Julius von Voss

Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band


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      Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

      Erstes Buch

      Erstes Capitel.

      Wohin?

      Nichts ist geheimnißvoller, wie eine Seefahrt, bei der man das Reiseziel nicht kennt.

      Da sammelten sich im Frühjahr 1798, Fahrzeuge, Piloten, Truppen, Gelehrte, in Toulon. Jeder hatte nur den Befehl empfangen, sich einzufinden, einen der allgemeinsten die es giebt. Aber vergebens zerbrach man auf Caffeehäusern, oder Lustwandlungen am Seegestade den Kopf, wohin Steuer und Seegel lenken würden. Nur dem großen Haupte war das Geheimniß bekannt. Das Ohr der Neugier hing an jedem Munde, doch die Lippen, von denen Befriedigung ertönen konnte, schwiegen.

      Der Matros wünschte, es mögte nach Jamaika gehn, weil es dort den besten Rum giebt.

      Dem Krieger wäre die Fahrt nach den Brittischen Küsten, die willkommenste gewesen, um seine Uniform aus dem besten Tuche der Welt gefertigt, und ihre Taschen mit Guineen gefüllt zu sehn.

      Nach Peru wäre lieber der Geometer gesegelt, dort einen Meridian zu messen.

      Der Mineralog sehnte sich nach Ländern voller Ur- Gang- Flötz- und vulkanischen Gebürge, um erdige, salzige, metallische und gemengte Fossilien zu sammeln, und noch neue zu entdecken.

      Dem Botaniker konnte der Zug nicht weit genug gehn, denn er wollte die Mooshirse in Afrika, die Schaukelpflanze auf den Südseeinseln, den Kannenträger in Zeilon, den Asant in Persien, die Mimose in Amerika, und den Bonanapas-Giftbaum in Java suchen.

      So dachte der Zoolog, denn der Macacco in Angola, wie der Ai in Guiana, der fliegende Hund in Polinesien, und Vampyr in Chili, der Springhase in der Barbarei, und die Genethkatze in Syrien, die Hyäne, der Taguar, der Löwe, Känguruh, Purna, Schakal, Zobel, Zebra, Bison, Cingalo, dann die Schwimm- Sumpf- Strausartigen- Hühnerartigen- Sperlingartigen- Rabenartigen- Spechtartigen- Geier- und Aarartigen Vögelgeschlechter, die denkwürdigen Amphibien, die Insektenheere mit und ohne Fittig, die seltsamen Conchilien, die Würmlein, Mikroscopthiere, Petrefakten, mußten sie ihm nicht von gleichem Interesse seyn? Gab es nicht viele noch unerforschte Gegenden, wo sich vielleicht, fast gewiß ein noch nie gefundenes Geschlecht ausmitteln ließ. Auch schwamm er gleich willig auf dem Oceane umher, da die Ichtyologie dort ihre reichen Entdeckungsgefilde fand.

      Die Alterthumskenner sehnten sich nach Inscriptionen und Gemmen, die Architekten nach Tempelruinen, die Geographen wollten um den Erdball, die Sternkundigen weit an den Südpol, die Chemiker überall hin, um überall die Dinge mit Elementarkräften in einfache Stoffe zu zerlegen.

      Wer die Begebenheiten des Herrn von Jalonski las, und guten Gedächtnisses ist, muß sich erinnern, daß Ring und Flore durch die Wirbelstrudel des Geschicks, auch nach Toulon geworfen wurden, und die Unternehmung zu theilen dachten. Sie vertrauten sich muthig dem Lebensgestirn, mogte es sie führen.

      Ring machte die Bemerkung: es sei höchst befremdend, daß ein Feldherr gegen Hundert Gelehrte in seinem Gefolge zählte. Deutsche Helden hätten gegen Niemand eine größere Abneigung.

      Man schiffte sich ein, lichtete die Anker, und mied den Hafen. Die blaue Küste schwand, das helle Meer küßte überall den ätherischen Saum.

      Gen Südost wendet sich der Cours, die Nauten erblicken die kleinen Hierischen Eilande, bald darauf des Gebieters bergigte Heimath, dann gings an die Königsinsel vorüber, deren Herrscher den Stolz der beleidigten Republik schwer empfand.

      Nach einigen Tagen nahte man den fruchtreichen Gestaden, wo des tiefen Alterthums Legende die Polyphem hausen ließ. Aus ihrer Mitte stieg der drohende Vulkan zur Höhe.

      Werden wir hier landen, finden wir der Orangen die Fülle. Nein, es geht vorbei.

      Sollen vielleicht die Raubstaaten Afrikas der Neufranken Besuch empfangen? Nein, dem heiterem Morgenlande zu, steuert der Pilot. Gilt vielleicht dem Großherrn in Stambul der Besuch?

      Doch man stationirt vor Malta. Eine Convoy von sechzig Segeln aus Civitavecchia vereint sich mit der Flotte. Der Felsen, den Priestern von altem Adel gehörig, wird angegriffen.

      Hilf Himmel, wie erschraken die Ritter da droben, als die Kanonade begann. Der warf die Pücelle, welche er eben las, in einen Winkel, jener stieß seine Mätresse unsanft von sich. Alles lief durcheinander. Man hörte Flüche in allen Zungen.

      Sie hatten Recht. Eine Kanonade, lustig anzuhören im Theater oder bei Musterungen, gellt unerträglich ins Ohr, wenn die scharfgeladenen Schlünde uns zugekehrt sind.

      Capitulation! ruft alles, in Bombenfesten Klüften versteckt. Die Fahne des heiligen Johann galt nicht mehr, die weiße Fahne.

      O ihr Rhodiser, die ihr einst euch so tapfer wehrtet, was sagt ihr im Himmel droben, zu den Stiefenkeln? Doch tröstet euch! Der Zorn tapfrer Ahnen im Todtenreich über die untapfre Nachkommenschaft ist nicht selten.

      Nach zwei Tagen waren die Unterschriften vollzogen, die Franzosen liefen in den Hafen, und organisirten das Land. Wie weinten die Kinder der Ritter!

      Flore und Ring stiegen, wie der Schiffer spricht, auch an den Wall, und besahen allerhand Merkwürdigkeiten. Rings Phantasie schwebte wonnig in die Tiefen der Vorzeit zurück, als er die kirchlichen, griechischen, ja phönicischen Alterthümer erblickte, die man hier vorzeigt; Flore hätte aber lieber einen neuen Anzug aus dem Palais-Royal gesehn, und war oft der Frage nahe, welche ein naiver Knabe, den sein Hofmeister unter herrlichen Versprechungen nach Rom geleitet hatte, im Museum des Vatikans that: Est ce que je m’amuse?

      Die unkriegerischen Ritter hatten, wie man weiß, ewigen Krieg beschworen, und mußten also dem Pflichteide nach, ein wenig gegen die Türken kreuzen. Da hatte man denn hie und da über Kauffahrer einen stolzen Sieg getragen, und Gefangne gemacht, die sich zur Sklaverei auf Maltha bequemen mußten. Man fand deren einige Hundert vor, und nahm sie an Bord, um ihnen die Freiheit da zu geben, wo sie ihnen nützlich seyn konnte. Nicht wenig befremdete die armen Teufel eine wohl nie erwartete Großmuth.

      Unter ihnen befand sich ein junger Muselmann Namens Coraim, von freundlichem gutmüthigem Ansehn, und aufgewecktem Sinn. Er hatte in La Valette etwas italienisch und französisch reden gelernt, und unterhielt die Gesellschaft des Schiffes, auf welches er gebracht worden war, das nämliche, wo sich Ring und Flore befanden, mit mancherlei Erzählungen. Man erfuhr auch bald, daß er ein Mährchenerzähler war, deren es im ganzen Morgenlande giebt, und welche die Stelle der Bücher vertreten. In Deutschland hat bekanntlich vor einigen Jahren ein großes Genie das Wort Kindlichkeit ausgesprochen, und wie gewöhnlich, wird ein so ausgesprochenes Wort von Tausend kleinen Genies nachgesprochen. Wohlan, man könnte wohl behaupten, daß die muselmännische Kindlichkeit in dem Behagen an Mährchen, keine geringe Nahrung finde, und von da bis zu dem Vorschlag einen solchen Gebrauch auch unter uns einzuführen, ist nur ein kurzer Schritt. Auch leuchtet ein, daß eine Mährchenerzählung bequem in derselben Stunde in Hundert Ohren zu tragen ist, wogegen das Buch, wenn es nicht in vielen Abdrücken gekauft wird, eine langsame Wanderung machen muß.

      Der Wind blies nicht erwünscht, die Flotte wurde ziemlich im Meere aufgehalten. Desto mehr gab es der Langeweile, und jeder suchte einen Zeitvertreib. Denn der Blick ins Meer hinaus empfindet bald Einförmigkeit.

      Flore lag dann meistens den Coraim um eine Erzählung an, und fand ihn immer willfährig, es mogte Tag oder Nacht seyn. Er glich darin nicht dem Verfasser der Tausend und Einen Nacht, bei dem die anmuthige Scheherazade immer angeredet wird: Wenn sie nicht schlafen, so erzählen sie uns doch eine von ihren allerliebsten Historien. Da aber einige junge Pariser noch spät an seinem Hause vorübergingen und riefen: Herr Galland, wenn sie nicht schlafen, so erzählen sie uns doch eine von ihren allerliebsten Historien, war der Mann sehr aufgebracht.

      Zweites Capitel.

      Coraims Erzählung

      Nachdem der Sklave einen ziemlichen Vorrath unglaublicher Berichte erschöpft, und seiner Hörer Einbildung mit Geistern, Riesen, Zauberern, Derwischen überfüllt hatte, theilte er auch die wahre Geschichte einer schönen Europäerin mit, die sich vor einiger Zeit in Cairo zugetragen hatte.

      Ein Spanier segelte von Barzellona nach Egypten, weil er zu Cairo als Consul seiner Nation wohnen sollte. Man hatte nicht Frieden mit Algier,