Ortwin Ramadan

Diebe gibt es überall


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       Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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       Neue Rechtschreibung

      © 2020 by Obelisk Verlag, Innsbruck - Wien

      Lektorat: Regina Zwerger

      Alle Rechte vorbehalten

      Druck und Bindung: Finidr, s.r.o. Český Těšín, Tschechien

      ISBN 978-3-85197-951-0

      eISBN 978-3-99128-057-6

       www.obelisk-verlag.at

      Erich Weidinger (Hg.)

      Diebe gibt es überall

      7 fesselnde Kinderkrimis

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      Inhalt

      TAMINA BERGER

       Chicknapper

      ALEXANDRA FISCHER-HUNOLD

       Egons Burgerhimmel

      ERICH WEIDINGER

       Piraten auf der Krankenstation

      JUTTA SIORPAES

       Die reine Wahrheit

      CHRISTINA BACHER

       Auf den Hund gekomment

      BEATRIX GURIAN

       Allein unter Kühen

      ORTWIN RAMADAN

       Das Geheimnis des Schwarzen Sees

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      TAMINA BERGER

      Chicknapper

      Urlaub am Bauernhof bei Familie Steiner – das steht auf unserem Türschild. Familie Steiner, das sind Papa, Mama, meine Schwester und ich. Ich bin übrigens Jakob.

      Meine Schwester ist drei Jahre älter als ich, aber sie tut so, als wären es mindestens sechs. Mit zehn ist man noch ein Kind, sagt sie. Mit dreizehn aber auch, antworte ich dann.

      Bei uns ist im Preis Frühstück mit dabei. Heute gibt es frischen Kräutertopfen und selbstgebackenes Vollkornbrot, Eier von unseren Hühnern und Erdbeer- und Heidelbeermarmelade von den Beeren aus unserem Garten.

      Felix und Anna sitzen mit ihren Eltern im Frühstücksraum. Sie sind vor zwei Tagen angereist und wohnen in einem der Ferienappartements. Felix winkt mir zu und ich gehe zu ihm hinüber.

      „Guten Morgen. Magst du heute mit mir Baumhaus bauen?“, frage ich ihn. Da könnte ich nämlich echt Hilfe gebrauchen. Felix’ Augen beginnen zu strahlen. Doch bevor er was sagen kann, schaut sein Papa von der Zeitung auf. „Das wird heute nichts. Wir fahren an den Attersee.“

      „Aber …“, protestiert Felix.

      Anna schüttelt wild ihren Lockenkopf. Sie ist erst fünf, aber wie es aussieht, hat sie Hunger wie eine Große, denn sie hat gleich zwei gekochte Eier vor sich stehen.

      Ihre Mama tupft sich mit einer Serviette den Mund ab. „Aber Mäuschen, wir wollen doch baden und mit dem Boot fahren“, sagt sie mit Säuselstimme.

      „Ich will aber auch Baumhaus bauen“, meint Anna und verschränkt trotzig die Arme.

      „Das läuft euch nicht davon.“ Ihre Mama klingt wie meine, wenn jede weitere Diskussion ausgeschlossen ist. Der Attersee auch nicht, denke ich, spreche es aber nicht aus.

      Anna presst die Lippen zusammen. „Ich bleibe hier.“

      Die Eltern wechseln Blicke. Der Vater hebt die Schulter und vertieft sich wieder in die Zeitung. Die Mutter ist aber offensichtlich wild entschlossen, an den Attersee zu fahren. Die Säuselstimme ist weg.

      „Keine Widerrede. Ich sitze nicht den ganzen Tag zwischen Hühnern und Kühen herum“, bestimmt sie. Dass sie sich zwischen unseren Tieren nicht so richtig wohl fühlt, ist mir schon gleich bei ihrer Ankunft aufgefallen.

      Felix lässt den Kopf hängen, Anna sieht aus, als würde sie gleich zu weinen beginnen.

      „Aber …“, versucht sie es noch einmal.

      Doch ihre Mutter hebt die Hand. „Keine Widerrede, hab ich gesagt. Wir fahren an den See. Basta.“

      Nun weint Anna wirklich. Sie tut mir leid.

      „Der See ist herrlich und das Baumhaus läuft wirklich nicht davon. Vielleicht habt ihr ja morgen Zeit“, sage ich, um die beiden zu trösten, und wünsche ihnen einen schönen Tag.

      Wenig später sitze auch ich mit meinen Eltern beim Frühstück.

      „Seit die neuen Gäste da sind, brauchen wir mehr Eier. Schon wieder ist der Korb im Frühstücksraum leer gewesen“, erzählt Mama.

      „Unsere glücklichen Hühner legen halt besonders gute Eier“, sagt Papa lächelnd.

      Ich beiße gerade von meinem Marmeladebrot ab, als Nicki hereingestürmt kommt. Sie ist schon ein paar Mal hier gewesen. Nicki ist so alt wie ich, fürchtet und ekelt sich vor gar nichts. Überall macht sie mit, selbst beim Stallausmisten. Sie ist das coolste Mädchen, das ich kenne.

      „Guten Morgen! Weißt du, wo Lisa ist? Ich habe sie überall gesucht.“

      Lisa ist unsere Lieblingshenne und ein preisgekröntes Seidenhuhn. Ihre Federn sind weiß und flauschig wie ein Wischmopp. Sie ist total zahm, ja richtig zutraulich, und hört sogar auf ihren Namen. Wir versuchen, ihr Kunststücke beizubringen.

      „Vielleicht ist sie über den Zaun geflogen?“, überlege ich laut. Ich weiß, dass Hühner nicht sehr gut fliegen können, und der Zaun ist so hoch wie Papa, aber denkbar ist es, oder? Lisa ist was Besonderes. Vielleicht hat sie es wirklich über den Zaun geschafft.

      „Ach, das ist Unsinn“, winkt Papa ab, aber restlos überzeugt klingt er nicht.

      „Wir gehen sie suchen“, beschließe ich. Lisa ist jetzt wichtiger als Frühstück. „Hast du im Verschlag nachgesehen?“

      „Gleich als Erstes. Und im Hof, in der Scheune, auf der Koppel, im Kuhstall. Sie ist einfach weg. Wenn sie von einem Fuchs oder so was geholt wurde?“

      Daran will ich gar nicht erst denken.

      „Hier gibt es keine Füchse“, sage ich. Das hätte sich doch bestimmt rumgesprochen, wenn sich in der Gegend ein Fuchs herumtreiben würde.

      Mittlerweile sind wir am Hühnergehege