Karl May

Im Lande des Mahdi III


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arl May

      IM LANDE DES MAHDI III

      Erstes Kapitel: Aufgehängt

      Unser nächstes Ziel war, wie bereits erwähnt, der Maijeh Semkat, zu deutsch der Maijeh der Fische. Dieser Name sagte uns, daß wir dort auf reichliche Fleischnahrung rechnen konnten. Drei Tage brauchten wir bis dorthin. Dann mußten wir das Schiff verlassen und den Landweg antreten. Aber wie? Marschieren? Durch diese sumpfige Gegend! Das wäre eine böse Anstrengung gewesen, bei welcher wir nur höchst langsam vorwärts gekommen wären. Also reiten? Ja; aber auf was für Tieren? Pferde und Kamele giebt es in diesen Regionen nicht; sie sind vollständig unnütz und gehen überhaupt sehr schnell zu Grunde. Man bedient sich dort eines Reittieres, welches freilich nicht so edel wie das arabische Roß und nicht so oft besungen wie das »Schiff der Wüste« ist, nämlich des Ochsen.

      Diese Tiere gedeihen am sümpfereichen Obernile ganz vortrefflich. Sie sind stark, schnell, gelehrig und dabei recht gutmütig. Die Reitochsen scheinen sich durch Zucht herausgebildet zu haben und eine Rasse für sich zu sein. Natürlich werden sie auch zum Tragen von Lasten verwendet.

      Konnten wir solche Tiere bekommen, so hatte die Berechnung der Zeit ein sehr günstiges Resultat für uns. Ibn Asl wollte im ganzen zwanzig Tage brauchen; er war erst fünf fort und gelangte also wahrscheinlich nach fünfzehn Tagen an sein Ziel. Wir aber konnten in neun Tagen Wagunda erreichen, und so bekamen wir einen Vorsprung von sechs Tagen, welcher mehr als ausreichte, ihm dort den von uns beabsichtigten Empfang zu bereiten. Nur fragte es sich, woher für uns alle Reit- und für unser Gepäck Lastochsen bekommen. Wir mußten sie uns eben in der Gegend unseres nächsten Zieles, des Maijeh Semkat, suchen.

      Da oben wohnen die Bor, welche ungefähr zehntausend Köpfe zählen, die vierzig Dörfer bewohnen und sehr große Rinderherden besitzen. Glücklicherweise sind diese Bor ein Zweig des großen Dinka-Volkes, und da es die Rettung der ihnen stammverwandten Gohk galt, so glaubten wir, bei ihnen die notwendige Unterstützung zu finden.

      Dabei handelte es sich auch um die Zeit. Wir wollten nicht gern einen Tag versäumen und mochten also die Unterhandlung mit diesen Leuten nicht bis zur Ankunft unseres Schiffes aufschieben. Darum wurde beschlossen, das große Boot vorauszusenden, welches acht Ruderer und einen Steuerer mit den notwendigen Mundvorräten faßte. Acht Ruderer gaben demselben eine weit größere Geschwindigkeit als der »Falke« selbst beim allerbesten Winde entwickeln konnte. Ich sollte die Leitung übernehmen und erhielt vom Emir die Vollmacht, ganz nach Gutdünken mit den Schwarzen zu verhandeln. Als Ruderer wurden acht der kräftigsten Männer ausgewählt, unter denen sich der Dinka Agadi befand, der den Dolmetscher zu machen hatte, weil keiner von uns der Dinkasprache ganz mächtig war. Daß wir alle auch wohlbewaffnet waren, versteht sich ganz von selbst. Einige der Asaker wollten wissen, daß der Maijeh Semkat von Nilpferden wimmele und an seinen Ufern ganze Herden Elefanten zu finden seien. Das ließ mich ein interessantes Jagdvergnügen erhoffen.

      Dieser Plan wurde kurz nach unserer Abfahrt von der zerstörten Seribah besprochen und auch sofort ausgeführt. Wenige Zeit später waren wir neun Männer dem »Falken« schon sehr weit voran.

      Die Ufer des Flusses waren während unserer ganzen Bootsfahrt dicht bewaldet; auf dem Wasser gab es oft und reichlich Schilf, was uns aber nicht aufhielt, da wir überall leicht durchkamen. Um die Kräfte meiner Leute zu schonen, ließ ich abwechselnd vier und vier rudern; ich selbst saß am Steuer. Selbstverständlich führten wir auch ein Segel, um uns die Gunst des Luftstromes nutzbar zu machen.

      Am Abende legten wir an, um den Aufgang des Mondes zu erwarten und dann weiter zu fahren. Ich mußte wenigstens eine kurze Zeit schlafen, da ich während der ganzen letzten Nacht kein Auge geschlossen hatte. Agadi befand sich in derselben Lage. Die andern aber hatten auf dem Schiffe ihre volle Ruhe gehabt. Ein Feuer schützte uns gegen die Stechfliegen, welche hier höchst lästig werden. Die Breite, in welcher wir uns befanden, gehört schon dem Gebiete der mit vollem Rechte berüchtigten Baudah an.

      Der Nordländer hat nicht die geringste Idee von der Höhe, welche die Insektenplage dort erreicht. Unsere Stubenfliege, ja unsere so zudringliche Wasserschnake sind Engel gegen die höllischen Kreaturen, welche dort in Insektengestalt die andern Geschöpfe peinigen. Der Neger brennt große Haufen von Holz, Mist und nassem Stroh an, um seine Herde bei denselben lagern zu lassen. Er selbst gräbt sich bis an das Kinn in die heiße, stinkende Asche ein, um die Mücken und Fliegen von seinem Körper abzuhalten. Die greulichen Puppiparen (Lausfliegler) bedecken die Rinder und Schafe oft in solcher Menge, daß die Haut gar nicht zu sehen ist. Einer solchen tage-, wochen- und monatelang fortgesetzten Plage muß das stärkste Rind erliegen. Darum ist selbst der letzte Matrose mit einer Namusiah (Mückennetz) versehen, und auf den Sklavenzügen hüllt sich der ärmste Askari in sein Netz, während freilich die bedauernswerten Schwarzen der entsetzlichen Plage vollständig preisgegeben sind.

      Als der Mond über dem Walde stand, wurde ich geweckt, und es ging weiter. Der Schnabel des Bootes war mit einer Lehmdecke versehen, auf welchem wir ein Feuer brannten. Dieses schützte uns gegen die Fliegen und gewährte uns zugleich den Vorteil, Fische stechen und daran braten zu können. Der Rohl ist an Fischen sehr reich. Besonders reichlich wurde eine kleinere Welsart, welche sehr wohl schmeckt, gefangen.

      Wir ruderten die ganze Nacht durch. Als am Morgen der Wind erwachte, wurde das Segel gerichtet und einem übergeben, während die andern sich, soweit es gehen wollte, in dem Boote niederlegten, um ein wenig zu schlafen. Dann wurde wieder gerudert, zur heißesten Mittagszeit abermals nur gesegelt, später wieder zu den Rudern gegriffen und dabei eine so bedeutende Strecke zurückgelegt, daß ich nach meiner Karte die Nähe des gesuchten Maijeh Semkat vermuten mußte. Einer der begnadigten Asaker Ibn Asls war bereits einmal dagewesen und hatte mir gesagt, daß der Eingang zum Maijeh gar nicht verfehlt werden könne, weil kurz vorher der gewöhnliche Baumschlag aufhöre und von einem sehr ansehnlichen Delebwalde abgelöst werde.

      Die Delebpalme ist neben der Dattelpalme die schönste Palme Nordostafrikas. Sie hat einen hohen, schlanken Stamm, welcher in der Mitte bauchig anschwillt und dann allmählich wieder dünner wird. Er erinnert dadurch an die Säulen mancher altägyptischer Bauwerke. Die dichte Krone besteht aus vielen dunkelgrünen Blattwedeln, welche denen der Dompalme sehr ähnlich sind. Die Früchte besitzen in reifem Zustande eine pomeranzengelbe Farbe und erreichen die Größe eines Kinderkopfes. Das Holz wird vorzugsweise zur Anfertigung leichter Boote und als Reibstock für das Getreide verwendet.

      Der Abend war schon ziemlich nahe, als zu unserer Rechten das gesättigte Grün eines Delebwaldes erschien. Wir ruderten eine halbe Stunde an demselben hin, dann schien ein Arm des Flusses rechts abzugehen. Als wir demselben folgten, zeigte es sich, daß er sich bald zu einem weiten, seeartigen Becken erweiterte, welches der Maijeh Semkat, unser Ziel, war.

      Wir hatten während der ganzen Fahrt keinen Menschen gesehen, und auch hier schien es, als ob uns keine Begegnung bevorstehe. Wir ruderten in den Maijeh hinein, dessen beide Ufer wir zunächst sehen konnten; dann traten sie soweit auseinander, daß wir uns, um gebotenen Falls schneller landen zu können, an das rechte hielten und demselben entlang fuhren. Während wir nahe am Lande schnell dahinglitten, suchte ich dasselbe mit gespannter Erwartung nach Spuren ab, welche auf die Anwesenheit menschlicher Wesen schließen ließen, lange Zeit ohne Erfolg. Die Zeit der kurzen Dämmerung näherte sich rasch, und schon glaubte ich, annehmen zu müssen, daß wir die kommende Nacht für unsern Zweck verlieren würden, als ich ein eigentümliches, guillotineartiges Gestell bemerkte, welches einige Schritte vom Ufer entfernt angebracht war. Vom Wasser aus führte ein tief ausgetretener Pfad zwischen den beiden Seitenpfosten und unter dem Querholze hindurch. An dem letzteren hing an einem schweren Steine eine kurze, eiserne Lanze, welche mit einer langen Leine in Verbindung stand, deren anderes Ende an ein leichtes Schilfbündel befestigt war. Die Spitze der Lanze war mit einem scharfen Widerhaken versehen.

      Dieses Gestell war eine Nilpferdfalle. Das Nilpferd ist nämlich keineswegs ein so friedliches Tier, wie es oft beschrieben wird. Es greift den Menschen im Wasser sogar sehr oft ungereizt an. Verwundet ist es doppelt gefährlich, taucht unter und stößt dann wieder empor, um den Kahn des Feindes umzuwerfen und den letzteren zwischen den weit spannenden Kiefern zu zermalmen. Darum weicht ihm der Neger, wenn möglich, auf dem Wasser aus, stellt ihm aber desto eifriger am Lande nach, da das Fleisch und ganz besonders der Speck dieses Tieres ein sehr gesuchtes Nahrungsmittel ist. Selbst Weiße halten den Speck für wohlschmeckend und erklären die Zunge für eine Delikatesse.

      Das