Astrid Schilcher

Wer fürchtet sich vorm Sensenmann?


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      Astrid Schilcher

      Wer fürchtet sich vorm Sensenmann?

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Death Inc.

       Unterbrochene Bürogedanken

       Wieder aufgenommene Bürogedanken

       Väterchen Zeit

       Tagewerk

       Dreadlock-Girl

       Suche

       Treffen

       Planschmiede

       Ein Kardinal in Sünde

       Assessment

       Kira

       Acht Jahre später

       Spielchen

       Konfrontation

       Dicke Luft

       Philosophische Gedanken

       Versöhnung

       Selbstzweifel

       Forderungen

       Konsequenzen

       Rat von Väterchen Zeit

       Komplizen

       Routine

       Hoher Besuch

       Heiße Diskussion

       Ein Jahr danach

       Alte Antagonisten

       Impressum neobooks

      Death Inc.

       40,000 men and women every day,Like Romeo and Juliet (…)

       (Don’t Fear the Reaper – Blue Öyster Cult)

      Vierzigtausend täglich? Schön wär’s! Längst vergangen sind die guten alten Zeiten, als ich meine Quote in Handarbeit mit der Sense erfüllen konnte. Derzeit stehen wir bei hundertfünfzigtausend und meine beiden Chefs schrauben die Vorgaben jährlich nach oben. Wachstum, Schmieröl der Wirtschaft und Nasstraum von Shareholdern. Auch Death Inc. hat seine Seele an das quantitative Wachstumsparadigma verhökert und ignoriert stur ökologische und soziale Grenzen. Ich, als operativer Geschäftsführer, bin genötigt, mich diesen Zwängen zu beugen. Glaubt mir, ich liebäugle fast täglich mit der Kündigung, aber außer auf einer Handvoll Almen und Steilflächen sind meine Fähigkeiten nicht mehr gefragt. Miserable Jobaussichten.

      In zehn Minuten steht das Planungs-Meeting mit meinen beiden Vorständen an. Mit Grauen harre ich der Ziele für die nächste Periode. Seit Jahren achte ich penibel darauf, meine Quote um keine Seele überzuerfüllen, eine Punktlandung hinzulegen. Genützt hat es mir bis dato ebenso wenig, wie die mittlerweile in Flehen ausgearteten Beteuerungen, dass weiteres Wachstum mit meinen Ressourcen nicht zu schaffen sei. „Lass dir was einfallen“, heißt es dann lapidar, „oder willst du unseren Großen Venture Capitalist vergrämen?“

      Als ich den prunktrunkenen Besprechungsraum betrete, ist die Luft wieder einmal so dick, dass man sie in Schachteln packen und hinaustragen könnte. Anstatt der Interessen von Death Inc. verfolgen die Erzengel Luzifer und Michael ihre persönlichen Agenden, buhlen um Geldmittel für ihre Vorstandsressorts und die Gunst des Großen Venture Capitalists. Die Wurzeln ihrer wechselseitigen Aversion wuchern in uralten Geschichten. Michael hat sich das prestigeträchtigere, lichtdurchflutete Büro erschleimt. Luzifer hat zurückgeschlagen und durchgeboxt, dass der Morgenstern im Lateinischen seinen Namen trägt. Meine Wenigkeit wird zwischen ihren Eitelkeiten und Machtkämpfen zerrieben wie Getreide zwischen zwei Mühlsteinen.

      Ich nicke den beiden kurz zu und lasse mich in den ledergepolsterten Sessel fallen. Vor mir liegt ein schätzungsweise hundertfünfzig Seiten dickes Konvolut mit dem Titel Mittelfristige Strategie und Ziele. Von einer dunklen Vorahnung erfüllt überfliege ich das Kapitel Quantitative Ziele. Was dort zu lesen ist lässt eine Karriere als Almsenner in goldiger Verheißung erstrahlen:

      Weitere, konsequente Verfolgung des eingeschlagenen Wachstumspfades … elf Prozent im kommenden Jahr … sukzessive Anhebung auf fünfzehn Prozent über die kommenden zehn Jahre … Einfrieren der Betriebskosten (damit ist meine Kostenstelle gemeint) auf dem aktuellen Niveau …

      „Ich sehe, du hast dich schon in medias res begeben. Bitte, entzücke uns mit deinen Einfällen, wie du die Ziele zu erreichen gedenkst.“ Michael war schon immer der Gnadenlosere von den beiden. Tuberkulose, Viren-Epidemien, ISIS, mexikanische Drogenkartelle, schön langsam gehen mir die Ideen aus. Ich bin kein Mann großer Worte. Meine Stimme klingt heiser und in meiner täglichen Arbeit ist die Geste des abwechselnd aus der Faust heraus gestreckten und wieder gekrümmten Zeigefingers völlig ausreichend. Aber mit einer Handbewegung ist es hier nicht getan. Ich nehme einen Schluck Wasser aus dem schweren Kristallglas und räuspere mich.

      „So kurzfristig ist das nicht machbar. Wir haben uns doch im vergangenen Jahr auf eine nachhaltige, zukunftsorientierte Strategie geeinigt.“

      „Das war letztes Jahr. Shareholder Value maximieren lautet das Gebot der Stunde. Und natürlich unsere Boni.“ Michaels süffisantes Grinsen lässt in mir eine siedende Wut emporsteigen, deren Dampf in einem Zischen durch meine gefletschten Zähne entweicht. Das ist ihm Warnung genug, einen Gang zurückzuschalten.

      „Hör