Александр Дюма

Pauline


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      Pauline

      I

      Gegen das Ende des Jahres 1834 waren wir eines Sonnabends Abends in einem kleinen, an den Fechtsaal des Herrn Grisier stoßenden Salon versammelt. Das Rappier in der Hand, die Zigarre im Munde, hörten wir die weisen Theorien unseres Professors, die von Zeit zu Zeit durch Anekdoten unterbrochen wurden, als die Türe sich öffnete und Alfred von Nerval eintrat.

      Diejenigen, welche meine Reise in die Schweiz gelesen haben, werden sich vielleicht noch dieses jungen Mannes erinnern. Er begleitete damals eine Geheimnisvolle, verschleierte Dame und ich traf zum ersten Male mit ihm zu Fluelen zusammen, als ich mit Francesco nach der Barke eilte, die uns zum Steine Wilhelm Tell's bringen sollte. Sie werden sich dann auch noch erinnern, daß Alfred von Nerval, der, wie ich hoffte, mein Reisegesellschafter werden sollte, die Abfahrt des Fahrzeuges beschleunigte, ohne mich zu erwarten und vom Ufer abstieß, als ich wenigstens noch dreihundert Schritte davon entfernt war. Er gab mir aus der Barke mit der Hand ein Zeichen des Abschieds und der Freundschaft, welches ich so deutete: »Lieber Freund, es würde mir zum großen Vergnügen gereicht haben, dich wieder zu sehen, aber ich bin nicht allein und . . . Ich antwortete durch ein anderes Zeichen, welches sagen sollte: »Ich verstehe vollkommen, blieb stehen und verneigte mich zum Zeichen meines Gehorsams gegen diese Entscheidung, so streng sie mir auch erschien, weil ich aus Mangel eines Fahrzeuges erst den Tag darauf abreisen konnte. In's Gasthaus zurückgekehrt, fragte ich, ob Einer jene Dame kenne; allein man wußte nichts von ihr, als daß sie sehr leidend zu sein scheine und sich Pauline nenne.

      Dieses Zusammentreffen hatte ich bereits wieder vergessen, als ich beim Besuch der warmen Quellen, welche die Bäder von Pfeffers mit Wasser versehen, in der langen unterirdischen Gallerie Alfred von Nerval auf mich zukommen sah. Er hatte dieselbe Dame am Arme, die ich schon mit ihm in Fluelen gesehen hatte, und die mir schon damals, wie ich bereits erzählt habe, deutlich den Wunsch zu verstehen gab, unerkannt zu bleiben. Auch diesmal schien sie ihr Incognito behaupten zu wollen, denn ihre erste Bewegung war, sich umzudrehen. Unglücklicher Weise erlaubte der Weg, den wir gingen, weder zur Linken noch zur Rechtes ein Ausweichen. Es war eine Art Brücke ans zwei feuchten, schlüpfrigen Brettern zusammengesetzt, die, anstatt quer über den Abgrund gelegt zu sein, in dessen Tiefe die Tamina in ihrem Bett von schwarzem Marmor hinbrauste, an einer der Wände dieses unterirdischen Ganges ungefähr vierzig Fuß über dem Strombette hinliefen, nur durch einige in den Felsen eingefügte Balken gestützt. Die Geheimnisvolle Begleiterin meines Freundes sah wohl ein, daß hier kein Entkommen möglich sei, und nahm ihre Maaßregeln. Sie ließ ihren Schleier herab und kam gerade auf mich zu. Ich erzählte bereits in meiner Reisebeschreibung den sonderbaren Eindruck, welchen die blasse, gleich einem Schatten Süchtige Dame auf mich machte, als sie am Rande dieses Abgrundes hinschritt, ohne Zagen, ohne Unruhe, wie ein Wesen einer andern Welt. Bei ihrer Annäherung lehnte ich mich an die Felswand, um so wenig als möglich Platz einzunehmen. Alfred wollte sie allein voranschreiten lassen, allein sie hielt seinen Arm fest, so daß wir uns in einem Augenblicke alle drei auf einem Raume von höchstens zwei Fuß Breite befanden. Aber dieser Augenblick war kurz wie das Leuchten eines Blitzes. Die Geheimnisvolle Dame, den Feen gleichend, die sich über die Ufer der Flüsse beugen und ihre Schleier in dem Schaume der Wellen spielen lassen, neigte sich über den Abgrund und passierte, wie durch ein Wunder, den engen schlüpfrigen Pfad, jedoch nicht schnell genug, um mich nicht einen Blick in ihr ruhiges, sanftes, obgleich durch Leiden gebleichtes und abgemagertes Gesicht tun zu lassen. Ich glaubte diese Figur jetzt nicht zum ersten Male zu erblicken, in meinem Geiste leuchtete eine dunkle Erinnerung auf, eine Rückerinnerung an Salons, Bälle und Feste; es dünkte mir, als habe ich diese Dame mit dem jetzt so abgezehrten, traurigen Gesichte schon gekannt, jedoch fröhlich, mit rosigen Wangen, geschmückt mit Blumen, davongetragen von einem langsamen Walzer oder einem stürmischen Galopp. Wo und wann? das wußte ich nichts Es war nur eine Vision, ein Traum, ein Echo meines Gedächtnisses, welches nichts Bestimmtes, nichts Wirkliches an sich trug, und mir entwischte wie ein Nebel, den man erhaschen will. Ich kehrte mit dem Entschlusse zurück, sie jedenfalls wieder zu sehen und hätte ich bei Erreichung meines Zweckes unbescheiden sein sollen. Allein weder sie, noch Alfred fand ich mehr in Pfeffers, obgleich ich nur eine halbe Stunde abwesend gewesen war.

      Zwei Monate waren seit diesem zweiten Zusammentreffen verflossen und ich befand mich zu Baveno am lago maggiore. Es war ein schöner Herbstabend, die Sonne verschwand eben hinter den Alpen und die Schatten der Nacht stiegen am östlichen Himmel auf, welcher sich mit Sternen zu besäen begann. Vom Fenster meines Zimmers aus gewahrte man in der Ebene eine Terrasse, die ganz mit Blumen bedeckt war. Ich stieg auf dieselbe hinab und befand mich in einem Walde von Rosenlorbeeren, Myrthen und Orangen. Die Blumen sind für uns ein so angenehmer Gegenstand, daß wir uns selten begnügen, von ihnen umgeben zu sein, wir wollen sie in der Nähe genießen und wo wir sie auch finden, sei, es im Felde oder im Garten, ein innerer Trieb veranlaßt uns, sie zu pflücken, sie zu einem Strauße zu winden, damit ihr Geruch uns begleite, ihr Farbenglanz uns erfreue. Auch ich widerstand der Versuchung nicht. Ich brach einige der wohlriechenden Zweige und lehnte mich auf die Brustwehr von Granit, welche die Aussicht über den See gewährte, von dem sie nur durch die große Straße von Genf nach Mailand getrennt ist. Kaum war ich da, so tauchte der Mond auf der Seite von Sesto empor; seine Strahlen beleuchteten die Gebirge, die den Horizont begrenzten und erglänzten auf dem Gewässer, welches zu meinen Füßen ruhig schlief und die Strahlen wie ein unermeßlicher Spiegel zurückwarf. Alles war still, kein Geräusch ließ sich hören weder auf der Erde, noch auf dem See, noch am Himmel; die Nacht begann ihren Lauf mit majestätisch melancholischem Ernste. Da ertönte von einem dichtbelaubten Baume zu meiner Linken, dessen Wurzeln sich im Wasser des Sees badeten, harmonisch und zart der Gesang einer Nachtigall. Es war der einzige Ton, der erwachte; er erhielt sich einen Augenblick zierlich und tactmäßig und endete dann plötzlich in einem Laufe. Nun ließ sich, gleichsam als wenn dieser Ton einen an dem, ganz verschiedenen geweckt hätte, das ferne Rollen eines Wagens vernehmen, wie es schien, von Doma d'Ossola kommend. Der Gesang der Nachtigall begann von Neuem und ich vernahm wieder nur den Vogel Juliens. Als er endigte, hörte ich wiederholt das Rollen des Wagens näher und näher. Er kam schnell; so schnell er sich jedoch auch näherte, so hatte meine melodienreiche Nachbarin noch Zeit, vor seiner Ankunft wieder ihr nächtliches Gebet zu beginnen. Aber kaum hatte sie dieß Mal ihren letzten Ton entsandt, so erschien an der Krümmung der Straße eine Postchaise, von zwei Pferden gezogen, im Galopp, und nahm ihren Weg nach dem Gasthause. ungefähr noch zweihundert Schritte entfernt knallte der Postillon heftig mit der Peitsche, um den Kameraden seine Ankunft anzuzeigen, und in der Tat knarrte auch sogleich das große Thor in seiner Angel, aus welchem ein neues Gespann vorgeführt wurde. In demselben Augenblicke hielt der Wagen unter dem Altan, über dessen Geländer ich mich bog.

      Die Nacht war, wie schon gesagt, so rein, klar und von Wohlgerüchen durchduftet, daß die Weisenden das Verdeck des Wagens zurückgeschlagen hatten, um die süßen Gerüche besser genießen zu können. Es waren deren zwei: ein junger Mann und eine junge Dame. Letztere, in einen Shawl oder Mantel gehüllt, hatte den Kopf zurückgelehnt auf den Arm des jungen Mannes, welcher sie unterstützte. In dieses Augenblicke trat ein Postillon mit einem Lichte an den Wagen, um die Laternen an demselben anzuzünden; ein heller Strahl fiel auf die Reifenden und ich erkannte Alfred von Nerval und Pauline.

      Immer er und immer sie! Es schien, als wenn eine höhere Macht, nicht der Zufall, uns stets wieder zusammenführte! Immer sie, aber so verändert, seitdem ich sie zu Pfeffers sah, so blaß, so hinsterbend, daß sie nur noch ein Schatten zu sein schien; und dennoch riefen diese abgezehrten Züge meinem Geiste noch jenes dunkle Frauenbild zurück, welches gleichsam auf dem Grunde meines Gedächtnisses schlief, bei jeder dieser Erscheinungen emportauchte und über die Oberfläche desselben hinwegglitt wie ein Traum Offian's über die Nebel. Ich war in Begriff, Alfred anzurufen, allein ich erinnerte mich, wie sehr seine Begleiterin wünschte, nicht gesehen zu werden. Dennoch zog mich ein Gefühl von Mitleid zu ihr hin und veranlaßte mich, ihr wenigstens durch ein Zeichen bemerklich zu machen, daß es noch Jemand gebe, der inbrünstig zu Gott bete, ihre zum Entfliehen bereite Seele möge den wohl gebildeten Körper, den sie belebte, noch nicht sobald verlassen. Ich zog eine Visitenkarte aus der Tasche, schrieb auf deren Rückseite die Worte: »Gott schenke den Reisenden seinen Schutz, tröste die Betrübten und heile die Leidenden. Diese Karte legte ich zwischen die Myrthen, Orangen – und Rosenzweige, die ich gepflückt hatte, und ließ den Strauß in den Wagen fallen. In demselben Augenblicke fuhr der Postillon ab, doch bemerkte