Andreas Grassi

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Ganzheitliche Beschreibung der Handlungskompetenz

      Unter Handlungskompetenzen versteht man nach Weinert (2001, S. 27f.) die «beim Individuum verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen [= willensbestimmten] und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können». Kompetenz ist nach diesem Verständnis eine Disposition, die Personen befähigt, bestimmte Arten von Problemen erfolgreich zu lösen, also konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen.

      In den letzten Jahren hat sich in der Bildungsforschung immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass für Handlungskompetenz Wissen allein nicht ausreicht und wohl auch nicht entscheidend ist. Für die erfolgreiche Bewältigung einer Arbeitssituation sind neben Fachwissen, Methoden und Techniken auch motivationale Aspekte, Reflexions- und Problemlösefähigkeiten oder Haltungen und Einstellungen von wesentlicher Bedeutung. Handlungskompetente Personen zeichnen sich dadurch aus, dass sie komplexe und anspruchsvolle Aufgaben bewältigen und sich sicher und souverän in ihrem «Berufsstand» bewegen.

      Aus diesem Grund ist es wichtig, alle relevanten Kompetenzfacetten, die in einer Arbeitssituation und den kritischen Erfolgsfaktoren enthalten sind, abzubilden. Dies wird mithilfe der Kompetenzdimensionen möglich. Die Summe dieser Kompetenzdimensionen stellt dann die Handlungskompetenz dar.

      Gezeigt hat sich auch, dass die gängige Unterteilung der Kompetenzen in Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz manchmal zu kurz greift. In der Praxis hat es sich bewährt, in Anlehnung an Achtenhagen (2004) vier verschiedene Kompetenzdimensionen zu unterscheiden. Mit diesen vier Dimensionen wird die Handlungskompetenz umfassend abgebildet:

      •Umsetzungspotenzial: Beschreibung des konkreten Verhaltens in einer verallgemeinerten Situation. Diese Dimension bezieht sich auf die eigentliche Handlung.

      •Wissen, Verständnis: Beschreibung des für die entsprechende Handlung notwendigen Fachwissens.

      •Haltung, Motivation, Einstellung: Beschreibung der motivationalen und normativen Aspekte, die für die erforderliche Handlungsbereitschaft notwendig sind.

      •Metakognition, Reflexionsfähigkeit: Beschreibung der erforderlichen metakognitiven Leistung, die für eine professionelle Gestaltung des beschriebenen Verhaltens notwendig ist.

      Die Vorgabe, dass sich eine Ausbildung an Handlungskompetenzen ausrichten soll, stellt alle Akteure vor neue Herausforderungen. Einerseits bedarf die Definition und Beschreibung von Handlungskompetenzen einer speziellen Methodik. Andererseits stehen die Berufsfachschule, die üK-Verantwortlichen, die Prüfungsexpertinnen und -experten bei der Vermittlung und Überprüfung von Handlungskompetenzen vor einer geänderten Aufgabenstellung.

      Das Revisionsvorhaben im Berufsfeld Verkehrswegbau folgte der Ablaufstruktur, wie sie vom SBFI standardisiert vorgegeben und im «Handbuch Verordnungen – Schritt für Schritt zu einer Verordnung über die berufliche Grundbildung» (BBT 2007) beschrieben ist. Ein solches Reformprojekt gliedert sich grundsätzlich in zwei Phasen:

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      Abbildung 2-2: Phasen einer Berufsreform nach Vorgaben des Bundes

      Phase 1: Analysen und Konzeptionen

      In Phase 1 gilt es, alle relevanten Analysen vorzunehmen und Vorbereitungsarbeiten zu leisten, die als Basis für das Reformvorhaben dienen. Die Analysen und Planungsergebnisse werden in einem Reformkonzept abgebildet und beim SBFI mit dem Antrag zum «Vorticket» eingereicht. Sobald dieses Vorticket erteilt ist, kann mit Phase 2 begonnen werden.

      Phase 2: Verordnung und Bildungsplan

      In Phase 2 werden die Bildungsverordnung und der Bildungsplan gemeinsam mit der Reformkommission entwickelt. Den Abschluss der Arbeiten bildet die Ausarbeitung eines Informations- und Ausbildungskonzepts für die Berufsbildungsverantwortlichen.

      Folgende Zielsetzungen wurden im Reformprozess «Verkehrswegbau» verfolgt:

      •Bildungsverordnung und Bildungsplan für das EFZ mit den Bereichen «Gleisbau, Grundbau, Industrie- und Unterlagsbodenbau, Pflästerung und Strassenbau» liegen vor.

      •Bildungsverordnung und Bildungsplan für das EBA mit den Bereichen «Gleisbau, Grundbau, Industrie- und Unterlagsbodenbau, Steinsetzung und Strassenbau» liegen vor.

      Die EBA-Stufe wurde gemeinsam mit der EFZ-Stufe entwickelt, um eine möglichst gute Abstimmung zwischen den Ausbildungen zu gewährleisten. Im Verkehrswegbau wird zum Beispiel zwischen Strassenbauer/-innen EFZ und Strassenbaupraktiker/-innen EBA unterschieden. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Stufen liegt im Grad der Selbstständigkeit bei der Arbeit und im Umfang des Verantwortungsbereichs und weniger in der konkreten Tätigkeit an sich.

      Um die inhaltlichen Anforderungen im Berufsfeld abzubilden und die Bildungsinhalte zu beschreiben, wurde, wie vom SBFI vorschlagen, ein Vorgehen in zwei Phasen mit je fünf Schritten gewählt:

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      Abbildung 2-3: Übersicht über die methodischen Ablaufschritte

      Phase 1: Berufsfeldanalyse

      Die folgenden Schritte wurden in Phase 1 bearbeitet:

       Schritt 1: Strukturierung des Berufsbilds/Berufsfelds

      Zur systematischen Bearbeitung des Berufsfelds Verkehrswegbau brauchte es ein Raster, um eine möglichst ganzheitliche Auslegeordnung vornehmen und die Abgrenzung zu anderen Abschlüssen definieren zu können. In einem ersten Schritt wurde daher eine Systematik zur Beschreibung des Berufsbilds entwickelt.

       Schritt 2: Erhebung der Praxisanforderungen

      Das Raster zur Beschreibung des Berufsfelds Verkehrswegbau wurde mit Inhalten gefüllt. Dabei erhielten erfahrene Praktikerinnen und Praktiker das Wort. In Workshops wurden zunächst die zentralen Arbeitssituationen und kritischen Erfolgsfaktoren erfasst. Die Ergebnisse wurden ausformuliert und in eine systematische Ordnung gebracht.

1.2: Baustelle vorbereitenDer Verkehrswegbauer bereitet eine kleinere Baustelle selbstständig vor. Er erhält vom Vorgesetzten die notwendigen Informationen wie Planunterlagen, Objektbeschriebe, Bauprogramme, Arbeitsanweisungen und Wegbeschriebe. Aufgrund der Unterlagen legt er seinen Arbeitsablauf fest und löst beim Magaziner bzw. Lieferanten die notwendige Material- und Maschinenbestellung mit den entsprechenden Hilfsmitteln aus. Vor Ort richtet er nach Vorgaben des Vorgesetzten die Baustelle ein und nimmt gemäss den vorliegenden Plänen mit geeigneten Hilfsmitteln die Absteckung in der Horizontalen sowie von Höhenpunkten vor, wobei er Vermessungspunkte zweckmässig versichert. Er kontrolliert seine Arbeiten und nimmt notwendige Korrekturen vor.–Text- und Planverständnis–zielorientiertes Arbeiten (Vollständigkeit, Kontrolle, Einsatz von Checklisten)–Reihenfolge der Arbeiten aus Unterlagen ableiten können–Vorstellungsvermögen aufgrund von Plänen und Dokumenten–Mut, Rückfragen zu stellen

      Abbildung 2-4: Exemplarische Arbeitssituation im Berufsfeld Verkehrswegbau und kritische Erfolgsfaktoren

       Schritt 3: Validierung der Ergebnisse

      In einem nächsten Schritt