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Tobias Fischer
Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 4
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Inhaltsverzeichnis
Eine Diebin in der Nacht
Die Schatzkammer der Ramers füllte nahezu den gesamten Ostflügel des Palastes aus. Diamanten, seltene Münzen, antike Becher, Vasen und Waffen ruhten in Hunderten gläserner Vitrinen, angestrahlt von kleinen Scheinwerfern. Eine solche Fülle an Kostbarkeiten hatte Tom noch nie in seinem Leben gesehen. Vor Staunen stand ihm der Mund offen.
»Alles, was die Könige Talassairs irgendwann geschenkt bekamen oder kauften, ist hier ausgestellt. Da drüben findet Ihr die Diademe von Königin Mary, der Frau von König Spencer. Es sind an die dreihundert Stück, zu jedem festlichen Anlass ein neues. Sie sind alle aus den edelsten Metallen gefertigt. Was sie besonders wertvoll macht: Es handelt sich um zwergisches Meisterhandwerk. Solche Kostbarkeiten findet man sonst nirgendwo in Elderwelt – und in Fernwelt schon gar nicht«, erklärte Farin voller Stolz.
König Floyd nahm von den Schätzen seiner Vorfahren keinerlei Notiz. Fast gelangweilt stand er zwischen den Vitrinen und winkte ab, wenn sein Auge doch einmal auf ein glitzerndes Schmuckstück fiel. »Lauter alter Krempel. Hey, Tamara, ich schenke Ihnen die ganzen Diademe meiner Urgroßmutter. Die würden Ihnen sehr gut stehen«, meinte er, begeistert ob seines neuen Einfalls.
Tamara ignorierte ihn einfach. Tom fiel auf, wie Farin bei den Worten seines Lehnsherrn zusammenzuckte und missbilligend den Kopf schüttelte.
Veyron flitzte derweil von einer Vitrine zur anderen. Zuletzt gab er ein frustriertes Stöhnen von sich. »Wir werden Stunden brauchen, um den Niarnin hier zu finden. Farin, löschen Sie die Lichter! Wenn die Beschreibung des Edelsteins korrekt ist, dann müsste er als Einziger im Dunkeln leuchten«, rief er.
Farin protestierte. Wenn er die Lichter abschalte, dann würde auch das Alarmsystem ausgehen. Das sei alles aneinandergekoppelt.
Aber Floyd machte einen königlichen Befehl daraus. »Mach die Lichter aus, Farin, sofort! Dein Souverän befiehlt es!«
Farin strafte seinen König mit einem weiteren, missbilligenden Blick, dann ging er auf Zwergisch murmelnd hinüber zu einer Wand und öffnete eine Tür (sie war Tom gar nicht aufgefallen, so perfekt war sie in die Wand eingebettet). Dahinter lag ein großer Sicherungskasten. Farin legte einen großen, roten Schalter um. Auf einen Schlag erloschen alle Lichter. Es war jetzt nahezu vollständig dunkel im Palast, nur das Sternenlicht fiel durch die großen Fenster.
Doch da war noch eine weitere Lichtquelle in der Schatzkammer.
Als hätte jemand ein kleines Feuer angezündet, glühte etwas inmitten des Raumes. Eilig näherten sie sich der entsprechenden Vitrine. Tom hörte Floyd vor Schmerzen aufschreien. Der König hatte sich an einer Kante gestoßen und verfluchte das ganze Gerümpel hier drin. »Ich lass hier unverzüglich alles rausschmeißen und unter das Volk verteilen!«, schimpfte Floyd.
Tom musste kichern. Geschieht ihm ganz recht, dachte er.
Endlich erreichten sie die Vitrine. Sie war klein, unscheinbar im Vergleich zu den vielen anderen. Eine alte, rostige Drahtschere, ein nicht minder rostiges Bajonett, ein zerfledderter Notizblock und ein Klappmesser lagen darin. Alle Gegenstände waren im Kreis um einen Edelstein angeordnet, faustgroß und kantig. Er glühte wie eine Flamme, glutrot und leicht flackernd. Sein warmes Licht strahlte in ihre Gesichter.
»Das Juwel des Feuers«, flüsterte Tom ehrfürchtig.
Er bemerkte das Staunen in den Augen der anderen. Sogar Floyd war sprachlos. Tom berührte vorsichtig das Vitrinenglas. Es war warm und vibrierte leicht. Zweifellos war dieser Zauberstein dafür verantwortlich. Eine gewaltige Macht musste in ihm stecken.
»Der Niarnin, der letzte Nuyenin-Stein. Als Gurzark ihn aus dem Grab Berenions stahl, muss er seinen Wert erkannt haben. Er hat ihn mit Absicht aus Elderwelt fortschaffen lassen. Dort, in jenen Stollen unter der einsamen Hütte im Sumpf, wähnte er ihn in Sicherheit vor jedem Zugriff. Durch Zufall – oder Vorsehung – fiel er den Fünfzehn in die Hände. Anders als Gurzark erkannten sie seine Macht nicht und hielten ihn schlicht für einen außergewöhnlichen Edelstein. Darum haben ihn die Abenteurer auch so leichtfertig an Julian Ramer verschenkt. Dieser hielt ihn zunächst ebenfalls lediglich für ungewöhnlich und sperrte ihn weg. Ihm war wohl Zeit seines Lebens nicht bewusst, dass das Juwel aus Elderwelt kam und zu den mächtigsten Zaubersteinen der Welt gehörte. Es wurde zu einem Familienerbstück, zu einem schönen, leuchtenden Edelstein, der in der Masse der Kostbarkeiten jedoch kaum Beachtung fand. Hier haben wir es nun, das Juwel des Feuers«, schlussfolgerte Veyron.
Floyd schnippte mit den Fingern, das selbstgefällige Lächeln war ihm vergangen. Farin trat erwartungsvoll an die Seite seines Königs.
»Farin, lass den Stein sofort in den Palast Nummer Vierzehn bringen und streng bewachen. Ich will den Nuyenin-Stein Tag und Nacht in meiner Nähe wissen, niemand darf ihn berühren oder ansehen. Lass ihn sofort verhüllen und fortschaffen«, befahl der König ungewöhnlich streng.
Farin verbeugte sich unterwürfig und eilte dann nach draußen.
Veyron schüttelte unzufrieden den Kopf. »Das wird Nemesis nicht davon abhalten, weiter hinter dem Stein her zu sein. So sehr Sie sich auch anstrengen mögen, er ist hier auf Talassair nicht sicher. Nemesis weiß, wo er den Stein finden kann. Er wird kommen und ihn sich holen«, warnte er.
Floyd setzte gerade zum Widerspruch an, als es hoch über ihnen plötzlich knallte und klirrte. Alle blickten erschrocken auf. Eines der großen Fenster war zerbrochen, und eine menschliche Gestalt stand hoch über ihnen.
Tom erkannte sie zuerst. »Es ist Jessica! Es ist die Vampirin!«, schrie er.
Als hätte er damit das Kommando gegeben, sprang Jessica nach unten. Tamara packte Tom und riss ihn zurück. Die Vampirin landete in ihrer schwarzen Lederkluft genau auf der Vitrine. Glassplitter flogen wie Geschosse durch die Luft, der Tisch brach zusammen. Veyron und Floyd hechten im letzten Moment zur Seite. Jessica erhob sich im gleichen Augenblick, den Niarnin zwischen ihren behandschuhten Fingern. Sie bestaunte das leuchtende Juwel für einen kurzen Moment, dann steckte sie es in den Ausschnitt ihres Anzugs. Sie machte den Reißverschluss zu, und mit einem einzigen, gewaltigen Satz war sie außer Reichweite. Tamara sprang auf und setzte über eine andere Vitrine hinweg, um sie anzugreifen. Jessica rannte in die Schatzkammer davon, schnell wie eine Pistolenkugel. Tom sah sie in der Dunkelheit geschickt wie ein Eichhörnchen die Mauer hochklettern. Noch ehe er die anderen warnen konnte, war sie schon wieder oben am zerbrochenen Fenster und hüpfte nach draußen.
Das Licht in der Schatzkammer ging wieder an. Tom war für einen Moment geblendet. Er entdeckte Veyron beim Sicherungskasten. »Schnell nach draußen, vielleicht können wir sie noch einholen«, rief sein Pate und rannte los, dicht gefolgt von Tamara.
Tom war noch immer ein wenig verwirrt und schockiert.