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William Shakespeare
Ende gut, alles gut
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Inhaltsverzeichnis
Erster Aufzug
Erste Szene
Roussillon.
Es treten auf Bertram, die Gräfin von Roussillon, Helena und Lafeu, sämtlich in Trauer.
GRÄFIN. Indem ich meinen Sohn in die Welt schicke, begrabe ich einen zweiten Gemahl.
BERTRAM. Und ich, indem ich gehe, teure Mutter, beweine meines Vaters Tod aufs neue; aber ich muß dem Befehl des Königs gehorchen, dessen Mündel ich jetzt, so wie für immer sein Vasall bin.
LAFEU. Ihr, gnädige Frau, werdet an dem Könige einen Gemahl finden; Ihr, Graf, einen Vater. Er, der so unbedingt zu allen Zeiten gut ist, muß notwendig auch gegen Euch sich so bewähren, denn Euer Wert würde seine Tugend erwecken, selbst wenn sie mangelte; und um so weniger wird diese Euch entstehn, da er sie im Überfluß besitzt.
GRÄFIN. Was für Hoffnung hat man für die Besserung Seiner Majestät?
LAFEU. Er hat seine Ärzte verabschiedet, gnädige Frau, unter deren Behandlung er die Zeit mit Hoffnung verschwendet und in ihrem Verlauf nur das gewonnen hatte, daß er mit der Zeit auch die Hoffnung verlor.
GRÄFIN. Dieses junge Mädchen hatte einen Vater – (oh, dies »hatte«! – welcher traurige Gedanke liegt darin!), dessen Talent fast so groß war als seine Rechtschaffenheit. Wäre es ihr ganz gleich gekommen, es hätte die Natur unsterblich gemacht, und der Tod, aus Mangel an Arbeit, hätte sich dem Spiel ergeben. Ich wünschte um des Königs willen, er lebte noch; ich glaube, das würde für des Königs Krankheit der Tod sein.
LAFEU. Wie hieß der Arzt, von dem Ihr redet, gnädige Frau?
GRÄFIN. Er war in seiner Kunst hochberühmt, und zwar mit größtem Recht: Gerhard von Narbonne.
LAFEU. Allerdings war er ein vortrefflicher Mann, gnädige Frau; der König sprach noch neulich von ihm mit Bewund'rung und Bedauern. Er war geschickt genug, um immer zu leben, wenn Wissenschaft gegen Sterblichkeit in die Schranken treten könnte.
BERTRAM. Und woran leidet der König, mein teurer Herr?
LAFEU. An einer Fistel, Herr Graf.
BERTRAM. Davon habe ich noch nie gehört.
LAFEU. Ich wollte, es wüßte niemand davon! – War dies junge Mädchen die Tochter Gerhards von Narbonne? –
GRÄFIN. Sein einziges Kind, Herr Ritter, und meiner Aufsicht anvertraut. Ich hoffe, sie wird durch ihre Güte erfüllen, was ihre Erziehung verspricht; ihre Anlagen sind ihr angeerbt, und dadurch werden schöne Gaben noch schöner: denn wenn ein unlautres Gemüt herrliche Fähigkeiten besitzt, so lobt man, indem man bedauert: es sind Vorzüge und zugleich Verräter; in ihr aber stehen sie um so höher wegen ihrer Reinheit. – Ihre Tugend ist ihr angestammt, ihre Herzensgüte hat sie sich erworben.
LAFEU. Eure Lobsprüche, gnädige Frau, entlocken ihr Tränen! –
GRÄFIN. Das beste Salz, womit ein Mädchen ihr Lob würzen kann. Das Gedächtnis ihres Vaters kommt nie in ihr Herz, ohne daß die Tyrannei ihres Kummers alle Farbe des Lebens von ihrer Wange nimmt. Nicht mehr so, meine Helena! Nicht so! Damit man nicht glaube, du pflegst traurig zu scheinen, ohne es zu sein!
HELENA. Allerdings pflege ich meine Trauer, aber ich bin auch traurig.
LAFEU. Gemäßigte Klage ist das Recht des Toten; übertriebener Gram der Feind des Lebenden.
HELENA. Wenn der Lebende dem Gram erst feind ist, wird diesem das Übermaß bald tödlich werden.
BERTRAM. Teure Mutter, ich bitte um Euer Gebet für mich.
LAFEU indem er Helena ansieht.
Wie verstehn wir das?
GRÄFIN.
Dich segn' ich, Bertram! Gleiche deinem Vater
An Sinn wie an Gestalt; Blut so wie Tugend
Regieren dich gleichmäßig: deine Güte
Entspreche deinem Stamm! Lieb' alle, wen'gen traue;
Beleid'ge keinen; sei dem Feinde furchtbar,
Durch Kraft mehr als Gebrauch; den Freund bewahre
So wie dein Herz! Laß dich zum Schweigen tadeln,
Doch nie um Reden schelten! Was der Himmel
Dir sonst an Segen spenden, und mein Beten
Erflehn mag, fall' auf dieses Haupt! Leb wohl! –
Mein Herr, noch nicht gereift zum Hofmann ist er:
Beratet ihn!-
LAFEU.
Was meine Lieb' vermag, sei ihm gewährt.
GRÄFIN.
Der Himmel segne dich! Bertram, leb wohl!
Ab.
BERTRAM zu Helena: Die besten Wünsche, die in der Werkstatt Eurer Gedanken reifen können, mögen Euch dienstbar sein! Seid der Trost meiner Mutter, Eurer Gebieterin, und haltet sie wert! –
LAFEU. Lebt wohl, schönes Kind! Ihr müßt den Ruhm Eures Vaters aufrecht erhalten.
Bertram und Lafeu gehn ab.
HELENA.
Ach, wär's nur das! Des Vaters denk' ich kaum;
Und jener Großen Träne ehrt ihn mehr,
Als seiner Tochter Gram. – Wie sah er aus?
Vergessen hab' ich ihn; kein andres Bild
Wohnt mehr in meiner Phantasie als Bertram.
Ich bin verloren! Alles Leben schwindet
Dahin, wenn Bertram geht. Gleichviel ja wär's,
Liebt' ich am Himmel einen hellen Stern,
Und wünscht' ihn zum Gemahl; er steht so hoch!
An seinem hellen Glanz und lichten Strahl
Darf ich mich freun; in seiner Sphäre nie.
So straft sich selbst der Ehrgeiz meiner Liebe: