Lucian Vicovan

Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod


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      Lucian Vicovan

      Auf der Schwelle zwischen Leben und Tod

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       Impressum neobooks

      1

       Auf der Schwelle

       zwischen Leben und Tod

       von Lucian Vicovan

       überarbeitet von Maria Ehrhardt

      Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

      Auf der Höhe der Raxawa Tea Lounge überquerte ich die Bahngleise und setzte mich auf die Ufersteine hin. Ich war gezwungen mich dreimal umzusetzen, bis ich endlich eine Fläche fand, auf der ich ruhen konnte, ohne dass sich eine spitze Kante in das Sitzfleisch bohrte. Die Steine, die es mir nicht gemütlich genug machen wollten, wurden wüst beschimpft, einen trat ich sogar. Sie blieben von meinen Zornausbrüchen unbeeindruckt, mein Tritt bewegte den Stein nicht einmal einen Deut, ich spuckte einen anderen an und musste dann mit einem Faden Spucke kämpfen, der sich nicht von meinen Lippen lösen wollte und lieber vor meiner Brust tanzte. Dabei war ich schon so ausgetrocknet, dass es eine stümperhafte Dummheit war, unter jenen Umständen so leichtfertig und verschwenderisch mit meinen Körperflüssigkeiten umzugehen.

      Mein Blick war von den Drinks, die ich in der Nacht zuvor beim Charly in seinem französischen Szenelokal im Herzen Colombos mehr hinunter gekippt als getrunken habe, betrübt, mein Kopf kündigte schon an, dass er keinesfalls taten- vor allem aber schmerzlos solche Eskapaden mit sich machen lassen würde und probte den Aufstand. Dem wurde mit der gleichen Gehässigkeit begegnet wie sie auch die spitzen, ungemütlichen Steine zu spüren bekamen. Überhaupt hatte ich in meinem Zustand nur Hass, Zorn und Wut für jeden und alles über. Die Sonne, die sich noch nicht ganz traute am Horizont aufzusteigen, musste sich als Nächstes eine Schimpftirade über sich ergehen lassen, die sogar Piraten und Kopfgeldjäger die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Hätte mir jemand zugehört, der dann auch noch die wienerischen Kraftausdrücke verstand, müsste sich der wohl denken, dass die Sonne die größte Schuld an meinem Unglück trug. Dabei war ich gar nicht unglücklich, zumindest nicht mehr als sonst. Besonders nachdem ich den gemütlichen Sitzplatz gefunden hatte, konnte ich mich als sehr ausgeglichen bezeichnen. Immer noch zu betrunken, um an Schlaf zu denken, ja, auch viel zu aufgewühlt, um die Schönheit vor meinen Augen als solche wahrzunehmen und doch im Großen und Ganzen sehr aufgeräumt und bei mir selbst.

      Anprangern konnte ich natürlich die ewigen Verdächtigen, das Universum, weil es so einengend ist, Gott, weil er diese Enge für uns am liebsten noch einmal enger machen würde und meine Mitmenschen, die so tun als wäre diese Enge nicht genug um uns allen Platz zu bieten. Neben der Enge war es natürlich auch die Weite, die mir arg zusetzte. Zu weit weg von daheim, an der südlichen Spitze Indiens, im Indischen Ozean, oder blickte ich doch auf den bengalischen Golf? Weit entfernt erschien mir auch der Weg zu meinem Hotelzimmer, weit der Weg, den ich beschritten hatte, um in einem Hotel in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, untergebracht zu sein. Weit zurück schienen die Tage als ich Sri Lanka im Fernsehen sah, die Tierwelt, die Natur, die Menschen und mir dachte: “So ein Land zu besuchen täte mir niemals Not.” Weit war jedenfalls auch die Linie des Horizonts, unter welcher sich die Sonne, wie eine Schauspielerin vor der Theateraufführung noch zu schminken schien, noch die letzten Pinselstriche setzte, die letzten Haare an ihren Platz führte und fixierte und sich das angesammelte aus den Mundwinkeln wischte.

      “Jetzt mach schon du verdammtes Luder, wir wissen doch alle, dass du nicht schüchtern bist. Wem willst du hier etwas vormachen.”, schrie ich genervt, stand auf und reckte eine geschlossene Faust zornig gen Himmel. Ich musste rülpsen und in meinem Inneren schienen sich alle Organe neu ausrichten zu wollen, ich musste wieder Platz nehmen. Die Faust behielt ich in der Luft.

      Ein erster Zug fuhr vorbei. Ich drehte mich um meine eigene Achse und drohte dem Zug und den hunderten Passagieren mit der Faust.

      “Wenn sich mir auch nur einer nähert, ich sag‘s euch! Wehe euch Gott, und zwar der einzige Gott, nicht eure Armee an bunten Zirkusfiguren!”

      Ich lachte, fletschte die Zähne und traf mehrere Augenpaare, in welche ich jeweils nur einen Bruchteil einer Sekunde sehen konnte, bevor sie wieder entschwanden. Blicke, die mich aus übermüdeten, indisch-dunklen Gesichtern anstarrten. Der Zug war überfüllt, Menschen hingen an allen Türen heraus, durch die Fenster konnte ich fliegende Händler beobachten, die sich einen Weg durch das Gedränge im Zug zu bahnen versuchten. Die meisten davon verkauften und servierten Tee, einige hatten Körbe mit Gebackenem dabei. Mir drehte sich der Magen. Sonst hätte ich ihnen gerne noch einige Nettigkeiten zugeschrien, doch ich sperrte die Lippen zu und fuchtelte nur noch bedrohlich mit der Faust. Dann war der Zug sowieso auch schon wieder weg. Die nächste Station war nur ein paar hundert Meter vom Platz, an dem ich mal stand, mal saß entfernt. Einige Menschen, so konnte ich sehen, verließen den Zug an der Station und suchten sich dann auch einen Platz am Ufer, andere wagten Waghalsiges indem sie sich daran machten die Colombo Plan Road zu überqueren, ohne