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Das Seegespenst
Ich kam von langer Reise, die ich als zweiter Steuermann gemacht, nach Hamburg zurück. Das ganze Schiff wurde abgemustert. Ich ließ mich auf dem Seemannsamt als heuersuchender Offizier einschreiben und fuhr inzwischen nach der fernen Heimat. Freilich hatte ich wenig Aussicht, auf diese Weise eine neue Heuer zu bekommen.
Schon nach wenigen Tagen aber erhielt ich ein Telegramm, das mich nicht wenig in Erstaunen versetzte: "Willst du als Erster bei mir fahren? Sofort her! Paul Müller, Kapitän der Portland, Liverpool. Zurzeit Hamburg."
Ich war sprachlos. Mein Freund Paul Kapitän eines englischen Dampfers? Und zwar, wie mir das mitgenommene Schiffsregister sagte, eines von sechstausend Tonnen?
Wir waren zusammen als Schiffsjungen und als Matrosen gefahren, sechs Jahre lang hatten wir zusammen die Steuermannsschule besucht, dann erst waren wir getrennt worden. Mir gelang es, auf einem Segler als zweiter Offizier anzukommen, und als ich zwei Jahre später wieder etwas von Paul hörte, war er zuletzt noch immer als Matrose gefahren. Wieviele haben das Steuermannspatent in der Tasche und müssen noch als Matrose vor dem Mast fahren! Ich hatte ja unterdessen auch schon mein Kapitänspatent gemacht und war immer wieder froh, wenn ich als zweiter Steuermann ankam.
Fünf Jahre waren waren seit unserer Trennung verflossen. Vor zwei Jahren also war Paul noch Matrose gewesen. Seitdem hatte ich nichts wieder von ihm gehört. Und jetzt war er Kapitän eines großen englischen Dampfers? Der hatte ja höllisch fix vorwärts gemacht!
Ich fuhr sofort nach Hamburg. Es war richtig mein alter Freund Paul. Erst siebenundzwanzig Jahre alt, aber ein ganzer Mann. Vor drei Jahren war es ihm gelungen, zum ersten Male eine Stelle als zweiter Steuermann zu bekommen. Auf einem englischen Dampfer war es. Der Kapitän war Mitbesitzer des Schiffes, ja der ganzen Reederei, die gar viele Schiffe fahren ließ. Und er wurde auf seinen Fahrten beständig von seiner Tochter begleitet, die sogar an Bord geboren und erzogen worden war.
Dieses Mädchen verliebte sich in den deutschen Steuermann. Nach der Rückkehr in Liverpool wurde gleich Hochzeit gemacht. Die Heirat durfte an ihrem Leben nichts ändern. Das Schiff sollte ihre Heimat bleiben, sie wollte, wie bisher ihren Vater, nun ihren Mann begleiten.
Aber ihr Gatte sollte nicht unter anderem Kommando stehen. Die inzwischen mündig gewordene Eveline hatte, da sie durch die verstorbene Mutter Mitbesitzerin der Reederei geworden war, auch ein gar gewichtiges Wort zu sagen. Ihr Mann sollte Kapitän werden. Zwar hatte er hierfür noch nicht die genügende Fahrzeit als Steuermann, aber das ließ sich schon machen.
So war es gekommen, daß Paul im Handumdrehen Kapitän geworden war. Und er bewährte sich. Man hätte gar nicht erst den Versuch mit einem kleinen Dampfer zu machen brauchen. Ob groß oder klein, das ist ja überhaupt ganz gleich. Mancher Küstenschiffer hat mehr im kleinen Finger als mancher Offizier des größten Passagierdampfers im Kopfe.
Diese ideale Ehe, die im buchstäblichen Sinn des Wortes Mann und Weib in Sonnenschein und Regensturm, in Freud und Leid vereinte, sollte leider nicht lange währen.
"Nur ein Jahr dauerte sie," sagte Paul finster. "Sie fand ihren Tod -".
"Ihren Tod – gefunden?" wiederholte ich erstaunt.
"Eine Sturzsee wusch sie über Bord – auf der Höhe von Trinidad."
Mehr erfuhr ich nicht. Wir hatten es auch sehr eilig. Der erste Steuermann hatte den Arm gebrochen. Ich kam an seine Stelle, hatte bei der Uebernahme der letzten Fracht alle Hände voll zu tun und alle Gedanken zusammenzunehmen.
Wir fuhren nach Lissabon. Während der achttägigen Fahrt kam es zu keiner weiteren Aussprache. Zwischen dem Kapitän und der ganzen übrigen Besatzung, die Offiziere mit einbegriffen, ist ja überhaupt eine unübersteigbare Schranke gezogen. Der Kapitän auch des kleinsten Schiffes nimmt eine abgesondertere Stellung ein als der Kaiser von Japan in seinem Reiche. Er ißt allein, hält sich auch sonst immer allein, jede vertrauliche Annäherung zwischen Kapitän und Steuermann ist an Bord des Schiffes vollkommen ausgeschlossen.
Nun allerdings kann es ja, wie überall, auch hier einmal eine Ausnahme geben. Nur nicht im Dienst. Aber wenn ich von der Freiwache war, hätte der Kapitän mich schon einmal in die Kajüte rufen können, um ein Stündchen freundschaftlich mit mir zu plaudern. Doch hierzu war keine Zeit. Wenigstens der Kapitän hatte sie nicht. Immer schlechtes Wetter, immer Nebel, dabei die auf eigene Rechnung gehende Fracht sehr gefährlich – Düngersalze! Deshalb war er nur ganz schwach versichert, sonst wäre kein Verdienst dabei gewesen, beim kleinsten Leck wäre das Schiff wie ein vollgesaugter Schwamm wegesackt. Paul kam nicht von der Kommandobrücken nicht aus den Stiefeln, schlief nur am Tage wenige Stunden im Kartenhaus auf dem Sofa. Nein, da war keine Zeit zu Privatunterhaltungen.
Glücklich erreichten wir Lissabon. Noch vor dem Einlaufen in den Hafen brachte ein Dampfboot den kaufmännischen Vertreter der Reederei an Bord, der neue Dispositionen gab. Die Fracht sollte nicht in Lissabon gelöscht werden, sondern aus irgendeinem Grunde in Collare, an der Westküste der großen Landzunge gelegen, welche die Bucht von Lissabon einschließt.
Wir dampften in wenigen Stunden hin, der kleine Hafen konnte uns wohl aufnehmen, aber nicht sogleich, denn die Einfahrt ist sehr ungünstig, für tiefgehende Schiffe viel zu seicht. Wir mußten die Flut abwarten, die erst in vier Stunden eintrat.
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