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Claudia Gürtler
Faustdick hinter den Flügeln
himmlische Vorweihnachtstage
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Inhaltsverzeichnis
Dreißigster November
Es war ganz still in der Wohnung. Selbst das Surren des Kühlschranks und das Ticken der Küchenuhr waren leiser als sonst. Und während Maria auf ihre Mama wartete, die schon lange hätte von der Arbeit kommen sollen, wurden die Schatten im Zimmer immer länger. Bald füllten sie es ganz und gar aus. Mama hätte sich bestimmt gefürchtet. Sie malte sich immer alle möglichen Katastrophen aus. Darin war sie unmöglich, fand Maria. Sie selbst hatte keine Angst im dunkler werdenden Zimmer. Sie bedauerte nur, dass Mama ihr verboten hatte, Kerzen anzuzünden, wenn sie nicht da war. Natürlich hätte Maria Licht machen können, aber das war lange nicht so gemütlich wie der Schein von Kerzen.
Maria setzte sich ans Fenster und sah hinaus. Sie riss entzückt die Augen auf. Es hatte zu schneien begonnen. Der erste Schnee dieses Winters fiel lautlos, und im Schein der Straßenlaternen sahen die dicken Flocken aus wie kleine, tanzende Schneekobolde. Ach so, deshalb kam Mama so spät. Der Schnee hatte sie aufgehalten. Maria lachte leise, als sie sich vorstellte, wie Mama aufgeregt hereinstürzen und von schrecklichem Chaos auf den Strassen berichten würde.
Plötzlich klingelte es, und vor der Haustür hustete jemand. Maria hatte keine Schritte gehört. Sie hatte auch niemand kommen sehen. Es klingelte wieder, dringlicher diesmal. Eigentlich sollte Maria ja niemandem öffnen, wenn die Eltern nicht da waren. Immerhin konnten alle möglichen Katastrophen passieren. Aber Maria war nun mal schrecklich neugierig. Außerdem regte sich ein bisschen Trotz: sie musste doch auch ihren Spaß haben, wenn man sie schon so lange allein ließ.
Vor der Tür stand ein junger Mann. Er trug einen grau-rosa gestreiften, verwaschenen Pullover und durchnässte Turnschuhe. Auf seinem braunen Haar lag eine Kappe aus Schnee.
„Weihnachten steht vor der Tür!“ sagte der junge Mann leise. Er versuchte zu lächeln, aber seine Zähne schlugen aufeinander. Er schlotterte vor Kälte.
Maria lachte. „Wie Weihnachten siehst du aber nicht gerade aus“, meinte sie.
„Darf ich reinkommen?“ frage er drängend. Er legte den Kopf schief wie ein Hund, der um ein Stück Wurst bettelt und fügte hinzu: „Bitte!“
Diesem „Bitte“ konnte Maria nicht widerstehen. Sie nahm einen Grundsatz von Papa zu Hilfe, der besagte, man solle sich im Umgang mit Menschen stets auf sein Gefühl verlassen. Es würden schon keine Katastrophen passieren!
Der junge Mann ging die Treppe hinauf an all den Wohnungstüren der Nachbarn vorbei in die Wohnung von Marias Familie. Er durchquerte den Flur und trat in die Küche, als würde er den Weg kennen.
In der Küche setzte er sich auf einen Hocker und zerrte sich Schuhe und Strümpfe von den Füssen.
„Au, au, au!“ jammerte er und begann, Turnübungen mit den blaugefrorenen Zehen zu machen.
„Im Winter geht man nicht in Turnschuhen ins Freie“, kommentierte Maria altklug. Der junge Mann senkte den Kopf, sodass seine Nase fast seine kalten Füße berührte. Der Schnee auf seinem Haar hatte zu schmelzen begonnen. Eiswasser tropfte auf seine Hose. „Woher sollte ich denn das wissen?“ fragte er weinerlich. „Im Himmel hat man niemals kalte Füße, egal, was man trägt!“ Maria prustete los. „Also eines sag’ ich dir gleich: aus dem Märchenalter bin ich raus. Ich glaube nicht an den Weihnachtsmann und nicht an Engel und sonstiges heiliges Geflügel.“
Der junge Mann stand abrupt auf, machte eine förmliche Verbeugung und sagte: „Entschuldige, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich bin Hans Engel.“
Maria lachte, bis ihr der Bauch wehtat. Was für ein komischer Kauz dieser junge Mann doch war. Und wie witzig er war! Maria wünschte sich plötzlich, er würde eine Weile bleiben wie ein lieber Besuch.
Plötzlich hob Hans Engel den Kopf und fragte erwartungsvoll:
„Kannst du kochen?“ Und als Maria nicht gleich antwortete, drängte er: „Ich meine: kannst du heißes Wasser machen? Und habt ihr Himbeersirup und Zimt und Zitronen da?“
„Ich glaube