Henryk Sienkiewicz

Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz


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auf Zbyszko fragte er dann: »Dies ist also Euer Bruderssohn und mein Verwandter?«

      Zbyszko beugte sich herab und küßte seine Hand.

      »Ich sah ihn, als er noch klein war, jetzt hätte ich ihn nicht erkannt,« sagte der Abt. »Nun, laß Dich anschauen.«

      Mit durchdringenden Blicken betrachtete er ihn vom Kopf bis zu den Füßen und schließlich bemerkte er: »Nur allzu schön ist er! Das ist ein Jungfräulein, kein Ritter!«

      Macko erwiderte: »Die Deutschen luden dies Jungfräulein zum Tanze, aber der’s zum Tanze führte, sank hin und stand nicht mehr auf.«

      »Und die Armbrust kann er ohne Kurbel spannen,« rief plötzlich Jagienka.

      Der Abt wandte sich zu ihr: »Was hast Du hier mitzureden?«

      Da errötete sie dermaßen, daß sogar ihr Hals und ihre Ohren wie in Glut getaucht waren, und sie entgegnete in der höchsten Verwirrung: »Weil ich … gesehen habe …«

      Mittlerweile hatte sich Macko mit Hilfe Zychs auf die Bank niedergelassen, und als dieser befahl, Wein zu bringen, entfernte sich Jagienka hastig.

      Nun wendete der Abt seine Augen wieder auf Zbyszko und sprach folgendermaßen: »Genug des Scherzes! Nicht um Dich zu kränken, habe ich Dich einem Jungfräulein verglichen, sondern nur, weil ich in besonders guter Laune war, und auch Deiner Schönheit wegen, um welche Dich manches Mädchen beneiden könnte. Weiß ich doch, daß Du Lob verdienst. Ich hörte von Deinen Thaten bei Wilna, ich hörte von jenen Friesen und von Deinen Erlebnissen in Krakau. Zych erzählte mir alles, verstehst Du?«

      Bei diesen Worten schaute er Zbyszko durchdringend an, und nach einer Weile begann er wieder: »Da Du gelobt hast, drei Pfauenbüsche zu erwerben, mußt Du auch darnach ausziehen. Denn die Verfolgung unserer Feinde ist eine lobenswerte und Gott wohlgefällige That. Aber was Du auch sonst noch gelobt haben magst, so wisse, daß ich Dich von Deinem Schwur entbinden kann, denn einer solchen Befugnis darf ich mich wohl rühmen.«

      »Ei!« rief Zbyszko aus, »welche Macht kann einen Menschen von einem Schwur entbinden, den er dem Herrn Jesus abgelegt hat?«

      Als Macko diese Worte vernahm, blickte er voll Angst auf den Abt, doch war dieser sichtlich in vortrefflicher Laune, denn er ward nicht zornig, sondern drohte Zbyszko nur schalkhaft mit dem Finger und sagte: »Seht nur den klugen Jungen! gieb wohl acht, daß Dir nicht zustößt, was einem deutschen Ketzer zugestoßen ist.«

      »Und was ist ihm zugestoßen?« fragte Zych.

      »Auf dem Scheiterhaufen wurde er verbrannt.«

      »Aus welchem Grunde?«

      »Weil er behauptete, ein weltlich gesinnter Mensch könne ebenso gut die göttlichen Geheimnisse ergründen wie ein Geistlicher.«

      »Dafür ist er hart bestraft worden.«

      »Aber nur wie recht und billig war, da er sich an dem heiligen Geist versündigte!« donnerte der Abt. »Was denkt Ihr selbst darüber? Kann ein weltlich Gesinnter in die göttlichen Geheimnisse eindringen?«

      »Keiner vermag dies!« ließen sich die fahrenden Kleriker einmütig im Chore vernehmen.

      »Auch Ihr ›Spielleute‹ müßt stille sein!« sagte der Abt, »denn Ihr seid keine Geistlichen, wenn schon Eure Häupter geschoren sind.«

      »Weder Spielleute sind wir, noch Landstreicher, sondern einzig nur Euer Gnaden Hofkavaliere,« erwiderte einer von ihnen, der gerade aufmerksam nach einem großen Faß blickte, woraus der Geruch von Malz und Hopfen drang.

      »Schaut diesen an! Er spricht, wie wenn er sich in einem Fasse befände,« rief der Abt. »Ei Du komischer Kauz! Weshalb schaust Du denn in jenes Faß hinein? Dein Latein findest Du nicht auf dem Grunde.«

      »Mein Latein suche ich auch nicht darin, sondern nur Bier, doch sehe ich keines.«

      Der Abt wendete sich jetzt zu Zbyszko, der voll Verwunderung auf diese Hofherren blickte, und sagte: »Dies sind » Clerici scholares«, und jeden verlangt darnach, seine Bücher wegzuwerfen, die Laute zu nehmen und damit durch die Welt zu ziehen. Ich sammle sie um mich und sorge für ihren Unterhalt, denn was soll ich machen? Taugenichtse sind es und echte Landstreicher, doch verstehen sie zu singen, haben auch einen Begriff vom Gottesdienst, so daß der Kirche doch ein gewisser Nutzen erwächst, und im Notfalle gewähren sie mir Schutz, denn manche unter ihnen sind tapfere Bursche. Dieser Pilger hier sagt, er sei im heiligen Lande gewesen, aber Du würdest ihn vergeblich fragen, an welchem Meere oder in welcher Gegend, da er es nicht weiß; ebenso wenig kennt er den Namen des griechischen Kaisers und die Stadt, worin dieser wohnt.«

      »Ich wußte es ganz gut,« versetzte der Pilger mit heiserer Stimme, »aber als mich auf der Donau das Fieber schüttelte, vergaß ich alles wieder.«

      »Am meisten wundere ich mich über die Schwerter,« sagte Zbyszko, »denn an fahrenden Klerikern habe ich bis jetzt noch keine gesehen.«

      »Es ist ihnen nicht untersagt, Waffen zu tragen, da sie die Weihen noch nicht empfangen haben,« entgegnete der Abt, »und daß ich auch ein Schwert bei mir führe, darüber darf man sich nicht wundern. Den Wilk aus Brzozowa forderte ich letztes Jahr zum Kampf auf festgetretener Erde, wegen der Wälder, durch welche Ihr nach Bogdaniec kamt; doch stellte er sich nicht.«

      »Wie hätte er sich einem Geistlichen stellen können?« unterbrach ihn Zych.

      Da geriet der Abt in Zorn, er schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Wenn ich in der Rüstung stecke, bin ich kein Geistlicher, sondern nur ein Edelmann. Und er stellte sich nicht, weil er es vorzog, mich mit Bewaffneten in Tulcza zu überfallen. Das ist der Grund, weshalb ich ein Schwert an der Seite trage. » Omnes leges omniaque iura vim vi repellere cunctisque sese defendere permittunt.« Das ist der Grund, weshalb ich auch ihnen Schwerter gab.«

      Als sie den lateinischen Spruch vernahmen, verstummten Zych, Macko und Zbyszko, und gerade weil sie kein einziges Wort verstanden, neigten sie sich tief vor der Weisheit des Abtes, er aber sah noch eine Weile mit zornigen Blicken im Kreise umher und sagte schließlich: »Wer bürgt mir denn dafür, ob er mich nicht auch hier überfällt?«

      »Mag er nur kommen!« riefen die fahrenden Kleriker, indem ein jeder die Hand an den Griff seines Schwertes legte.

      »Mag er einen Einfall versuchen! Langweile ich mich doch schon, weil es keine Gelegenheit zum Kampfe giebt.«

      »Dies wird er nicht thun!« sagte Zych. »Eher kommt er, um sich Euch zu unterwerfen. Auf die Wälder hat er schon verzichtet, aber um seinen Sohn handelt es sich jetzt. Wißt Ihr … Aber erleben wird er das nicht!«

      Mittlerweile hatte sich der Abt wieder beruhigt und sagte: »Den jungen Wilk sah ich, als er mit Cztan aus Rogow im Gasthaus zu Krzesnia zusammensaß. Sie erkannten mich nicht sogleich, weil es dunkel war und da machten sie fortwährend Anschläge wegen Jagienka.«

      Hier wendete er sich an Zbyszko: »Und wegen Dir!«

      »Und was verlangen sie von mir?«

      »Sie verlangen nichts von Dir, nur ist es nicht nach ihrem Sinne, daß noch ein Jüngling in der Nähe von Zgorzelic weilt. Deshalb sprach Cztan also zu Wilk: ›Wenn ich ihm die Haut einmal gerbe, wird sie so bald nicht mehr glatt sein!‹ Und Cztan sagte: ›Vielleicht fürchtet er uns, wenn er uns aber auch nicht fürchtet, zerschmettere ich ihm doch die Knochen im Leibe.‹ Und dann beteuerte einer dem andern, daß Du Furcht vor ihnen hegst.«

      Als sie diese Worte hörten, schaute Macko auf Zych, Zych auf diesen, und ein schalkhafter Ausdruck malte sich in ihren Zügen. Keiner von ihnen wußte zu sagen, ob der Abt wirklich ein solches Gespräch mit angehört, oder es nur erfunden hatte, um Zbyszko anzuspornen, doch begriffen beide, und vornehmlich Macko, der ja Zbyszko am besten kannte, daß es auf der ganzen Welt kein besseres Mittel gab, um des Jünglings Interesse für Jagienka zu erhöhen.

      Und wie absichtlich fügte der Abt noch hinzu: »In der That, es sind recht tüchtige Burschen.«

      Zbyszko zeigte keinerlei Erregung, aber