Dieses Buch ist eine gekürzte Version des unten genannten englischen Originaltitels. Alle Diskurse, die Osho vor einer internationalen Zuhörerschaft gehalten hat, sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der online- Bibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com
Titel der englischen Originalausgabe:
Until You Die
Ebook-Ausgabe 2019
Umschlaggestaltung: Bunda S. Watermeier, www.watermeier.net
Kalligrafie: www.arabische-kalligrafie.ch
Übersetzung: Nirvano Spohr
Copyright © 2002 Osho International Foundation, Schweiz
Copyright © 2007 Innenwelt Verlag GmbH, Köln
Alle Rechte vorbehalten
OSHO ® is a registered trademark of Osho International Foundation, Switzerland, used under license
eISBN 978-3-947508-28-0
INHALT
5. Wahrheit ist nie verschleiert
6. Das Außen ist nur ein Vorwand
8. Wer hat dir den Weg gezeigt
9. Wörter können nicht viel sagen
1. KAPITEL
NICHT BEVOR DU STIRBST
In Bokhara lebte einst ein reicher und freigiebiger Mann.
Da er einen hohen Rang in der verborgenen Hierarchie einnahm,
war er als ‚Präsident der Welt‘ bekannt.
Jeden Tag verschenkte er an eine bestimmte Gruppe von
Leuten Gold – an die Kranken, die Witwen und so weiter.
Aber wer den Mund auftat, bekam nichts.
Nicht alle konnten den Mund halten.
Eines Tages waren die Advokaten an der Reihe,
ihren Anteil am Goldsegen einzuheimsen.
Einer von ihnen konnte sich nicht enthalten,
eine höchst umständliche Bittrede vorzutragen.
Er bekam nicht einen Heller.
Dabei ließ er es nun aber nicht bewenden.
Als am nächsten Tag die Invaliden ihre Unterstützung erhielten,
schmuggelte er sich als Krüppel getarnt unter sie.
Aber der ‚Präsident‘ erkannte ihn und gab ihm nichts.
Immer wieder versuchte er es von Neuem –
selbst als Frau verkleidet. Aber ohne Erfolg.
Schließlich wandte sich der Advokat an einen
Beerdigungsunternehmer und trug ihm auf,
ihn in ein Leichentuch einzuwickeln.
„Wenn dann der Präsident vorbeikommt, wird er mich für einen
Toten halten und vielleicht ein paar Münzen auf mich werfen,
für die Beerdigung. Dann bekommst du etwas von dem Geld ab.“
Und so kam es auch.
Ein Goldstück aus der Hand des Präsidenten fiel auf das
Leichentuch. Der Advokat griff sofort zu, aus Angst,
der Beerdigungsunternehmer könne ihm zuvorkommen.
Dann sagte er zu dem Wohltäter:
„Du hast mir dein Gold verweigert.
Schau, wie ich es mir dennoch geholt habe!“
„Du irrst“, erwiderte der Spender,
„du kannst nichts von mir bekommen,
bevor du nicht stirbst…“
Das ist die Bedeutung des geheimnisvollen Spruches:
„Der Mensch muss sterben, bevor er stirbt.“
Die Gabe erfolgt erst nach diesem ‚Tod‘, nicht vorher.
Und trotzdem kann ohne Hilfe dieser ‚Tod‘ nicht
geschehen.
Es gibt solche und solche Religionen, aber der Sufismus ist von allen Religionen das Herzstück, der innerste Kern, die eigentliche Seele. Der Sufismus gehört nicht zum Islam. Eher umgekehrt: der Islam gehört zum Sufismus. Den Sufismus gab es schon lange vor Mohammed, und es wird ihn noch geben, wenn Mohammed vergessen sein wird.
Die Islame kommen und gehen. Religionen bilden sich und lösen sich auf. Der Sufismus aber bleibt, er wird immer leben – weil er kein Dogma kennt. Er ist das Herz aller Religiosität.
Man kann ein Sufi sein, ohne je vom Sufismus gehört zu haben, solange du nur religiös bist. Krishna ist ein Sufi, Jesus ebenfalls. Mahavir ist ein Sufi, und Buddha auch. Dabei haben sie das Wort ‚Sufismus‘ nie gehört, sie hatten keine Ahnung, dass es so etwas gab.
Jede Religion ist nur so lange lebendig, als in ihr der Sufismus lebendig ist. Eine Religion stirbt, sobald sie den Geist, den Sufi-Geist, ausgehaucht hat. Jetzt bleibt nur noch der Leichnam zurück – mag er noch so schön hergerichtet sein mit Philosophien, Metaphysik, Dogmen und Doktrinen. Sobald eine Religion den Sufismus ausgehaucht hat, riecht sie nach Verwesung. Das war immer so. Und es geschieht auch jetzt fast überall auf der ganzen Welt. Wenn man nicht aufpasst, schleppt man sich noch lange mit einem toten Körper ab.
Aus dem Christentum ist der Sufismus heute verschwunden. Es ist eine tote Religion. Die Kirche hat sie umgebracht. Wenn die „Kirche“ überhand nimmt, muss der Sufismus den Körper verlassen. Er verträgt sich nicht mit Dogmen. Er verträgt sich nicht mit Theologie. Sie sind schlechte Weggenossen. Und mit Päpsten und Priestern hält er es überhaupt nicht aus. Sie sind sein absoluter Gegensatz! Der Sufismus hat keine Päpste und Priester nötig; er braucht keine Dogmen. Er hat nichts mit dem Kopf zu tun, sondern ist eine Sache des Herzens. Das Herz ist seine Kirche – keine organisierte Kirche, denn jede Organisation ist vom Verstand bestimmt. Und wenn erst einmal der Kopf das Regime übernimmt, dann muss das Herz