on id="u6b39af23-2cbf-564b-92f8-9a3c389659c7">
Anno Dazumal
Freud obszöner Spötterfunken
Hysterischer Roman
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Die Überraschung
Es war so gegen zehn Uhr fünf, als für Horst Radtke die Welt zusammenbrach, die er sich Stunden zuvor erst mühsam aufgebaut hatte. Doch der Reihe nach. Seine Frau hatte ihm am frühen Morgen mitgeteilt gehabt, daß sie ihn verlassen wolle und Horst war in jenem Moment der glücklichste Mensch auf der ganzen weiten Welt gewesen; nein, wahrscheinlich handelte es sich bei ihm zu jener Zeit um das glücklichste Lebewesen im gesamten Universum. Jahrelang hatte er verzweifelt versucht gehabt, aus dem Gefängnis, zu dem seine Ehe recht schnell geworden war, zu entfliehen, doch sie hatte ihn nicht gehen lassen und um sich von ihr zu trennen, war er viel zu schwach gewesen. Aus jenem Grund hatte er ja vor etlichen Jahren jene Psychotherapie bei Dr. Urban Wupf angefangen gehabt. Punkt zehn Uhr war er in dessen Praxiszimmer einmarschiert, in seinem Kopf hatte er die Fanfaren gehört und im Augenblick der tiefsten Befriedigung und des größten Triumphes hatte er es heraus posaunt: „Heute hat mich endlich meine Frau verlassen!“ Die Reaktion seines Psychoanalytikers hatte erstaunlich lange auf sich warten lassen, doch das hatte Horst zunächst gar nicht wahrgenommen gehabt, denn in seinem Kopf stieg eine gigantische Party und alle waren eingeladen. „Gisela hat mir heute früh erklärt, daß sie sich von mir trennen will und wissen Sie, was ich daraufhin gemacht habe?“ Der Doktor schaute ihn fragend an. „Ich bin ihr um den Hals gefallen und habe sie geküßt! Das habe ich seit drei Jahren nicht mehr gemacht gehabt! Beinahe hätte ich sogar mit ihr geschlafen, aber dann fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, daß es ja genau das war, was ich nie wieder tun wollte.“ Schön langsam bemerkte Horst dann doch, daß da irgend etwas nicht stimmte. Klar, er kannte Wupf bereits eine Weile und wußte, daß jener nicht gerade zu den Emo-Bomben zählte, aber seine Schweigsamkeit verwunderte ihn mit der Zeit dann schon. Schließlich war Horsts Trennung ja das Ziel gewesen, auf das die Beiden seit Jahren hingearbeitet hatten. Womöglich gehörte der Psychoanalytiker gar zu den Menschen, die sich nicht freuen konnten. Wie auch immer, Horst ging es blendend und er wußte gar nicht, was er vor lauter Freude als Erstes tun sollte. Glückselig lächelnd betrachtete er das Inventar seines Vertrauten und dachte sich, daß in dem Zimmer auch mal wieder aufgeräumt werden könnte. Und wenn schon? Heute gab es was zu feiern und nachdem er jahrelang ob seiner schrecklichen Ehe latent depressiv gewesen war, genoß er seinen manischen Anflug in vollen Zügen. „Wissen Sie, was ich mir heute gleich in meinen Kalender neben den heutigen Tag notiert habe? Tag der Befreiung!“ verkündete er stolz. Auf einmal stutzte er. „Sagen Sie mal, Doktor, was ist denn los mit Ihnen? Sie sehen aus, als wäre Ihnen eine Leber über die Laus gelaufen.“ Urban kratzte sich am Kopf und schaute verlegen in Horsts Richtung. „Herr Radtke, es gibt da etwas, das Sie wissen sollten“, begann er zögernd. „Ja, daß heute mein absoluter Glückstag ist!“ rief sein Klient begeistert. „Es freut mich ja ungemein, daß Sie sich so freuen und ich wünsche Ihnen auch, daß dieser Zustand noch unheimlich lange anhält, aber ich kann die Wahrheit nicht vor Ihnen verschweigen.“ „Welche Wahrheit denn? Wollen Sie mir etwa einreden, daß Sie der neue Lover meiner Ex sind?“ scherzte Horst immer noch blendend gelaunt. Wupf erstarrte und lief rot an. „Woher wissen Sie das?“ erkundigte er sich verwirrt. Man sah, daß in Horst etwas zu arbeiten begann und genau in den Moment klinken wir uns ein. Radtke starrte seinen Helfer an und wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte, weshalb er sich für eine Mischung aus Beidem entschied. „Wie kann das sein? Sie standen doch immer auf meiner Seite und haben mich unterstützt.“ „Natürlich. Ich gebe ja zu, daß ich Ihre Frau aufgrund von Ihren Erzählungen für das schlimmste Scheusal der westlichen Welt gehalten habe, so auf einem Niveau mit Wush Junior und Min Waden, aber als ich ihr dann zufällig einmal über den Weg lief, da ...“ „Da haben Sie sich gedacht, für ein Monster sieht die aber noch recht gut aus und sind dann mit ihr in die Kiste gehüpft.“ „Nein, ganz so einfach war es dann doch nicht. Wissen Sie eigentlich, warum ich Psychoanalytiker geworden bin?“ „Damit Sie Ihren Klienten die Frau ausspannen können.“ „Das auch, na ja, eigentlich war das tatsächlich der Hauptgrund. Wissen Sie, ich bin ein sehr schüchterner Mann und so hatte ich wenigstens gleich ein Gesprächsthema, nämlich Sie.“ „Schon mal was von der ärztlichen Schweigepflicht gehört, Sie Quarksalber?“ „Immer langsam reiten. Ich habe keine Geheimnisse verraten, außerdem kannte Ihre Frau Sie ohnehin besser als ich. Was mir die über Sie erzählt hat, das können Sie sich überhaupt nicht vorstellen!“ „Das will ich auch gar nicht. Aber bevor ich gleich ausraste, habe ich eine Frage, eine Sache, die mich schon immer interessiert hat: Wieso haben Sie keine Couch?“ „Ich hatte mal eine, doch dann legte sich eine sehr übergewichtige Frau darauf und das war ihr Ende. Danach habe ich es bleiben lassen und mir lieber dieses Schlafsofa angeschafft, damit ich hier auch mal übernachten kann.“ „Zum Beispiel mit meiner Frau.“ „Nein, wir haben es immer in Ihrem Bett getrieben, wenn Sie mit Ihren Kumpels beim Fußballglotzen waren.“ „Ich verstehe. Wissen Sie, in mir sind gerade zwei Kräfte am Werk, die gegeneinander ankämpfen. Am liebsten würde ich Ihnen die Fresse polieren, aber andererseits könnte ich mich den ganzen Tag lang darüber kaputtlachen, daß Sie so blöd gewesen