mit meinen Kindern hier.
Ob wir wohl alle mit ihm tanzen gehen wollen würden, also tanzen würden nur Mutter und er, aber wir könnten ja Steine ins Wasser werfen oder eine Cola trinken oder was Kinder eben so tun, wenn die Erwachsenen zusammen tanzen.
Er bewegt die Zehen beim Reden. Seine Zehennägel haben die Farbe von Ohrenschmalz.
Nein, danke, sagt Mutter, ich bin mit meinen Kindern hier, um mit ihnen hier zu sein.
Und wenn jetzt aber, sagt der Mann, sie nur für einen Tanz, er fände sie nämlich reizend und würde so gerne mit ihr einen Tanz haben.
Nein, sagt Mutter, ich bin mit meinen Kindern hier.
Also keinen einzigen Tanz?
Es zuckt ihm das Flammenlicht im Gesicht, und er trägt die gleiche kurze Hose, aber zu der Hose ein Safarihemd mit dunklen Flecken unter den Achseln. Er riecht nach frisch rasiert und auch ein bisschen nach altem Wasser.
Nein, verdammt, sagt Mutter.
Einen nur, sagt er.
Bruno singt. Ich schaue dem Koloss auf die Haare an den Beinen. Mutter starrt ins Feuer und trinkt schnell. Der Wein leuchtet rot im Feuerschein.
Also, sagt sie.
Mutter steht auf.
Ist das gut für euch?, fragt sie.
Ich nicke.
Bruno?
Bruno singt.
Dann geht sie schön und rot davon neben dem Koloss, der von oben auf ihre Stirn einredet.
Er freue sich also so sehr, sagt er.
Wenn er sich doch so freut, sage ich.
Bruno singt lauter.
Bruno, wenn er sich doch so freut, dann ist doch nichts dabei, Mutter ist doch eine Gute, deshalb nur.
Bruno singt lauter. Und ich schweige am Feuer. Ich möchte Mutter fragen, wie es war.
Wir können die Tänze hören, aber sie kommt nicht zurück nach einem Tanz, nicht nach zwei, nicht nach drei, nicht nach vier. Ich stochere in der Glut, höre die Geräusche im Wald, stelle mir Wildponys vor. Bruno singt nicht mehr. Ich denke ein bisschen an Peter, aber nur kurz, und weiß nicht, was ich damit soll. Ich denke noch ein bisschen an ihn. Ich denke, was er wohl gerade tut, ob er mich schön findet, also mein Gesicht, ob er es wohl so schön findet, dass er auch mal mit mir reden würde, weil er gerne in mein Gesicht schaut.
Das ist wichtig, hat Mutter gesagt, es ist wichtig, ein schönes Gesicht zu haben, wenn man nicht hart ist, und du Anais, bist der weichste Mensch, den ich kenne, aber eben auch der mit dem schönsten Gesicht. Es ist wichtig, weil, wenn man weich ist, dann trampeln die Menschen gerne auf einem herum, wenn man aber ein schönes Gesicht hat, nicht.
Ich denke daran, wie er mir damals sein Pausenbrot gegeben hat, wie er auf mich zugelaufen kam, seine Freunde weit hinten standen. Er kam zu mir gelaufen, hielt mir sein Brot hin. Magst du?, hat er gefragt. Ich habe nichts gesagt, habe es in meine Hände genommen, ihn weiter angeschaut. Ich nahm einen Bissen vom Brot, sagte nichts. Peter lächelte, nahm das Brot wieder und ging weg.
Ich denke, dass ich Peter einmal nach seinen Hobbys fragen sollte.
Was Peter wohl für Hobbys hat?, frage ich ins Feuer hinein.
Fechten vielleicht, sagt Bruno, gehen wir sie suchen.
Fechten. Wie schön.
Dann gehen wir sie suchen, weil sie auch nach sieben Tänzen nicht kommt.
Wir gehen vom Wohnwagen weg zwischen ein paar Bäumchen hindurch. Wir hören die Musik von Weitem, sehen die Scheune, darin das Licht und kleine Menschenschatten. Bruno wirft Blätter in den schwarzen See, auf dem See sind Glitzerpunkte. Eine Ente erschrickt und quakt, die Glitzerpunkte werden Glitzerwellen. Wir gehen zur Scheune hin. Mit der Musik vermischen sich schwere Stimmen. Sie singen und schreien auch. Wir bleiben beim Scheunentor stehen.
Und dann sehen wir Mutter. Hinten auf der Tanzfläche leuchtet sie in ihrem roten Leinenkleid mit goldenen Knöpfen. Männer sehen wir im Kreis um Mutter herumstehen. Einer zieht sie zu sich hin, dann wirbelt sie davon und zum nächsten Mann. An langen Bänken sitzen Menschen, manche klatschen. Und ein sehr alter Mann spielt Akkordeon auf einer kleinen Bühne aus Holzkisten. Er trägt ein rosa Hemd, hat einen langen Bart und große Ohren. Mutters Kleid ist eine rote Glocke, sie dreht sich im Kreis, ihr Haar ist hell wie das Feuer. Sie lacht und lässt sich in Arme fallen und weiterwerfen. Dann löst sie sich und tanzt in der Mitte der Männer einen wilden Tanz. Sie hebt die Beine, hebt ihr Kleid, stampft und dreht sich. Sie legt die Hände in ihr Haar und hält den Mund, an die Decke blickend, offen.
Ich höre auf dem See die Enten quaken und denke, jemand hat sie aufgeschreckt. Ich denke, dass Bruno nicht da ist, aber er steht neben mir. Ich denke, es gibt keine Kinder, die Steine in den See werfen. Ich denke, dass der Mann nicht mit Mutter tanzt, sondern alle Männer mit Mutter tanzen, und ich denke, das sind viele, die mit Mutter tanzen.
Ich sehe den Koloss vom Wohnwagen im Kreis stehen und sehe sein Lachen. Er lacht, und alles an ihm bewegt sich.
Bruno läuft vorbei an den Männern und Frauen, an den aufgereihten Festbänken und geht in den Kreis hinein. Ich gehe ihm nach. Er geht zu Mutter in den Kreis und fasst sie am Arm. Ich stehe hinter Bruno im Kreis, und die Männer bewegen sich nicht mehr. Sie wenden ihre Blicke und Bärte und Ohren und Ohrringe ab.
Mitkommen, sagt Bruno, bitte.
Warum seid ihr nicht im Bett?, fragt Mutter, sie redet, als hätte sie Steine im Mund.
Warum seid ihr hier, das hier ist nichts für euch, sagt sie mit den Steinen im Mund.
Mitkommen, sagt Bruno.
Wir haben auf dich gewartet, du sagtest, einen Tanz, sage ich.
Es ist ja ein Tanz, sagt sie, es ist hier ein großer Tanz, und er tut mir gut, dieser Tanz, ich brauche jetzt unbedingt genau diesen einen Tanz und noch was zu trinken und noch einen Tanz. Ich will noch einen Tanz, den brauche ich auch wegen euch, unter anderem auch wegen euch. Ich finde, ich habe ihn mir verdient, so einen Tanz, einen Tanz, sagt sie. Geht heim, meine Tierchen, geht heim.
Wir wollen, dass du mitkommst.
Bruno schaut Mutter von unten an.
Ich kann jetzt nicht, es ist schon gut hier. Lasst mir doch diesen einen Abend, sagt sie leiser.
Und dann schiebt sie uns weg.
Bitte, sagt Bruno.
Bitte, sage ich.
Jetzt nervt mich nicht, wirklich, ich will das jetzt, das ist lustig hier, mit euch am Feuer ist es langweilig.
Draußen drehe ich mich um und sehe den Schein der Kerzen in roten Plastikschälchen auf den Tischen, sehe die Strohballen in der Ecke der Scheune, sehe die Menschen weiterklatschen, sehe ihre Beine wippen unter den Tischen und wie die Männer sich langsam auf die Tanzfläche zurückbewegen. Mutter in der Mitte hebt ein kleines Glas zum Mund.
Im Wasser spiegeln sich nur noch wenige Lichter, die Ente ist still. Wir gehen durch die Bäume zurück, die Glut ist aus. Wir putzen die Zähne und pinkeln in den Wald, ich trete auf eine Nacktschnecke, und Bruno streift eine Brennnessel. Unter dem Schlafsack halten wir uns fest, weil es kalt ist.
Am nächsten Morgen sitzen Bruno und ich vor dem Wohnwagen unter dem kleinen Vordach, wir essen das restliche Weißbrot, Tropfen fallen auf unsere Hände und das Brot. Tropfen prallen am Gefieder einer Amsel ab, während der Rest der Welt langsam aufweicht. Mutter kommt durch die Bäume gelaufen, auch sie aufgeweicht. Auf uns liegt ein Blätterschattenspiel, hinten in den Bäumen ruft ein Kuckuck kuckuck.
Tierchen, meine Tierchen, sagt sie.
Sie nimmt die Haare nicht aus dem Gesicht, steht vor uns. Hinter ihrem Vorhang ein Lächeln.
Ich denke, könnten wir neben dieser aufgeweichten