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Wolfram Gittel
GALDAN und wie er die Lampe des Lichtkönigs zurückholte
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Inhaltsverzeichnis
WIE GALDAN ZUR HÜTERIN DER WEISHEIT KAM
WIE GALDAN DEM FLUSS DER TAUSEND TRÄNEN FOLGTE
WAS GALDAN BEI DEN FALLENDEN WASSERN ERLEBTE
WIE GALDAN ZU DEN SCHNEEGÄNSEN KAM
WAS GALDAN IM EISPALAST ERLEBTE
ALS GALDAN GEBOREN WURDE
Gleichmäßig rollten die Wellen des riesigen Sees heran. Eine Woge nach der anderen hob sich, lief zwischen die mächtigen Bäume vor dem Ufer hinein und klatschte auf deren Wurzeln, die wie starke Arme in das Wasser tauchten. Sehen konnte man die Wellen nicht. Denn noch war es finster. Der Himmel war mit einem leichten Dunst bedeckt, hinter dem sich die Sterne versteckt hatten. Nur der Mond blinzelte trübe durch den Vorhang.
Die Morgendämmerung machte sich gerade als ein feiner rötlicher Hauch weit hinten am Himmel bemerkbar. Ein kühler Wind schüttelte die Zweige, dass die Blätter rauschten. Langsam kroch die Röte vom Horizont aus höher. Das Dunkel der Nacht wurde schwächer. Als fette Kugel stand der Mond tief im Westen.
Noch ruhte das ganze Land. Die Vögel auf den Bäumen hatten ihre Köpfe unter die Flügel gesteckt. Auf dem Waldboden lagen die Tiere zusammengerollt in tiefem Schlaf. Und selbst die Fische im Wasser standen völlig still, leicht im Schlummer die Flossen bewegend, damit sie nicht abtrieben. Tau senkte sich hernieder und benetzte das Land. - Stille überall. -
Nur an einem Punkt im See, tief unten zwischen den Wurzeln eines Baumriesen gab es keinen Schlaf. Dort hatte eine Fischvogel-Familie ihre Nistkolonie. Normalerweise schlafen auch Fischvögel in der Nacht. Aber dies war keine gewöhnliche Nacht. Deshalb wagte niemand, die Augen zuzumachen. Die ganze Fischvogel-Familie war aufgeregt. Unablässig schwamm der Fischvogel-Vater vor dem Nest hin und her. Die größeren Fischvogel-Kinder spitzten immer wieder aus ihrem Nest nebenan und wurden vom Vater hinein gestupst. Auch die Onkels und die Tanten und die alte Muhme in ihren Nestern ringsum waren noch wach und ebenfalls soooo gespannt. Es hätte ja schon am Abend so weit sein müssen! Aber noch immer rührte sich nichts!
Die Fischvogel-Mutter saß nämlich schon seit Wochen auf einem Ei und brütete. Und gestern Abend hätte das Kleine schlüpfen müssen.-
Der ganze Horizont war schon hell. Und eben versank das letzte Stückchen Mond im See. Aber im Ei rührte sich noch nichts. Die Bewegungen des Fischvogel-Vaters wurden ruckartiger. Immer rascher schwamm er hin und her. Manchmal schoss er auch wie ein Pfeil aus dem Wasser und fiel laut klatschend in den See zurück.
Klar und deutlich stand nun der Wald vor dem See, dessen Wasser im Morgenlicht rötlich schimmerte. Da plötzlich! - War da was? - Oder nicht? - War es nur Täuschung? – Oder rührte sich doch was? - Angestrengt lauschte die Fischvogel-Mama. - Doch vergeblich. Enttäuscht und traurig legte sie den Kopf auf ihr silberglänzendes Gefieder, das dicht wie Schuppen an ihrem Körper anlag.
Ob das Kleine in dem Ei überhaupt noch lebte? Hatte sie es auch wirklich stets genug vor kalten Strömungen geschützt? War sie vorsichtig genug gewesen? Fast glaubte sie es nicht mehr.
Blutrot strahlte der gesamte Horizont, schickte hellroten Schimmer weit in den Himmel hinauf. Die ersten Vögel begrüßten den neuen Morgen. Langsam schob sich die Sonne über die ferne Kante des Sees. Tiefe Glut ließ das Wasser erstrahlen, tauchte die Fischvogel-Nester in ein mildes Rosa.
Der Fischvogel-Vater schwamm zur Wasseroberfläche empor. Er streckte den Kopf aus dem Wasser, schaute sich um, als ob er Hilfe suchte. Dann tauchte er wieder ab. Am Nest angekommen schlüpfte er hinein. Er wollte seine Gefährtin trösten. Denn dass das Kleine noch schlüpfen würde, daran glaubte er nicht mehr. -
Da plötzlich – was war das?
Toktok – tok – tok – toktoktok.
Der Fischvogel-Vater reckte den Kopf. Angestrengt lauschte er.
Toktoktok – toktok – tok ---- toktoktok.
Es gab keinen Zweifel! - Es kam aus dem Ei! - Das Kleine rührte sich!!!
Er rüttelte seine Gefährtin, die trübe vor sich hinstarrte.
„Es rührt sich!“ rief er voller Freude. „Es rührt sich!“
Mama Fischvogel reckte den Kopf und lauschte. Laut und vernehmlich hörte sie: tok - tok - toktok – tok – toktoktok.
Sie lehnte ihren Kopf an die Schulter ihres Gefährten und schluchzte erleichtert: „Endlich rührt es sich!“
Im Nu sprang die freudige Nachricht auf die anderen Nester über.
„Es rührt sich! Es rührt sich!“
Nagdor, der älteste der Fischvogel-Kinder, strebe mit raschen Schwimmstößen der Wasseroberfläche zu. Er schoss hoch in die Luft hinauf. Dann breitete er seine Schwingen aus. So schnell er konnte flog er durch den Wald.
„Es rührt sich! Es rührt sich!“ rief er immer wieder. „Es rührt sich!“
Verschlafen reckte die Hasenmama den Kopf. Neugierig spitzten ihre Kleinen aus der Kuhle auf der Wiese. Kaum hörten sie die Nachricht, als sie schon los hoppelten. Die Rehe, die Affen, die Vögel und alle alle Tiere des großen Waldes, die die Fischvögel kannten, eilten zum See. Alle wollten dabei sein, wenn das Kleine die Schale durchbrach.
Goldgelb hob sich die Sonne empor. Ihre Strahlen spiegelten sich im Wasser.
Die Fischvogel-Mama hatte ihren Platz verlassen, um dem Kleinen Raum zu geben. Und dieses arbeitete ganz heftig!
Toktoktoktoktoktok klang es in einem Fort dumpf aus dem Ei.
Dicht drängten sich die Tiere am Ufer. Stupsi, der kleine Hase, war zu neugierig. Er beugte sich viel zu weit vor. Da plötzlich machte es „Plumps“ und er war im Wasser verschwunden. Prustend tauchte er wieder auf. Flaps, der Affe, reckte sich und fischte mit seinen langen Armen den kleinen Hasen wieder heraus. Alle Tiere lachten. Verschämt drückte sich Stupsi an seine Mama.
Währenddessen hatte das Kleine in dem Ei unermüdlich weiter gearbeitet. Auf einmal bekam die Schale große Sprünge und mit einem lauten „plopp“ brach sie auseinander.
„Oh“, sagten die Tiere am Ufer. Denn im Nest lag ein allerliebstes Fischvögelchen, reckte die Beinchen, streckte die Flügelchen. Mit einem Schwups stand es auf seinen Schwimmfüßchen und betrachtete neugierig seine Umgebung.
In diesem