Helge Hanerth

Alkohol und MPU


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      Helge Hanerth

      Alkohol und MPU

      Die große Versuchung und ihre Konsequenzen im Kuckucksnest der psychologischen Begutachtung

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Ein Rat vorweg

       Vorwort

       MPU – Der vierte Versuch

       Impressum neobooks

      Ein Rat vorweg

      Prüfe dein Leben/ wie schon Sokrates es tat/ Nutze Kopf und Bauch die Erfahrungen deines Lebens kritisch zu sehen für verlässliche Schlussfolgerungen/ Baue aus geprüfter Erkenntnis das Gerüst deiner Überzeugungen/ Da wo dein Handeln zur Maxime gewachsener Überzeugungen wird/ erlebst du Schönheit im Tun/ Dann wird dich auch die kleinste Kleinigkeit berühren/ und jede Wahrheit stiftende Erkenntnis/ deine innere Einheit mit allen Aspekten von Natur und Umwelt vertiefen./ Mehre ihren Nutzen so/ dass selbst aus notwendiger, unumgänglicher Arbeit/ eine lebensspendende Kraft dich nährt.

      frei nach Sokrates, Immanuel Kant u.a.

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      Der Mensch ist kein Gefangener seines Schicksals, sondern nur ein Gefangener seines eigenen Geistes

      Franklin D. Roosevelt

      Vorwort

      Nüchtern ist mir mein Leben am liebsten. Nie würde ich auf die Idee kommen eine Aktivität mit Alkohol zu verbessern oder zu <pimpen>. Ich liebe meine Arbeit und meine Hobbys viel zu sehr und will sie pur genießen. Nur dann erlebe ich Details und Zwischentöne. In der Tiefe solcher Erlebnisse liegt die Ursache für Nachhaltigkeit und angenehme Erinnerungen. In solchen Situationen tötet Alkohol jedes Feingefühl.

      Alkohol kam mir nur in den Sinn, wenn der Tag gelaufen war. Wenn nichts mehr ging und das Bett schon rief. Nur dann konnte Alkohol ein akzeptabler Tagesabschluss sein. So ordnete Alkohol den Tag. Aber selbst diese Erfahrung habe ich erst nach Jahrzehnten gemacht. Und sie war auch nicht von Dauer. Dem Alkohol fehlten einfach ein paar Eigenschaften, um sich gegen tiefergreifende Leidenschaften dauerhaft durchsetzen zu können.

      Die neuen Feierabende mit Alkohol habe ich genossen. Sie wurden schnell zur Gewohnheit. Fernsehen und Alkohol schafften eine neue Bequemlichkeit, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Besondere Erinnerungen hinterließen diese Abende nicht. Wichtiger war die ganze Zeit die Aussicht auf mehr aktives Erleben, wenn es denn wieder passt. Ich war vorübergehend sehr zufrieden auf meiner wohligen Fernsehcoutsch, ruhiggestellt mit Träumen von einer nicht fernen und spannenderen Wirklichkeit.

      So trank ich für mehrere Monate. Es bereicherte die Abende während meine Frau schwanger war und sehr zeitig zu Bett ging. Dass Alkohol weit davon entfernt war, die bestimmende Komponente in meinem Leben zu werden, mochten mehrere Psychologen, die mich untersucht haben, nicht glauben. Was an mir und meinem Trinkverhalten so besorgniserregend war, wollten sie nicht genau sagen, aber sie unterstellten mir Lügen. Meine Trinkdauer und die Trinkmengen korrespondierten mit Statistiken, die sie zu Annahmen veranlassten mir die Fahrtauglichkeit abzusprechen. Alkohol als Lebensabschnittspartner war in ihren Augen unmöglich. Das Craving (Alkoholprägung) nach monatelangen, allabendlichen Genuss, musste nach ihrer Meinung zu einem Trinkdruck geführt haben, dem zu widerstehen sie mir nicht zutrauten. Sie nahmen sogar an, dass ich immer schon getrunken haben musste, wahrscheinlich über Jahrzehnte. Das stimmte aber total nicht und war angesichts meiner beruflichen- und sportlichen Aktivitäten auch gar nicht möglich.

      Ich war enttäuscht, dass man mich auf ein statistisches Niveau stutzte, das mit meiner Lebensrealität überhaupt nicht zusammenpasste. Die relativen Aussagen von Statistiken wurden zum absoluten Maßstab erklärt. Man erwartete, dass ich ihre Annahmen bestätigte. Darüber hinaus interessierte man sich nur für Maßnahmen, die ich ergriffen hatte, um aus dem tiefen Loch des Alkoholismus herauszukommen, in dem ich mich nie sah. Es war doch alles ganz lustig.

      Trauriger Höhepunkt gutachterlicher Selbstsicherheit war, das man das Aktenstudium schon mal vernachlässigte. So war sich ein Gutachter gewohnheitsmäßig sicher, dass der Anlass für den vierten MPU-Termin eine Trunkenheitsfahrt war, obwohl es die gar nicht gab. Es lag lediglich ein Verstoß gegen die Abstinenzpflicht vor.

      Ich war schockiert, wie man Fakten ignorierte, wenn sie nicht die Überzeugungen der Experten und ihre Statistiken stützten. So entstanden einige systematische Fehler in ihren Folgerungen, die durch und durch falsch waren und den Prinzipien einer empirischen Vorgehensweise krass widersprachen. Vorsichtige Kritik wurde mir schnell als Unschuldsfantasie oder Widerstandstendenz ausgelegt. So kreierten sie manchmal ein surreales Kuckucksnest in dem ihr Gespür und ihre Bauchgefühle regierten. Assoziationen ohne rationalen Bezug dienten der Bestätigung von Überzeugungen. Wenn dem etwas widersprach, dann war das nicht relevant. Ihre Rechtfertigungen blieben diffus, denn sie suchten nur die Plausibilität, die sie vorgaben. Sie wussten, die Beweislast lag bei mir.

      Damit konnte ich mich nicht abfinden, weder als Betroffener noch als Wissenschaftler. Offizieller Unsinn muss öffentlich gemacht werden, wenn die Abweichung amtlicher Feststellungen von der Realität schwerwiegend wird. Gutachterliche Qualität mit wissenschaftlichen Methoden muss eine größere und vor allem reproduzierbare Qualität haben. Sie muss unabhängig und frei von Gesinnung sein. Dafür ist die Tragweite verbindlicher Entscheidungen zu weitreichend. Ich hoffe meine Erlebnisse können das deutlich machen.

      Ich habe mich auch gefragt, warum es mir so leicht fiel, vom Alkohol zu lassen. Die Gründe waren vielfältig und haben einen Schwerpunkt in meiner Pubertät und Adoleszenz. Für die Gutachter waren Verhaltensprägungen neben dem Craving durch Alkohol überhaupt nicht untersuchungswürdig. Sie sahen nur vordergründige Wechselwirkungen ohne sie in einen ursächlichen Kontext zu bringen. Sie ließen sich leiten von einem statistischen Standardalkoholiker, dessen Modell universell eingesetzt wurde. Differenzierende Zwischentöne waren unerwünscht. Beeindrucken konnte mich ihre kategorische Ablehnung bald nicht mehr, dafür hatten sie die Wahrheit zu sehr verdreht.

      Die Antworten, die ich fand für meine Art mit Alkohol umzugehen, breite ich in dem Buch, das ich gerade vorbereite, weit aus. Ich will mich rechtfertigen gegen alkoholische Eindimensionalität auf beiden Seiten. Es geht bei den gutachterlichen Feststellungen ja nicht nur um Überzeugungen, sondern um amtliche Feststellungen mit dem Status von Beweiskraft. Solche Urteile sind rechtsverbindlich. Ich befürchte, dass Fundament für einen solchen Anspruch muss erst noch gebaut werden.

      Darüber hinaus glaube ich nicht, dass mein Umgang mit Alkohol außergewöhnlich ist. Andere können das auch. Wieder andere können das lernen. Ich hatte doch erst mit mitte vierzig mit dem Trinken angefangen, als ich auf eine sehr verbreitete Trinkkultur stieß. Ich kopierte doch nur das Verhalten von Arbeitskollegen, die das immer schon so machten. Diese Kollegen, die ihre Feierabende ganz unauffällig mit Alkohol vor dem Fernseher zelebrierten, gibt es doch in tausenden anderen Firmen im ganzen Land. Nicht jedem von ihnen droht zwangsläufig Jobverlust und sozialer Abstieg. Viele Feierabendalkoholiker richten es sich bis zur Rente und darüber hinaus ganz gemütlich ein ohne das Alkohol den ganzen Tag bestimmt.

      Mein Wissen über das schöne Leben mit Alkohol teile ich gern. Nachteile und Einschränkungen gab es keine. Das war ein rundum gelungener Lebensabschnitt. Auf Dauer interessanter blieben aber aktive Kicks.

      Echte