Günter Dönges

Butler Parker 117 – Kriminalroman


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heraus, daß das Angebot an alten Büchern miserabel war. Es waren fast ausschließlich gebrauchte Taschenbücher und die Exemplare einiger bekannter Büchergemeinschaften ausgestellt. Normalerweise hätte Lady Agatha diesen Laden sofort wieder verlassen und dem Inhaber dieser Nichtigkeiten ein paar unverblümte Wahrheiten gesagt. Da sie jedoch auf ihren Butler wartete, verkniff sie sich diesen Wunsch, zumal sie in diesem Augenblick auf einen Sammelband stieß, in dem sich Kurzgeschichten einer gewissen Agatha Christie befanden.

      Ein wenig herablassend blätterte die ältere Dame in dem Sammelband und wurde dann gegen ihren Willen von dem Beginn einer Kriminalgeschichte gefesselt. Nicht gerade begeistert räumte sie ein, daß diese Frau eigentlich doch recht interessant schrieb. Gewiß, sie war keine Wundererscheinung, wie die Kritik sie pries, aber sie ließ sich durchaus lesen.

      Agatha Simpson, die diese Schriftstellerin früher oder später völlig in den Schatten stellen wollte, ließ sich jedoch leicht ablenken. Ihr fiel auf, daß in dieser langen, schlauchartigen Buchhandlung erstaunlich viele Herren erschienen, die ihre Käufe sehr schnell tätigten.

      Sie betraten das Antiquariat, schlenderten an dem langen Regal rechts an der Wand entlang, griffen nach einem der Taschenbücher und bezahlten dann hinten an der Kasse. Der Umsatz an Taschenbüchern mußte beachtlich sein.

      Agatha Simpson war stets in Sorge, etwas verpassen zu können. Also wechselte sie den Standort und suchte sich an einem der Querregale einen Platz, von wo aus sie das Längsregal besser einsehen konnte. Dabei blätterte sie natürlich wieder scheinbar interessiert in einem Band, den sie sich aus dem Regal gegriffen hatte.

      Ein neuer Künde erschien gerade.

      Agatha Simpson sah deutlich, daß dieser etwa vierzigjährige Mann wirklich wahllos nach einem Taschenbuch langte. Die Detektivin hatte Glück und konnte mit ihren guten Augen sogar den Titel erkennen. Demnach interessierte dieser neue Kunde sich für einen »Kurzen Abriß der Psychoanalyse.«

      Er ging weiter, ohne auch nur einen einzigen Blick auf den Titel dieses Taschenbuches zu werfen, verschwand fast im Dämmerlicht des hinteren Ladens und verhandelte dort mit dem Buchhändler. Nach wenigen Minuten erschien er wieder vorn in Lady Simpsons Höhe und tat etwas Erstaunliches.

      Der Kunde schob das Taschenbuch zurück ins Regal, zündete sich eine Zigarette an und verließ wieder das Antiquariat. Die Lady fragte sich unwillkürlich, was dieser Kunde dort hinten an der Kasse wohl bezahlt haben mochte. Sie hatte schließlich deutlich das Geräusch von gewechselten Münzen gehört.

      Und da erschien auch schon der nächste Kunde.

      Auch er hielt sich nicht lange vor dem Längsregal auf, griff wahllos nach irgendeinem Buch, verschwand nach hinten in Richtung Kasse und blieb dort vielleicht zwei oder drei Minuten, um dann wieder vorn zu erscheinen. Er nahm sein Taschenbuch jedoch mit.

      Dafür zeigten sich die beiden nächsten Kunden desinteressiert an einem Buchkauf. Auch sie bezahlten irgendeine Ware weit hinten im Antiquariat, kamen wieder zurück in Richtung Eingang, stellten ihre Bücher zurück ins Regal und gingen dann nach draußen.

      Agatha Simpson witterte ein Geheimnis.

      Ihre Wangen färbten sich rosa, sie machte einen äußerst animierten Eindruck. Die ältere Dame ergriff nun ebenfalls ein Taschenbuch und ging nach hinten zur Kasse.

      »Sie haben was gefunden, Madam?« fragte der Buchhändler, den Lady Simpson jetzt endlich sah. Es handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, untersetzten und beleibten Mann mit schlauen Fuchsaugen.

      »Das hier«, sagte Agatha Simpson. »Oder kann ich noch etwas anderes bekommen?«

      »Sie brauchen nur zu wählen, Madam«, erwiderte der Beleibte geschmeidig. Er schien nur an Bücher zu denken.

      »Dann möchte ich das haben, was die Herren eben bekamen«, sagte die Detektivin. »Streiten Sie erst gar nicht ab, daß es das gibt! Ich habe schließlich Augen im Kopf.«

      »Was sollen die Kunden denn außer Büchern bekommen haben?« wollte der Buchhändler wissen. Seine schmalen Fuchsaugen verengten sich.

      »Darüber werde ich jetzt ausführlich mit Ihnen reden, junger Mann.« Agatha Simpsons Gesicht hatte einen grimmigen Ausdruck angenommen. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk geriet in verdächtige Schwingungen.

      »Okay, Mylady, kommen Sie ins Büro«, schlug der Buchhändler vor. Agatha Simpson nickte gewährend und folgte dem gerissenen Fuchs in den Bau. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, auf was sie sich da eingelassen hatte ...

      *

      Die resolute Detektivin sah sich zwei jungen Männern gegenüber, die sich mit einer großen Aktentasche befaßten. Sie mochten etwa dreißig Jahre alt sein und stammten aus jenem Morris, auf den Butler Parker aufmerksam geworden war. Doch davon wußte Lady Simpson nichts. Sie spürte nur, daß ihr die Gesichter der beiden jungen Männer nicht gefielen.

      »Die Alte schnüffelt im Laden rum«, sagte der Buchhändler in einem Ton, auf den die Detektivin sofort allergisch reagierte. »Schnappt sie euch und dreht sie mal durch den Wolf! Ich will wissen, wer sie ist...«

      »Ihr Ton ist äußerst rüde«, stellte Agatha Simpson streng fest. Der Pompadour an ihrem linken Handgelenk geriet in stärkere Schwingungen.

      »Halt bloß die Klappe, altes Mädchen«, wurde der Buchhändler ruppig.

      »Ihr Ton gefällt mir immer weniger«, warnte Lady Simpson. »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie es zu tun haben!«

      »Sie sind doch diese Alte, die dauernd in fremder Leute Angelegenheiten rumschnüffelt, oder?« erkundigte sich der erste junge Mann.

      »Und zwar zusammen mit diesem komischen Butler«, fügte der zweite hinzu. »Eben aufm Parkplatz, da hat er sich auch schon rumgetrieben.«

      »Sie benehmen sich flegelhaft«, monierte Agatha Simpson grimmig.

      »Und Sie spielen mit dem Feuer, altes Mädchen«, sagte der Buchhändler warnend, »’ne kleine Lektion kann bestimmt nicht schaden.«

      Er sah die beiden jungen Männer an, die bösartig grinsten. Sie hatten den Buchhändler sofort verstanden, näherten sich drohend der älteren Dame und wollten sie ängstigen. Eine ernsthafte Gegnerin konnte diese Frau für sie natürlich niemals sein, wie sie sich einredeten.

      »Sie stehen einer Dame gegenüber«, warnte Agatha Simpson.

      »Die in der Zukunft schön in der Bude bleibt und stricken wird«, sagte der erste junge Mann.

      »Oder häkelt«, meinte der zweite. »Dann hat sie nämlich kapiert, wie gefährlich das Leben sein kann.«

      »Ich habe es ja mit Flegeln zu tun«, sagte die Detektivin grimmig und ... knallte dem ersten jungen Mann ihren Pompadour gegen die linke Kopfseite.

      Die Wirkung war geradezu verheerend.

      In dem bestickten Handbeutel befand sich Myladys Glücksbringer, ein echtes Hufeisen, das aus Gründen der Menschlichkeit mit einer dünnen Lage Schaumstoff umwickelt war.

      Der Getroffene verdrehte die Augen, blieb einen Moment wie erstarrt stehen und entwickelte dann den dringenden Wunsch, sich in dem hinter ihm stehenden Büroschrank zu verkriechen. Da die Schranktür jedoch geschlossen war, durchbrach er sie einfach und verhedderte sich anschließend in den Holztrümmern.

      Der zweite junge Mann stutzte noch, als ihn der Schlag mit dem Pompadour traf. Er stöhnte auf, grunzte ein wenig und verschwand dann unter dem Schreibtisch des Buchhändlers. Hier rollte der junge Mann sich zusammen und haderte mit seinem Schicksal, bevor er ohnmächtig wurde.

      Der Buchhändler hatte eigentlich noch gar nicht begriffen, als Agatha Simpson sich mit ihm befaßte. Er schaute gerade vom Schreibtisch zurück zum zertrümmerten Schrank, in dem der erste junge Mann es sich in einem Zwischenfach bequem gemacht hatte. Dann aber ging ihm ein Licht auf. Er begriff, daß hier irreguläre Dinge geschehen waren. Der beleibte Buchhändler riß beide Arme hoch und ergab sich. Wie hypnotisiert starrte er dabei auf den pendelnden Pompadour in