Anno Dazumal

Sarg niemals money


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      Anno Dazumal

      Sarg niemals money

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Arbeit im Amt

       Worte statt Taten

       Mit Vollgas in den Abgrund

       Zurück in der Kuhzunft

       Sarg zum Abschied

       Impressum neobooks

      Arbeit im Amt

      Hi, ich bin der Manfred. Manfred Hai, um genau zu sein. Ich laufe gerade mal wieder sinnlos durch die Gegend und zwar durch die Flure der Bundesagentur für Arbeit. Nein, nicht was Du schon wieder denkst, ich gehöre nicht zu diesem Arbeitslosenpack, das unser Land noch in den Ruin treiben wird. Ich bin Jobvermittler. Ja, da staunst Du, was? Früher hieß ich Sachbearbeiter, später Fallmanager und jetzt das. Eigentlich müßte ich ja froh darüber sein, daß es Arbeitslose gibt, denn ohne die wäre ich arbeitslos. Aber daß es gar so viele sein müssen! Wie Ratten kommen sie aus ihren Löchern gekrochen und machen uns das Leben schwer. Wie um alles in der Welt soll ich einen alkoholabhängigen Analphabeten ohne Schulabschluß in Lohn und Brot bringen? Früher war das alles einfacher. Ich bin dafür, die gute alte Zwangsarbeit wieder einzuführen, die hat noch niemandem geschadet. Schön langsam nähern wir uns der guten alten Zeit ja wieder an, man hat die ganze Sache schon um einiges verschärft und das finde ich toll. Wir machen jedem Sozialschmarotzer ein Job- oder Umschulungsangebot und zwar nur, um auszutesten, ob derjenige kooperationswillig ist. Wenn er nicht kollaborieren will, dann kürzen wir ihm das Taschengeld. Butterbrot und Peitsche, so gefällt mir das. Ich für meinen Teil habe ganz andere Probleme: Zwar bin ich Beamter auf Lebenszeit, aber ich trage eine Krankheit in mir herum, denn ich bin manisch-depressiv. Gerade habe ich eine kleine Manie hinter mir und fühle mich relativ stabil. Aber das kann sich wahnsinnig schnell ändern. Wie jetzt zum Beispiel, da gerade dieses Arbeitsagenturluder an mir vorbei läuft. Diese blöde Schnepfe. „Hallo Andrea!“ rufe ich ihr hinterher, sie dreht sich um und lächelt schüchtern. Blöde Kuh! Hält mich bestimmt auch für einen Verrückten, so wie alle Anderen hier. Ich werde den ganzen Tag nur diskriminiert und gemobbt. Und warum? Weil ich in einer meiner Manien angeblich jede Menge Leute hier angerufen und beschimpft habe, woran ich mich allerdings leider nicht mehr erinnern kann. Diese Ignoranten! Das gehört doch alles zum Krankheitsbild, aber die Wahrheit hat die Säcke noch nie interessiert. Da kommt gerade mein Vorgesetzter angestapft, die fette Sau. Wenn ich den schon sehe, dann bekomme ich Zustände. „Guten Morgen, Chef! Na, alles klar daheim?“ frage ich ihn schleimig, denn ich weiß, daß er das gar nicht mag. „Hay, Ihre Zahlen sind grottenschlecht. Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?“ hält er mir vor. „Dasselbe wie Sie. Nichts.“ „Sehr witzig. Sie müssen mehr Arbeitslosen Jobs vermitteln, Manfred, sonst liegen uns die ganzen Penner noch jahrelang auf der Tasche.“ „Sie reden sich leicht, großer Meister. Meine Arbeitslosen sind asoziale Schmarotzer der schlimmsten Sorte.“ „Mit denen Sie immer wieder beim Saufen gesehen werden.“ „Ich muß weg.“ Schnell mache ich mich vom Acker, denn der Volltrottel hat versehentlich einen wunden Punkt getroffen. Ja, ich habe eine kleine Schwäche und die wird mir irgendwann bestimmt mal Probleme bereiten. Ich gehöre einer Organisation an, die etwas unbekannter als der ADAC, der Allgemeine Deutsche Alkoholiker Club, ist, die aber dennoch ihren Reiz hat. Ich bin nämlich Mitglied bei den Antianonymen Alkoholikern und sitze fast jeden Abend mit meinen verwahrlosten Saufbrüdern im Park und gebe mir die Kante, bis ich meinen Pegel erreicht habe. Nur gut, daß ich Beamter auf Lebenszeit bin, denn dann darf man sowas. So, dann werde ich mich mal in mein Büro begeben und so tun als würde ich arbeiten. Beamte sind die vollkommensten aller Lebewesen, denn sie beherrschen die schwer zu erlernende Kunst des Nichtstuns. Allerdings ist immer noch eine Steigerung möglich und je höher man in der Hierarchie aufsteigt, desto weniger braucht man arbeiten. Dafür, daß ich ziemlich weit unten stehe, mache ich erstaunlich wenig. Früher waren wir ja eine Anstalt, bis einer unserer Kurzzeitchefs auf die Idee kam, uns in Bundesagentur umzubenennen. Man könnte uns auch „Arbeitslosenverwahranstalt“ nennen, ganz egal, Hauptsache, das Kind hat einen Namen. Jedenfalls ist die Bundesagentur für Arbeit, bei der ich seit ein paar Jahren „arbeite“, der beste Beweis für die Überflüssig- und Sinnlosigkeit jeglicher Bürokratie. Bei uns herrschen paradiesische Zustände, denn 80 Prozent von uns sind damit beschäftigt, uns selbst zu verwalten. Geil, oder? Ich aber gehöre zur Elite, ich bin Jobvermittler und das ist eine durchaus anspruchsvolle Arbeit, wenn man mal davon absieht, mit was für Abschaum man es dabei zu tun hat. Da lungern sie schon wieder in den Gängen herum, diese Arbeitslosen, die Aussätzigen des dritten Jahrtausends. „Na, Ihr müßt ja jede Menge Zeit haben. Habt wohl nichts zu tun“, provoziere ich sie frech grinsend. Einige schauen mich böse an, Andere senken niedergeschlagen den Kopf. Was für ein lausiges Pack! Keinen Mumm in den Knochen. Vor meinem Büro sitzen auch schon wieder ein paar von diesen Leuten, die es beim Führer schlicht und einfach nicht gegeben hätte. „Vielleicht sollte ich doch meine Idee in die Tat umsetzen und eine Partei gründen, die mal aufräumt in diesem Land“, schießt es mir durch den Kopf. „Na, wer von Euch faulen Säcken hat die erste Nummer gezogen?“ will ich scheinbar interessiert wissen und lasse den ersten Versager ins Büro.

      „Na, mein lieber Herr, äh, Müller? Schmidt? Meier? Helfen Sie mir doch bitte!“ beginne ich und er schaut mich traurig an. Am liebsten würde ich ihm in die Fresse schlagen, denn solche Leute regen mich am meisten auf. Diese geborenen Versager hätten lieber ungeboren bleiben sollen. „Schulz“, läßt er leise von sich hören und ich nehme sein Zuspiel gekonnt an. „Natürlich. Na, mein lieber Herr Schulz, wie läuft es denn in Ihrem unbedeutenden Leben?“ „Beschissen. So sehr ich mich auch bemühe, ich finde einfach keinen Arbeitsplatz.“ „Weil Sie ein Loser sind, Herr Schulz. Leute wie Sie wären früher vergast worden, das klingt jetzt hart, aber es ist nun mal so. Wissen Sie, ich rackere hier Tag für Tag, damit Kreaturen Ihrer Art zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden und Sie vermasseln dann alles. Schön langsam bin ich es leid. Was soll ich denn noch alles für Sie tun?“ frage ich ihn und schaue ihm direkt in die Augen, woraufhin er seinen Blick beschämt zu Boden sinken läßt. „Tut mir leid, Herr Hay, ich weiß ja wie viel ich Ihnen verdanke, aber irgendwie scheint das Glück nicht auf meiner Seite zu sein“, entschuldigt sich Schulz mit leiser Stimme und meine Ungeduld ist inzwischen so groß, daß ich ausflippe und brülle: „Es liegt einzig und allein an Ihnen, Sie Depp! Wie Sie schon herumlaufen und wie Sie aussehen! Ich würde Sie auch nicht einstellen, wenn ich ein Arbeitgeber wäre. Selbstbewußte Leute sind gefragt, schauen Sie mich an! Aber vielleicht gibt es da noch eine passende Lösung für uns Beide“, fällt mir plötzlich ein und ich überreiche ihm feierlich eine Zyankalikapsel. „Was ist das?“ erkundigt er sich mißtrauisch, der blöde Wichser, doch ich lächle ihn vertrauensselig an und antworte überzeugend: „Das ist die Lösung für all ihre Probleme, Herr Schulz. Ein neues Wundermedikament aus den USA, wo die Arbeitslosigkeit, wie Sie sicherlich wissen, ein Schattendasein fristet. Gehen Sie nach Hause, zerbeißen Sie diese Kapsel und alles wird gut.“ Er schaut mich an und erst als ich ihm bedeute zu verschwinden, erhebt er seinen Loserarsch und trottelt davon. „So, jetzt sieht meine Statistik schon besser aus, den Schwachkopf hätte ich doch niemals vermittelt“, denke ich mir zufrieden und lösche seinen Namen aus meinem Computer. Es klopft und die nächste ästhetische Zumutung tritt herein. Ich brauche unbedingt mehr Zyankali.

      Nach einem wieder einmal äußerst erschöpfenden Arbeitstag kehre ich nach Hause zurück. Meine Nachbarn grüßen mich freundlich, da ihnen gar nichts Anderes