Anno Dazumal

Sturm auf Deutschland


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      Anno Dazumal

      Sturm auf Deutschland

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Die Attacken

       Das neue Leben

       Die Entdeckung

       Die Flucht

       Die Entführungen

       Das Ende

       Nachwort

       Impressum

       Die Attacken

      „Und?“ fragte die Mutter erwartungsvoll, als Wolfgang die Küche betrat. „Wieder nichts“, antwortete er und ging auf sein Zimmer. Er dachte gar nicht daran, seiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Nämlich, daß er überhaupt nicht beim Vorstellungsgespräch gewesen war, sondern sich statt dessen mit seinen Kumpels im Park getroffen hatte. Schon zu oft hatte man ihn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, ihm dann aber abgesagt. Er glaubte auch zu wissen warum. Wegen seiner Glatze. So unglaublich es klang: Wolfgang, ein überzeugter Nazi, hatte mit der Intoleranz vieler Leute zu kämpfen. Welche Firma konnte es sich schon leisten, einen Rechtsradikalen einzustellen? Was Wolfgang störte war die Tatsache, daß man ihn vorverurteilte. Sobald er ein Büro betrat, spürte er schon, daß man ihn nicht einstellen würde. Nun saß er in seinem Zimmer und hörte Musik. Natürlich deutsche Musik! Momentan lag die CD „Kampf“ der Gruppe „Heil“ im CD-Player. Begeistert sang Wolfgang beim Lied „Arierblut“ mit: „Arierblut, rein und gut, voll von Siegeswillen und Mut, sehen wir die ganze Ausländerbrut, packt uns sofort die kalte Wut.“ Plötzlich kam seine Mutter zur Tür herein. „Mach die Musik leiser!“ schrie sie. „Was?“ rief Wolfgang. Da zog sie einfach den Stecker heraus. „Spinnst Du!“ schimpfte Wolfgang. „Von der Firma Becker ist gerade ein Anruf gekommen. Die wollten wissen, warum Du nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen bist.“ Wolfgang erblaßte. „Ich hatte keine Lust“, erklärte er. Auf einmal flippte seine Mutter aus. „Keine Lust, keine Lust! Glaubst Du etwa mir macht es Spaß, den ganzen Tag den Dreck der Leute und der Hunde wegzuwischen? Aber irgendwie muß ich halt auch was verdienen, damit wir nicht unter den Brücken leben müssen. Und was machst Du? Treibst Dich den ganzen Tag mit Deinen Kumpanen herum, ziehst von einer Kneipe zur nächsten und schimpfst über die Ausländer und die Asozialen. Schau Dich doch mal an! Du gehörst auch zu ihnen!“ Wolfgang wurde wütend: „Nenn mich nicht einen Asozialen! Ich liebe mein Land! Außerdem werde ich Dir beweisen, daß ich auch Geld verdienen kann.“ Er stand auf und ging.

      „Na, wieder Ärger zuhause?“ erkundigte sich Alfred. „Wie immer“, murmelte Wolfgang. „Stellt Euch vor: Sagt meine Mutter doch tatsächlich, ich wäre asozial.“ „Sollen wir mal mit ihr reden?“ wollte Helmut wissen und zog sein Messer hervor. „Nein. Dazu ist es noch zu früh. Ich habe ihr versprochen, daß ich heute abend Geld nach Hause bringe.“ „Na dann, an die Arbeit!“ rief Berthold und erhob sich. Zwei Straßen weiter brach Karl einen Zigarettenautomaten auf, während die Anderen Schmiere standen. „Lungenkrebs sei Dank!“ entfuhr es ihm, als er das Geld zählte. 300 Mark! 100 bekam Wolfgang, um seine Mutter „ruhigzustellen“, der Rest ging in die „Reichskasse“. Man hätte dazu genauso gut Saufkasse sagen können, jedoch hörte sich „Reichskasse“ natürlich viel deutscher an. Dann ging es auf in das Frankfurter Nachtleben. Wenige Stunden später marschierte die ganze Truppe lallend den Main entlang. Erst gegen vier Uhr morgens kam Wolfgang nach Hause.

      „Wo hast Du das Geld her?“ fragte Wolfgangs Mutter, als ihr ihr Sohn lallend mit einem Hundertmarkschein entgegenkam. „Das hab ich mir verdient“, tönte jener. „Behalt es. Ich will Euer kriminelles Geld nicht“, entschied Frau Laschke. „Was heißt hier kriminelles Geld!“ empörte sich Wolfgang. „Hältst Du uns etwa für Verbrecher?“ „Wer für sein Geld nicht arbeitet, holt es sich mit krummen Touren“, stellte seine Mutter fest. „Na gut“, lallte der Junge, „dann kommt es halt in die Reichskasse.“ „Und Du kommst bald ins Gefängnis, wenn Du so weitermachst“, prophezeite seine Blutsverwandte. „Ha ha ha. Als ob die deutsche Polizei ihre besten Freunde einsperren würde!“ lachte Wolfgang.

      Sie waren eine Gruppe von neun Leuten. Alfred, der „Führer“, Helmut, Ernst, Wolfgang, Karl, Berthold, Hans, Steffi und Anke. Gemeinsam lungerten sie in der Stadtmitte Frankfurts herum, wo sie Ausländer beschimpften, Bier soffen, Passanten anpöbelten und rechte Lieder und Parolen von sich hören ließen. Geld besorgten sie sich durch „Automaten öffnen“, Überfälle, Einbrüche und Diebstähle. Gerade, als sie wieder in bester nationalistischer Laune waren, kam ein dunkelhäutiger Mann vorbei. „Hey Neger husch, husch, husch - verschwinde in den Busch! Wir hassen Polen, Tschechen, Neger - und langhaarige Bombenleger!“ riefen sie, wobei einige Leute stehenblieben und die Schreihälse betrachteten. „Was glotzt Ihr denn so blöd!“ provozierte Alfred. „Noch nie Deutsche gesehen?“ Einige alte Männer gesellten sich zu ihnen. „Recht habt Ihr“, lobte einer. „Dieses Ausländerpack muß raus aus Deutschland.“ „Du sagst es, Kumpel“, stimmte Alfred zu und gab dem „Glaubensbruder“ eine Dose Bier. Danach tranken die Beiden Brüderschaft. „In meinem Haus leben verdammt viele Kanacken. Wird Zeit, daß die verschwinden“, erzählte der alte Mann. Alfred überlegte: „Da ließe sich vielleicht etwas machen. Wo wohnst Du?“ „In der Arolserstraße“, antwortete Johann Simbeck. „Wir schauen in den nächsten Tagen mal vorbei“, erklärte Alfred bereitwillig. „Du, Opa! Wie war das eigentlich im Zweiten Weltkrieg?“ wollte Berthold wissen. Simbeck begann: „Am Anfang gehorchten alle dem Führer. Es war herrlich. Wir überrollten unsere Feinde. Die deutsche Armee war zweifellos die stärkste Armee auf der ganzen Welt. Aber mit der Zeit schlichen sich Verräter bei uns ein. Sie spionierten uns aus und verrieten unsere Geheimnisse dem Feind. Hätte ich damals einen von ihnen in die Finger bekommen, ich sage Euch, der hätte kein Wort mehr gesagt. Dann kam der schreckliche russische Winter. Nur deswegen haben wir den Krieg verloren. Die Russen waren diese Schweinekälte gewohnt, weil sie ja auch Schweine waren. Wir dagegen hatten große Probleme. Nach Stalingrad war es um uns geschehen. Nach und nach ergaben sich unsere Verbündeten und als dann die Franzosen, Engländer, Russen und Amerikaner unser Deutschland besetzten, war es auch für uns zu spät. Zwar haben wir nie aufgegeben, aber die Zahl der Feinde war am Ende viel zu groß.“ Plötzlich verschwand Simbeck. „Wo will denn der auf einmal hin?“ wunderte sich Karl. Wenige Sekunden später kannten sie den Grund für Simbecks Verschwinden. Zehn dunkelhäutige Männer kamen auf sie zu. Ehrfurchtsvoll und ängstlich wichen ihnen die Passanten aus. „Da schau her! Wird das hier eine Negerversammlung? Der Busch ist doch in Afrika!“ verkündete Alfred provozierend.

      Entschlossen stellten sich die Angesprochenen vor die Nazi-Bande. „Habt Ihr irgendwelche Probleme?“ fragte der Stärkste von ihnen. Zunächst wollte Alfred „Ja, Euch“ antworten, doch als er die muskulösen, angespannten Männer betrachtete, zog er es vor, mit „Nein“ zu antworten. „Na, dann ist ja gut. Also, laßt unsere Leute in Zukunft in Frieden, wenn Ihr nicht haben wollt Ärger! Klar?“ Wieder siegte Alfreds Feigheit. „Klar“, antwortete er. Wie Hunde mit eingezogenen Schwänzen saßen die neun Rechtsradikalen da. Kleine Terrier, die erst laut gekläfft hatten, dann aber die Schnauze hielten, als lauter Schäferhunde vor ihnen standen. In der Gruppe fühlten sie sich stark. Jedoch nur, wenn es gegen Einzelne ging. Niemand traute sich etwas sagen, bis die Schwarzen wieder verschwunden waren. Plötzlich tauchte auch Simbeck wieder auf. „He Alter, hast Du Schiß vor den Stinkern?“