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Samuel Richardson, Horst Tran
Pamela, oder die belohnte Tugend
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Inhaltsverzeichnis
Das Tagebuch bis zum Fluchtversuch
Briefe I - XX
Brief I
Lieber Vater und liebe Mutter,
ich habe Euch sehr Betrübliches, aber auch Tröstliches, mitzuteilen. Das Betrübliche ist, dass meine gute Herrin an der Krankheit gestorben ist, von der ich Euch geschrieben habe, und uns alle in großer Trauer über ihren Verlust zurückgelassen hat; denn sie war eine gute Herrin und freundlich zu uns Bediensteten. Ich befürchtete, weil ich meiner Herrin als Zofe gedient habe, nun ganz mittellos dazustehen und gezwungen zu sein, zu Euch und meiner armen Mutter zurückzukehren, die ihr genug damit zu tun habt, Euch selbst zu ernähren. Und weil meine Herrin in ihrer Güte mich zu schreiben und Konten zu saldieren gelehrt und mich zu einer kleinen Expertin mit meiner Nadel gemacht und mich auch auf andere Weise über meinen Rang hinaus ausgebildet hat, hätte Eure arme Pamela nicht in jeder Familie einen passenden Platz finden können. Gott aber, dessen Gnade wir so oft in der Not erfahren haben, legte es, nur eine Stunde vor ihrem Hinscheiden auf dem Sterbebett, in das Herz meiner Herrin, meinem jungen Herrn all ihre Diener zu empfehlen, einen nach dem anderen; und als ich an der Reihe war, um empfohlen zu werden (denn ich saß schluchzend und weinend an ihrem Kissen), da konnte sie nur sagen: "Mein lieber Sohn!" und brach für einige Momente ab; und als sie wieder Kraft schöpfte:
„Denke an meine arme Pamela."
Und das gehörte zu ihren letzten Worten! Ach, wie meine Augen tränen! Wundert Euch nicht über die Flecken auf dem Papier.
Nun, Gottes Wille muss getan werden! Und so komme ich zu dem Tröstlichen, dass ich nicht gezwungen sein werde, zu meinen lieben Eltern zurückzukehren, um ihnen zur Last zu fallen. Denn mein Herr hat gesagt:
"Ich will mich um Euch alle kümmern, meine guten Mägde. Und für Euch, Pamela," (und er nahm mich bei der Hand, ja, vor aller Augen nahm er meine Hand), "will ich, meiner guten Mutter zuliebe, ein Freund sein. Ihr werdet Euch um meine Wäsche kümmern."
Gott segne ihn! Und betet mit mir, mein lieber Vater und meine liebe Mutter, um Segen für ihn, denn er hat allen Bediensteten meiner Herrin Trauerkleidung und den Lohn eines Jahres geschenkt. Mir aber, die ich noch keinen Lohn erhalten hatte, weil meine Herrin mich nach meinen Verdiensten belohnen wollte, gab die Hausdame auf seine Anordnung hin Trauerkleidung wie den anderen. Dann schenkte er mir mit eigener Hand vier goldene Guineen und einige Silberstücke, die im Beutel meiner alten Herrin waren, als sie starb, und sagte, dass er, seiner Mutter zuliebe, mir ein Freund sein würde, wenn ich ein braves und treues und fleißiges Mädchen wäre. Und so sende ich Euch diese vier Guineen, um Euch zu trösten, denn die Vorsehung wird mich nicht leiden lassen. Ihr könnt einen Teil davon verwenden, um Schulden zu bezahlen, und den Rest, um Euer Leben erträglicher zu machen. Wenn ich mehr erhalte, werde ich in Pflicht und Liebe für Euch sorgen, dessen könnt Ihr sicher sein, denn Ihr habt in Liebe für mich gesorgt, als ich nichts für mich tun konnte. Ich übersende sie Euch durch John, unseren Boten, dessen Weg bei Euch vorbeiführt. Er weiß aber nicht, was er mit sich trägt, denn ich habe sie in eine der kleinen Pillenschachteln meiner Herrin gelegt und in Papier gewickelt, damit sie nicht klimpern. Und achtet darauf, sie nicht vor seinen Augen zu öffnen.
Ich weiß, liebe Eltern, dass ich Euch Kummer und Freude zugleich bereite. Und so will ich nur sagen: Betet für Eure Pamela,
Eure auf immer gehorsamste Tochter
Ich habe mich furchtbar erschreckt, denn gerade als ich diesen Brief in der Kammer meiner heimgegangenen Herrin zusammenfaltete, kommt mein junger Herr herein! Du lieber Himmel! Welche Angst ich hatte! Ich versteckte den Brief in meinem Busen. Als er mein Zittern sah, sagte er mit einem Lächeln:
"An wen habt Ihr geschrieben, Pamela?"
In meiner Verwirrung sagte ich:
"Mögt Ihr mir verzeihen! Nur an meine Eltern."
"Lasst mich doch sehen, wie weit Ihr im Schreiben vorangekommen seid!"
Ach, wie ich mich schämte! Zu meinem Schrecken nahm er schweigend den Brief, las ihn ganz durch und gab ihn mir zurück.
"Mögt Ihr mir verzeihen!", sagte ich.
Warum aber, weiß ich nicht, denn er war gegenüber seinen Eltern immer pflichteifrig gewesen. Warum sollte er nun wütend sein, wenn ich dies zu meinen Eltern ebenso war? Und tatsächlich war er nicht wütend, sondern nahm mich bei der Hand und sagte:
"Es ist anständig von Euch, Pamela, Euren alten Eltern so viel Güte zu erweisen. Ich nehme Euch nichts übel, denn ihr schreibst nur unschuldige Dinge. Dennoch solltet Ihr darauf achten, was Ihr über mein Haus nach außen mitteilt. Seid treu und fleißig und haltet Euch an Eure Pflichten, dann werde ich Euch umso mehr schätzen."
Und er fuhr fort:
"Pamela, Ihr schreibt sehr geschickt und habt auch eine annehmbare Orthographie. Die Mühe meiner Mutter um Eure Ausbildung war nicht vertan. Sie sagte immer, dass Ihr gerne Bücher lest. So nehmt Euch nach Belieben ihre Bücher zur Lektüre, um Euch fortzubilden."
Natürlich habe ich mich bei seinen Worten nur verneigt und geweint und war ganz verwirrt über seine Güte. Er ist wirklich der edelste aller Herren, denke ich! Doch ich bin im Begriff, einen weiteren langen Brief zu schreiben. So will ich nur noch hinzufügen, dass ich auf immer Eure gehorsame Tochter bleibe.
Pamela Andrews
Brief II
(In Antwort auf den vorigen)
Liebe Pamela,
in der Tat hat dein Brief mich und deine arme Mutter sehr betrübt, aber auch getröstet. Wir sind natürlich sehr erschüttert über den Tod deiner guten Herrin, die sich so sehr um dich und deine Ausbildung gekümmert hat und die dir in den vergangenen drei oder vier Jahren immer Kleidung und Wäsche und all das gab, welches zu tragen auch eine Dame sich nicht schämen muss. Doch unsere größte Sorge ist, und sie ist wahrhaft groß, dass du, auf diese Weise über deinen Stand erhoben, dazu verleitet werden könntest, etwas Ehrloses oder Verruchtes zu tun. Alle Leute berichten, wie gut du dich entwickelt hast und was für ein kultiviertes Mädchen du geworden bist, und einige sagen, du seiest sehr hübsch. In der Tat hätte auch ich, wenn du nicht unser Kind wärest, diesen Gedanken gehabt, als ich dich vor sechs Monaten zuletzt sah. Aber was nützt das alles, wenn du entehrt und verloren bist! In der Tat, meine liebe Pamela, wir beginnen uns