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Jules Verne
Ein Lotterielos
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.
Die Erzählung, welche Jules Verne in dem vorliegenden Bande bietet, spielt in jenem von der lieben Menschheit so eifrig gepflegten Gebiete der Lotterie. Die meisten Menschen sind nun einmal von dem Drange, viel Geld zu haben und schnell Geld zu haben, beseelt, und von diesem Drange ist auch ein nordischer Seemann erfüllt, der kurz vor seiner Verheiratung noch ein letztes Mal auf eine Hochsee-Fischfahrt auszieht und vorher noch sein Glück durch Ankauf eines Lotterieloses versuchen will. Mit diesem Los in der Tasche zieht er auf See und leidet Schiffbruch, übergibt aber das Los, in dem Moment, wo das Schiff sinkt, als Flaschenpost dem Meere, das es in dem für die Erzählung richtigen Moment an die geeignete Stelle treibt, nämlich an ein dänisches Schiff, von dessen Kapitän es in die Heimat des Seefahrers gelangt.
Um dieses Los herum webt Jules Verne ein paar abenteuerliche Liebesgeschichten. Nach vieler Not und Trübsal finden sich die Liebespaare zusammen. Als deus ex machina greift ein volkstümlicher nordischer Professor in das Glücksrad und sorgt dafür, daß die Machinationen des bösen Elements in der Erzählung, das ein Wucherer vertritt, zu schanden werden.
Das ist im großen das Thema der Erzählung, die der Autor nach Norwegen verlegt, in das durch Kaiser Wilhelms Nordlandsreisen berühmt gewordne Land der Fjorde. In seinen Schönheiten schwelgt Jules Verne, und schon hierdurch ist die Erzählung für die Gegenwart von außergewöhnlichem Interesse, und niemand wird sie ohne Befriedigung aus der Hand legen.
P. H.
Erstes Kapitel.
»Welche Zeit?« fragte Frau Hansen, als sie die Asche aus ihrer Pfeife geschüttelt hatte, deren letzter Rauch in leichten Wölkchen zwischen den buntangestrichenen Deckbalken sich verlor.
»Acht, Mutter,« antwortete Hulda.
»Daß in der Nacht noch Wanderer bei uns vorsprechen sollten, ist wohl nicht wahrscheinlich; die Witterung ist zu schlecht.«
»Ich meine auch nicht, daß noch jemand kommen werde; auf alle Fälle aber sind ja die Stuben fertig, und wenn draußen geklopft wird, so werde ich es schon hören.«
»Dein Bruder ist noch nicht wieder da?«
»Noch nicht!«
»Sagte er nicht, daß er heut zurückkehren wolle?«
»Nein, Mutter. Joel ist mit einem Reisenden zum Tinn-See unterwegs, und da er sehr spät aufgebrochen ist, glaube ich nicht, daß er vor morgen wieder in Dal wird sein können.«
»Er will in Möl übernachten?«
»Ja, wahrscheinlich; er müßte denn bis Bamble hinüber, um bei Pächter Helmboe vorzusprechen?«
»Und bei der Tochter?«
»Gewiß, auch bei der Siegfriede, meiner liebsten Freundin, der ich zugetan bin wie einer Schwester!« erwiderte lächelnd das junge Mädchen.
»Nun, dann schließ ab, Hulda! wir wollen uns schlafen legen.«
»Fehlt Euch auch nichts, Mutter?«
»Nein, aber ich will morgen beizeiten heraus ... will nach Möl ...«
»Weshalb?«
»Ei! wir müssen doch für die kommende Saison frischen Proviant einkaufen!«
»Ist etwa der Botenmann von Christiania mit Wein und Eßwaren in Möl angekommen?«
»Jawohl, Hulda, heut nachmittag,« versetzte Frau Hansen; »Lengling, der Werkmeister in der Sägemühle, hat ihn getroffen und hat es mir im Vorbeigehen gesagt. Von unserem Schinken und Räucherlachs ist nicht mehr viel da, und bis auf den letzten Rest möchte ich doch beides nicht ausgehen lassen. Heute oder morgen, sobald sich die Witterung bessert, können Touristen auf dem Wege ins Telemarken vorsprechen. Unsre Herberge muß doch imstande sein bis dahin: wenn Fremde kommen, so müssen sie doch, was sie brauchen können bei längerm oder kürzerm Aufenthalt, hier auch finden! Du weißt doch, Hulda, daß wir schon den 15. April haben?«
»Ja, ja, den 15. April,« flüsterte das junge Mädchen.
»Ich werde mich also morgen mit all diesen Dingen befassen,« versetzte Frau Hansen; »in zwei Stunden denke ich die nötigen Einkäufe besorgt zu haben, der Bote mag alles herschaffen, und ich komme dann mit Joel in der Karriole zurück.«
»Falls Ihr den Postboten unterwegs trefft, Mutter, dann vergeßt doch nicht zu fragen, ob er etwa für uns einen Brief hat.«
»Für dich, meinst du doch? Na, das kann schon der Fall sein, denn der letzte Brief von Ole ist wohl schon vier Wochen alt.«
»Ja, ja, Mutter, vier Wochen – ganze vier Wochen!«
»Laß dich das nicht bekümmern, Hulda! Solche Säumnis kann doch uns nicht verwundern! Wenn übrigens der Postbote von Möl nichts gebracht hat, so kann doch auch, was