Jan Eik

DDR-Deutsch


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      Titel

      Jan Eik

      DDR-Deutsch

      Eine entschwundene Sprache

      Jaron Verlag

      Copyright

      Originalausgabe

      1. Auflage 2010

      © 2010 Jaron Verlag GmbH, Berlin

      Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

       www.jaron-verlag.de

      Umschlaggestaltung: LVD GmbH, Berlin

      Satz: LVD GmbH, Berlin

      ISBN 9783955521882

      Inhalt

       Cover

       Titel

       Copyright

       DDR-Deutsch Ein abgeschlossenes Sammelgebiet

       Das Territorium der DDR und der verwirrte Klassenfeind Abgrenzung und Kommunikation

       Das Petschaft und der Abakus Quellen des DDR-Deutsch

       Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft und Zahlbox Wortwahl und Phraseologie im Alltag

       Vom Amboss bis zu Ochs und Esel Sprachblasen und Parolen

       Es muss demokratisch aussehen oder Die Rolle der Bedeutung Die Sprache der Partei und der Medien

       Disproportionen in Größenordnungen Wirtschaft, Handel und Versorgung

       Das Recht auf Arbeit und der Frauenruheraum Produktionsbetriebe in der DDR

       Krippentauglich bis zur MMM Kinder, Jugend, Bildung und Sport

       Die -schaffenden und der Bücherminister Intelligenz und Kultur

       Klärung eines Sachverhalts Rechtspflege, Sicherheitsorgane und Militär

       Industrienebel über Bergbaufolgelandschaften Euphemismen, Nonsens und was es sonst noch gab

       Literaturauswahl

      DDR-Deutsch Ein abgeschlossenes Sammelgebiet

      Philatelisten schätzen abgeschlossene Sammelgebiete. Die dahingegangene DDR ist ein solches. Auch für Linguisten?

      Die Sprache des kleinen Landes hatte im Verlauf von vier Jahrzehnten eine gewisse Eigendynamik entwickelt und unterschied sich in vielerlei Hinsicht vom Deutsch der restlichen Welt. Der Wortschatz konservierte Altväterliches aus Partei-, Amts- und Diplomatensprache, dazu kamen Anleihen aus der offiziell verpönten Sprache des Nationalsozialismus und beim Sowjet-Neusprech und schließlich die Einbeziehung oder umständliche Übersetzung von Begriffen der modernen Technik und Lebenswelt. Herkömmliche Wörter veränderten ihre Bedeutung oder erstarrten zu bloßen Worthülsen. Neben der zum Feierlich-Pathetischen wie zum semantischen Leerlauf neigenden Sprache der Diktatur mit ihren auffälligen Substantivierungen und Genitivhäufungen sorgte eine vermeintliche, weil zumeist falsch verstandene

      »Verwissenschaftlichung« dafür, dass die einfachsten Begriffe zu buchstabenreichen Unwörtern aufgebläht wurden. Eigenschöpfungen ersetzten gebräuchliche oder ideologisch anrüchige Wortbedeutungen, die grassierende Abkürzungswut drang weit in den Alltag vor. Aus Arbeitern und Angestellten wurden erst Berufstätige, dann Werktätige und schließlich die Rechengröße Vollbeschäftigteneinheit (VbE).

      Dabei war die eigenwillige Sprache jenes zänkischen Bergvolks am Rande des Großchinesischen Reiches, wie ein in der DDR weitverbreiteter Witz die Landesbewohner charakterisierte, keineswegs ein einheitliches Verständigungsmittel. Dazu unterschied sich der salbungsvoll-schwülstige Duktus des offiziellen Partei- und Staatsjargons mit seiner gestelzten Wortwahl und den gewollt volkstümlichen Ausuferungen allzu beträchtlich von der ironisch-gewitzten, vom Volksmund wie von Satirikern und Kabarettisten ständig ergänzten tatsächlichen Umgangssprache – vom zunehmend westlich beeinflussten Idiom der Jugend ganz abgesehen.

      Dieses kleine Buch, das weder einen sprachwissenschaftlichen noch den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, soll einen Eindruck vom – zu Recht? – fast vergessenen Sprachkonglomerat DDR-Deutsch mit seinen differierenden und divergierenden Aspekten vermitteln, ohne dem nostalgischen wie dem verwunderten Leser einen Schrecken einzujagen. Dass dem Verfasser manche subjektive Bewertung unterläuft, mag man ihm ankreiden – erfunden hat er die Begriffe und Formulierungen nicht.

      Vielleicht, und das ist die größte Hoffnung des Autors, regt der Text dazu an, über gegenwärtige Sprachsünden nachzudenken. Die Wörter und Unwörter, die jedes Jahr gewählt werden, laden dazu ein.

      Gab es tatsächlich eine eigene Sprache in dem kleinen Land zwischen Rügen und Fichtelberg, in dem die Rhetorik zu den Geheimwissenschaften zählte und Sächsisch trotz verbindlichem Ausspracheduden als Hochsprache der Funktionäre akzeptiert wurde? Ist sie nicht vergleichbar mit den bayrischen, schwäbischen und rheinischen Mundarten im Westen? Dabei soll vom Dialekt hier nicht die Rede sein. Laut Sprachwissenschaft wurden und werden auf dem ehemaligen Territorium der DDR (eine typische DDR-Wendung) 9 niederdeutsche, 28 mitteldeutsche und 5 nordoberdeutsche Mundarten gesprochen, von Nordwestaltmärkisch über Ilmthüringisch bis Itzgründisch und Südvogtländisch. Berlinisch, im Osten der Hauptstadt auch aus einer gewissen Trotzhaltung gegenüber dem Südelbischen konserviert und gebraucht, zählt übrigens nicht zu diesen linguistisch anerkannten Dialekten.

      Bleibt der Wortschatz. Gab es in der DDErr (nicht DDÄhr, wie es häufig heißt) außer der in den Bereich der Satire gehörenden Jahresendflügelfigur und dem (über Bulgarien eingeschleppten) Anglizismus Goldbroiler noch andere spezifische Vokabeln? Urst und jetze vielleicht? Geborene Besserwessis versuchen, dem DDR-Deutsch altvertraut Regionales zuzuordnen wie die ehrwürdige Berliner Bulette, den Hackepeter oder gar die bayerisch-österreichische Kraxe. Dabei sind nicht einmal das Nikki und die Niet(en)hose originäre DDR-Wortschöpfungen, und über die untergeschobene Cellophantüte wollen wir