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Jens Otto Holländer
Der bittere Weg Teil 1
Heroin
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Inhaltsverzeichnis
Rückblick: Wie ich Friseur wurde
Die letzten Monate in Stuttgart 1993
Vorwort
Der bittere Weg
HEROIN
Ich bin ein Junkie. So werden Menschen mit meiner Krankheit normalerweise genannt. Ich fühle mich jedoch weder dreckig, noch als Müll. Beides meint das Wort Junk.
Kung Fu Tsu sagte, es gäbe drei Wege, um zu klugem Handeln zu gelangen.
Durch Nachdenken: der Edelste.
Durch Nachahmung: der Einfachste.
Durch Erfahrung: der Bitterste. Ihn habe ich gewählt.
Dies ist die Schilderung meiner seit 30 Jahren andauernden Opiat Abhängigkeit.
Opiat Abhängigkeit ist, wie Alkoholismus eine Suchterkrankung, entscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: man kann die Sucht mit Substituten (Substitut=Ersatz),behandeln und damit leben, denn entgegen aller gängigen Presse, sind ärztlich verabreichte Opiate, in der richtigen Dosierung, weder schädlich, noch gefährlich. Sie machen aber abhängig. Damit beschäftigt sich der zweite Teil des Buches. Ich möchte Drogen, insbesondere Opiate, wie Heroin, Methadon oder Polamidon, weder bagatellisieren, noch bewerben. Aber ich will, ohne Vorurteile zu bedienen, aufzeigen, was eine Opiat Abhängigkeit auch sein kann: eine Art zu leben.
Im Gegensatz zu Opium, Haschisch und LSD, oder auch Alkohol, hat Heroin keine rauschhafte, die Realität verzerrende Wirkung. Man fühlt sich einfach wonnig eingepackt, ist leicht euphorisiert und steht über den Dingen, aber im Grunde kann man ganz nüchtern überlegen, denken und handeln. Heroin hat ganz klar antidepressive Wirkung. Würde der dauerhafte Konsum nicht in die Abhängigkeit führen, wäre Heroin für viele, das Antidepressivum erster Wahl.
Nimmt man Heroin täglich, so braucht man mit der Zeit immer mehr und, wenn man körperlich abhängig ist, muss man l täglich Heroin nehmen. Bis man die ersten Entzugssymptome bekommt, vergehen oft Monate des täglichen Konsums. Gerade dies führt öfter dazu, dass man Heroin unterschätzt, denn zu meiner Zeit grassierten noch das Schlagwort: einmal H und du bist drauf. Nicht jeder, der Heroin probiert, wird abhängig. Doch das Suchtpotential, ist durch die stimmungsaufhellende Wirkung und die Schmerzunterdrückung, sehr hoch. Ich glaube, man braucht eine seelische Disposition, um abhängig zu werden. Ich kenne Menschen, die bei mehreren Gelegenheiten Heroin nahmen und von der Wirkung weder sonderlich beeindruckt waren, noch abhängig wurden. Man sollte es aber tunlichst unterlassen, auszuprobieren, zu welchem Typ man gehört.
In einer Gesellschaft, die ihren Bürgern rigoros vorschreibt, mit was sie sich berauschen dürfen und mit was nicht, hat der Kontakt mit illegalen Drogen zur Folge, dass man sich kriminalisiert, dass die Droge teuer und nie rein ist. Das kann bei Heroin zu gefährlichen Überdosierungen führen. Außerdem verhindert diese Stigmatisierung eine objektive Information, Aufklärung und Beratung, über die jeweilige Substanz. Dies hat bei mir dazu beigetragen, dass ich mir erst viel zu spät Hilfe geholt habe.
Mit 16 schnupfte ich erstmalig Heroin. Wenige Minuten nach der Einnahme war mir klar, alles, was ich durch Drogen gesucht hatte, hier war es. Umso vorsichtiger ging ich daher auch mit dem weißen oder meist graubraunen Pulver um. Zehn Jahre lang nahm ich nur alle zwei, drei Monate etwas. Dann entglitt mir die Kontrolle.
Die Zeit meiner Suchterkrankung kann ich rückwirkend in drei Abschnitte aufteilen. Die ersten fünf Jahre, der Weg in die Abhängigkeit waren gewissermaßen die „Lehrjahre“. Eine schmerzhafte Erfahrung, die leicht mit meinem Tod hätte enden können. Dies erzähle ich im ersten Teil. Dann folgten ab 1994 zwölf Jahre unter Substitution, mit Dealen, Beigebrauch, Inhaftierung, Alkohol. Ich nenne sie die „Gesellenjahre“. Ab 2008 gelang es mir recht zügig, mich von Alkohol und Tabak, von Drogen und allen negativen Begleiterscheinungen und Aktivitäten der Sucht zu befreien. Trotz Substitution lebe ich nüchterner, als viele Nichtabhängige.