Ugo Mioni

Der Schutzgeist des Kaisers von Birma


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      Der Schutzgeist des Kaisers von Birma

      Erstes Kapitel.

      Der Schutzgeist

      Diesen Morgen war ich in Amarapura, der Hauptstadt des Kaiserreichs Birma, angekommen.

      Den Major Faire, ein Freund von mir, hatte vergangenes Jahr eine diplomatische Mission dorthin geführt, und er hatte mir das eigenartige Land in einer Weise beschrieben, daß ich mich entschloß, einen Abstecher dorthin aus meiner Reise durch Asien zu machen. Er gab mir sogar ein Empfehlungsschreiben an den Wongy Mangvé-Mengyi, einen von den vier ersten Würdenträgern des Kaisertums, mit. Dieser hatte seinerzeit mit dem Major Freundschaft geschlossen.

      Amarapura ist an den Ufern des Sees Myit-nge erbaut, der von dem Flusse Irawadi durch ein Netz von Kanälen gespeist wird.

      Der Dampfer, welchen ich in Rangoun bestiegen hatte, brachte eine wertvolle Güterladung für einen armenischen Kaufmann nach Amarapura. Es war nicht ganz leicht für das Fahrzeug gewesen, dieses Labyrinth von Kanälen zu durchkreuzen.

      Wir alle atmeten erleichtert auf, als endlich eine Holzbrücke in Sicht kam, welche den Landungsplatz mit der Stadt verbindet. Dieser war dicht mit Neugierigen angefüllt. Die Ankunft eines Dampfschiffes bedeutet stets ein außerordentliches Ereignis für das neugierige Publikum, unter welches sich dann noch viele Packträger, Fremdenführer und Verkäufer von Früchten u. dgl. mischen.

      Das Schauspiel, das die bunte Menge bot, war von eigenartig exotischem Reiz: Eingeborene in ihrer bunten Nationaltracht; die Angehörigen der höheren Kasten in langen samtenen Mänteln, den Kopf mit einer Mütze bedeckt, welche große Ähnlichkeit mit der Mitra unserer Bischöfe hatte; die Priester mit ihren kahlgeschorenen Häuptern; die halbnackten Lastträger. Den Hintergrund des Bildes, das diese bunte, lärmende Menge gewährt, bildet die Hauptstadt mit ihren unzähligen Palästen, Obelisken und Türmen, in deren goldenen Verzierungen sich die Sonnenstrahlen tausendfach brechen.

      Ein birmanischer Offizier und Bürgersmann näherten sich dem Schiffe, als wir auf dem Landungsplatze angelangt waren. Jener trug Galauniform. Die vorhin beschriebene Mütze war bei ihm durch ein Gitterwerk von Edelsteinen so reich verziert, daß sie, dadurch beträchtlich schwer geworden, fortwährend auf seinem Kopfe hin und herschwankte und zu fallen drohte. Er half sich sehr sinnreich durch ein Instrument, das einem Papiermesser sehr ähnelte und das er in der rechten Hand trug. Mit diesem hielt er die widerspenstige Mütze auf ihrem Platze, sowie die Haare in Ordnung, die sich ihrer Frisur zu entlösen drohten. Der Mantel, der ihm bis auf die Fersen fiel, war ebenso wie die Mütze von scharlachrotem Samt und die langen Ärmel waren reich mit Gold gestickt. Unter diesem Kleidungsstück trug er ein zweites gleichlanges aus gelber Seide, dazu samtene goldgesteppte Pantoffeln.

      Ein Knabe, welcher mir sofort durch seinen außerordentlich feinen Gesichtsbau auffiel, trug dem Offizier die beiden Gegenstände nach, ohne die man sich einen Birmanen von Rang nicht denken kann: eine goldene Schachtel mit Betel und einen Spucknapf von gleichem Metall. Von Zeit zu Zeit streckte der Offizier graziös die Hand aus, nahm eine Prise Betel, steckte ihn in den Mund, kaute ihn gut und spuckte dann mit großer Geschicklichkeit den roten Saft in den dargereichten Napf.

      Der Bürger, der mit ihm gekommen war, trug armenische Kleidung und gab sich auch durch seine Gesichtszüge sofort als einen Kaukasier zu erkennen.

      »Der Armenier ist der Eigentümer der Waren, die ich geladen habe,« sagte der Kapitän, der unbemerkt an mich herangetreten war. »Der Birmane aber ist ein Zolloffizier. Der Kaiser von Birma sucht die Europäer nur in jenen Dingen nachzuahmen, in denen sie nicht nachahmenswert sind. Er belastet seine Untertanen mit ungeheuren Steuern und Abgaben, die früher unbekannt waren.«

      »Darf ich ans Land gehen?

      »Noch nicht, erst muß der Zollbeamte die Erlaubnis dazu erteilt haben. Ich will dem Beamten entgegengehen und hoffe durch ein wenig Höflichkeit die peinlichen Formalitäten abzukürzen und freie Landung zu erreichen.«

      Der Kapitän, ein Vollblutengländer, entfernte sich langsam und näherte sich dem Zolloffizier, der in diesem Augenblick an Bord stieg. Er wechselte nach einer leichten Verbeugung einige Worte mit ihm und verschwand dann mit ihm in seiner Kajüte, wo die beiden wohl eine halbe Stunde verblieben.

      Der Kapitän erschien zuerst wieder. Er winkte mich zu sich heran.

      »Sie wünschen, Herr Kapitän?«

      »Der Beamte wünscht Sie zu sprechen.«

      Ich ging in die Kajüte.

      Der Offizier hockte zusammengekauert auf einem Sessel und kaute Betel. Elegant erschien er in dieser Stellung gerade nicht. Es mag dem Türken gut stehen, wenn er auf einem Sofa oder einem Teppich kauert, aber einen Mann auf einem Stuhle hocken zu sehen, kann doch nicht anders als zum Lachen reizen.

      Ich machte dem Beamten eine leichte Verbeugung und fragte: »Was wünschest du von mir?«

      Er spuckte zweimal in den goldenen Napf und fragte dann in gebrochenem Englisch: »Wie heißest du?«

      Ich nannte meinen Namen.

      Eine Pause entstand: »Woher kommst du?«

      »Von Rangoun.«

      Neues Stillschweigen.

      »Bist du ein Kaufmann?«

      »Nein!«

      »Was bist du also?«

      »Ich bin ein Schriftsteller.«

      Und wieder entstand eine minutenlange Pause.

      Der Kapitän betrachtete mich verstohlen, weil ich mit dem Lachen kämpfte.

      »Du wirst nach Rangoun zurückkehren.«

      Waren diese Worte im Tone der Frage oder des Befehles gesprochen? Ich konnte mir nicht sofort klar darüber werden.

      »Ich werde allerdings nach Rangoun zurückkehren, sobald ich Amarapura besichtigt habe,« gab ich zur Antwort.

      »Du wirst es nicht besichtigen.«

      »Warum denn nicht?«

      »Weil ein Erlaß Seiner Majestät des Kaisers allen nicht handeltreibenden Fremden den Besuch der Hauptstadt verbietet,« entschied der Birmane in jenem Amtstone, den alle Beamten anzunehmen pflegen, welche im Namen ihres Souveräns sprechen.

      »Ist der Besuch der Hauptstadt auch jenen Reisenden verboten, die ein Begleitungsschreiben der Königin von England mitbringen?« fragte ich lächelnd.

      »Hast du ein solches?« rief der Hafenbeamte erstaunt.

      »Die Besichtigung Amarapuras ist auch demjenigen untersagt, der nachweist, ein Freund des Wongy Mangvé-Mengyi zu sein?«

      »Herr! Du bist ein Freund des Wongy?« schrie der Beamte abermals, sprang, mich erstaunt betrachtend, auf die Füße und machte mir eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung.

      Ich nahm aus meinem Portefeuille den Brief des Majors, der in eine Pergamenthülle geschlossen und mit seltsamen Hieroglyphen in birmanischer Schrift bedeckt war und gab ihn dem Höfling. Er griff nach dem Pergament, prüfte aufmerksam die Adresse sowie die Siegel und gab es mir dann mit einer Verbeugung zurück.

      »Warum sagtest du mir nicht sogleich, daß du unter dem Schutze der Königin von England stehst und ein Freund unseres Wongy bist? Ich hätte dich dann sofort begrüßt, wie es einem Pair von England gebührt,« sagte er.

      »Du tatest nur deine Pflicht. Kann ich jetzt ans Land gehen?«

      »Ja.«

      »Du hast mir sonst nichts zu sagen?«

      »Nichts, Herr!«

      Ich verließ die Kajüte und ging auf das Deck, wo sich wenige Minuten später auch die edelsteinbesetzte Mütze mit dem Kapitän und dem Armenier wieder einfand. Der Kaufmann zählte dem Zollbeamten 50 Pfund Sterling auf die Hand, der sie gleichgültig einsteckte und gemächlich das Schiff verließ. Er hatte die fälligen Abgaben und Taxen einkassiert. Weiter blieb ihm hier nichts zu tun übrig.

      Ich verabschiedete mich von dem Kapitän, rief einen Lastträger, dem ich mein geringes Reisegepäck übergab, warf das Gewehr über die Schulter und stieg ans Land.

      Amarapura liegt auf einem leicht erhöhten