? Ja, klar. Sogar Silber.«
»Und was musstest du dafür machen?«
Luis überlegt kurz. »400 Meter schwimmen, zehn Meter streckentauchen. Ohne Schwimmbrille! Im tiefen Becken Ringe hochholen, auch ohne Schwimmbrille! Und vom Dreimeterbrett springen.«
»Sehen Sie, Herr Dollmann, er hat sogar schon den Fahrtenschwimmer«, sagt Julia.
Der Mann nickt anerkennend und geht weiter.
»Warum wollte er denn wissen, ob ich ein Schwimmabzeichen habe?«, fragt Luis.
»Herr Dollmann war früher Bademeister. Er denkt halt manchmal, das sei hier sein Schwimmbad. Es gibt einige Senioren bei uns, die ein bisschen durcheinander sind. Aber pfeifen darf er nicht im Haus. Nur zu bestimmten Zeiten, hinten, im Garten.« Julia deutet auf die Trillerpfeife in ihrer Hand. »Hat er sich bestimmt wieder aus dem Schwesternzimmer stibitzt.«
Sie geht mit Luis in einen Raum, der ein bisschen aussieht wie ein Arztzimmer und ein bisschen wie eine Kommandozentrale in einem Raumschiff. Bis zur Decke weiße Schränke, auf den Ablagen liegen Tabellen, Tupfer, Pflaster und Pillenschachteln und vor der Fensterfront steht ein Schreibtisch mit zwei Monitoren und einem Mikrofon. Außerdem ein Kasten mit Knöpfen, die Nummern haben und von denen gerade zwei surren und orange blinken, die Sieben und die 34.
Eine große Frau in blauem Kittelkleid, lila Crocs und Pferdeschwanz kommt um die Ecke geflitzt, grüßt nur kurz und drückt auf die blinkenden Knöpfe mit der Sieben und der 34. Das orangefarbene Licht erlischt.
»Hey«, sagt sie zu Luis. »Ich bin Mariola. Willkommen an Bord.« Sie geht wieder raus und Luis sieht, wie sie sich auf dem Weg Gummihandschuhe anzieht.
»Was hat die denn vor?«
»Mariola geht in die Zimmer, in denen geklingelt wurde, erst in die Sieben und dann eine Etage höher, ins Zimmer 34.«
»Und was macht sie da?«
»Wahrscheinlich den Bewohnern auf die Toilette helfen.«
»Wieso können die nicht allein aufs Klo? Die sind doch alt genug.«
»Na ja«, sagt Julia. »Je älter man wird, desto mehr wird man zum Kind. Am Ende des Lebens werden wir alle wieder zu zahnlosen Babys.«
»Krass!«, sagt Luis, aber kann das nicht glauben. Er ist überzeugt davon, dass er mal als alter, weiser Mann sterben wird, doch nicht als Baby! Wann soll denn