Tom Brook

Ziegelgold


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      Tom Brook

      Ziegelgold

      Das Geheimnis

      von Kleiborg

      Kriminalroman

      Imprint

       Ziegelgold – Das Geheimnis von Kleiborg

       Tom Brook

       published by:

      epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

      Auch als Printversion erhältlich: www.epubli.de

      Copyright: © 2011 Tom Brook

      [email protected]

      Umschlagkonzept: PHKgrafik

      Foto: „bricks“ Asperta Palma CC-by 3.0

       ISBN 978-3-8442-1517-5

      Prolog

      Es regnete in Strömen, als er mit hochgeschlagenem Mantelkragen fluchend über den verschlammten Hof zum Verwaltungsgebäude lief. Tagelanger Regen hatte den Boden hoffnungslos aufgeweicht. Missmutig schaute er nach oben. Der wolkenverhangene Mond ließ die Ziegelei in einem gespenstischen Licht erscheinen. Die Zeit drängte. Vor einer Stunde hatte er überraschend ein Telegramm seiner Dienststelle in Bremen erhalten, in dem ihm unmissverständlich erklärt wurde, dass er nun endlich verwertbare Ergebnisse abliefern müsse. Ansonsten werde er mit sofortiger Wirkung von dem Auftrag abgezogen, hieß es dort weiter. Er atmete tief durch. Es ging schließlich um eine Menge Geld und man hatte viel Vertrauen in ihn gesetzt. Wenn seine viel versprechende Karriere nicht frühzeitig zu Ende gehen sollte, dann musste dringend etwas passieren. Und zwar an diesem Abend noch. Wutentbrannt zerknüllte er das Telegramm in seiner Manteltasche.

      Seit über einem Jahr arbeitete er bereits in dieser gottverlassenen Einöde im äußersten Nordwesten des Reiches. So lange war er nun schon bei dem sturen Ziegeleibesitzer beschäftigt. Als kaufmännischer Leiter hatte er in dieser Zeit hart dafür gearbeitet, dass der ihm zumindest in beruflichen Dingen das nötigste Vertrauen schenkte. Privat ließ dieser Amsterdamer Dickschädel allerdings keinen Menschen an sich heran. Anscheinend vertraute er selbst seiner Frau und seinen Kindern nicht. Zornig stapfte er mit seinen polierten schwarzen Stiefeln durch den Schlamm. Wenn er gewusst hätte, wie mühsam und langwierig dieser Auftrag werden würde, hätte er dankend abgelehnt. Aber er war damals in der Hoffnung auf viel Geld von einem auf den ersten Blick einfachen Auftrag ausgegangen, der höchstens drei Monate dauern würde.

      Er sei der ideale Mann, schmeichelte ihm Schallberg im Sommer des vergangenen Jahres, als er ihn mit der Aufgabe betraute. Informanten der Dienststelle in Bremen gingen davon aus, dass der jüdische Ziegeleibesitzer ein beträchtliches Vermögen aus dem Verkauf seiner väterlichen Reederei besaß und mit dem Gedanken spielte, es ins Ausland zu bringen. Wenn es ihm gelänge, das Geld bei einer Schweizer Bank zu deponieren, könne man nicht mehr darauf zugreifen. Mehr Informationen hatte man ihm damals nicht gegeben. Er solle nur herausfinden, wo das Geld versteckt ist, den Rest würde dann die Dienststelle des Sicherheitsdienstes erledigen.

      Er hatte im Laufe des Jahres wirklich alles Menschenmögliche versucht, den Aufbewahrungsort des Vermögens ausfindig zu machen. Dafür hatte er nächtelang sämtliche Unterlagen der Ziegelei durch gearbeitet. Er hatte diesen sturen Holländer fast rund um die Uhr beobachtet, seine geschäftlichen und privaten Briefe gelesen und seine engsten Mitarbeiter ausgehorcht. Alle Bemühungen waren bislang ohne Erfolg gewesen. Nun war die Frist abgelaufen. Seinem Dienststellenleiter Schallberg saßen die Vorgesetzten aus Berlin im Nacken und forderten ihrerseits Erfolge in dieser verdeckten Aktion. Keiner wollte einen Misserfolg eingestehen. Die ganze Last ruhte jetzt auf ihm.

      Heute wollte er alles auf eine Karte setzen. Sein Auftrag war so oder so beendet. Entweder er entriss ihm heute endlich das Geheimnis um das versteckte Vermögen oder er musste zerknirscht seine Niederlage in Bremen eingestehen. Aber das wollte er auf gar keinen Fall.

      Er hatte für seinen heutigen finalen Auftritt extra seine graue Uniform angezogen und seine schwarzen Stiefel auf Hochglanz poliert. Die schwere Dienstwaffe steckte einsatzbereit in dem ledernen Holster. Er zog seine Mütze noch tiefer ins Gesicht, so dass die Augen kaum noch zu erkennen waren. Mit der Respekt einflößenden Uniform wollte er dem Ziegeleibesitzer seine Macht demonstrieren. Sie sollte dem Eigenbrödler deutlich machen, dass er es nicht nur mit ihm zu tun habe, sondern mit der mächtigsten Organisation der Welt. Genau so wollte er es machen. Er war sehr zufrieden mit seinem Plan.

      Als er den Hof der Ziegelei überquert hatte, öffnete er die schwere Eichentür des Verwaltungsgebäudes. Als Prokurist hatte er sämtliche Schlüssel für die Gebäude der Ziegelei. Er sah auf seine Laco-Uhr. Die Leuchtziffern zeigten, dass es kurz nach neun war. Die Angestellten hatten längst Feierabend. Nur der Chef arbeitete häufig bis in die späten Abendstunden. Er lief die breite, geschwungene Treppe ins Obergeschoss hoch, wo sich die Büros der leitenden Angestellten befanden. Die Schritte seiner schweren Lederstiefel hallten unheimlich durch das große Gebäude. Vor der doppelflügeligen Tür des Direktorenzimmers blieb er stehen. Durch das geschliffene Glas drang ein schwaches Licht. Er wischte seine Stiefel an einem Wandvorhang ab und prüfte noch einmal den tadellosen Sitz seiner Uniform. Dann ging er mit großen Schritten energisch und ohne anzuklopfen in das Büro seines Vorgesetzten.

      Eine Schreibtischlampe aus Messing erhellte das verlassene Büro nur spärlich. Hinter dem ledernen Schreibtischstuhl tickte eine wertvolle Wanduhr aus Bernstein. Daneben hing ein Plakat der Olympischen Spiele in Berlin mit einigen Original-Unterschriften. Der Kalender zeigte das Datum: 13. Oktober 1936.

      In der Luft lag noch der Geruch von Pfeifenrauch. Der Holländer konnte noch nicht vor all zu langer Zeit das Büro verlassen haben. Er entspannte sich ein wenig und sah sich um. Entschlossen ging er zum Schreibtisch des Direktors, riss sämtliche Schubladen auf und durchsuchte die Tagespost. Nichts deutete auf brauchbare Hinweise hin. Aufgebracht zog er sämtliche Akten aus den Regalen und untersuchte die Regale auf Geheimfächer. Nichts. Was sollte er morgen nur seinem Vorgesetzten berichten? Dass er auf der ganzen Linie versagt hatte? Die Dienststelle würde ihm nie wieder einen solchen Auftrag erteilen. Ein Scheitern seiner Mission kam also gar nicht in Frage. Unschlüssig sah er aus dem Fenster. „Was du jetzt brauchst, ist eine gute Idee“, murmelte er gedankenverloren vor sich hin. Die schwarzen Wolken hatten sich nun vollständig vor den Mond geschoben. Draußen war es stockfinster. Das benachbarte Kleiborg war in der Dunkelheit nicht zu erkennen. Zornig fegte er eine Kristallvase von der Fensterbank, die laut klirrend am Boden zersprang. Er wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als er in einiger Entfernung einen flackernden Lichtschein erkannte.

      Das Licht kam aus der Nähe der Trockenschuppen am Ende des Ziegeleigeländes. Er wusste nicht viel von der Herstellung von Ziegeln. Das war für ihn als leitenden kaufmännischen Angestellten auch nicht notwendig. Er wusste aber, dass die Ziegelsteine vor dem Brennen einige Wochen getrocknet werden mussten. Nach der Einlagerung konnte der Wind ungehindert durch die offene Holzkonstruktion wehen und entzog den Rohlingen die Feuchtigkeit. Normalerweise waren die Arbeiter nur zu Ein- oder Auslagerungsarbeiten in den Trockenschuppen beschäftigt. Mitten in der Nacht hatte dort eigentlich niemand etwas zu suchen, vor allem da die Schuppen kein elektrisches Licht hatten. Er rannte nach draußen über den Hof in die Richtung, aus der das Licht kam. Der Regen hatte endlich aufgehört. Als er die Schuppen erreichte, war nichts zu erkennen. Angespannt prüfte er die Schlösser. Bei Trockenschuppen 3 wurde er fündig. Das Vorhängeschloss war geöffnet.

      Er entsicherte seine Pistole und steckte sie langsam wieder ins Holster zurück. Dann ging er vorsichtig in den Schuppen. Seine Augen gewöhnten sich nur mühsam an die Dunkelheit. Die Rohlinge waren auf einfachen, fast endlosen Holzregalen aufgeschichtet. Langsam tastete er sich an den Regalen entlang. Die Luft roch erdig und war feucht-kalt. Da er sich gerade nicht auf seine Augen verlassen konnte, musste er notgedrungen auf sein Gehör vertrauen. Es war noch jemand in dem Schuppen, war er sich sicher. Und dieser Jemand müsste eigentlich Geräusche verursachen. Praktisch kam eigentlich nur