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Schwungvoll durchquerte Valentin Graf von Ahlenburg die Halle des Wasserschlosses. Auf dem italienischen Marmorfußboden hallten seine Schritte wider und erfüllten den Raum. Durch die bodentiefen Fenster, die am Ende der Halle den Blick in den Park freigaben, drang das Sonnenlicht und spielte mit den prachtvollen facettenreichen Kristalllüstern. Wie kleine farbenfrohe Sterne tanzten die Lichtreflexe über die Gemälde an den Wänden. Der Graf wollte gerade die breite schwungvolle Treppe hinaufsteigen, als sich eine der zahlreichen Türen öffnete, die von der Halle abgingen. Arthur, der nicht mehr ganz junge Hausdiener, der seit fast vierzig Jahren im Dienst der Familie stand, kam auf Graf Valentin zu und nahm ihm die Jacke ab.
»Sie gestatten, dass ich mich um Ihre Garderobe kümmere, Herr Graf.«
»Ja, danke, Arthur. Ich bin auf der Suche nach meiner Mutter. Wissen Sie, ob sie sich oben in ihren Privaträumen aufhält?«
»Nein, dort ist sie nicht. Ihre Frau Mutter befindet sich auf der Südterrasse. Sie wollte dort die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne ausnutzen. Eine der Hausdamen hat ihr dort soeben Kaffee serviert.«
»Kaffee? Das ist eine ausgezeichnete Idee. Lassen Sie mir doch bitte auch eine Tasse Kaffee auf die Terrasse bringen.«
Arthur nickte lächelnd und zog sich zurück. Graf Valentin wanderte durch den großen Salon, an den sich die Südterrasse anschloss. Diese großzügige Terrasse überspannte den Wassergraben und war mit stilvollen wetterfesten Möbeln bestückt. Drei breite Stufen führten von der Terrasse in den weitläufigen Park, für dessen Pflege zwei Gärtner angestellt waren.
Constanze Gräfin von Ahlenburg, eine neunundfünfzig Jahre alte elegante und immer sehr attraktiv wirkende Frau wollte aufstehen, als sie ihren Sohn kommen sah. Valentin hielt sie allerdings davon ab.
»Bleib ruhig sitzen, Mutter. Meinetwegen brauchst du deinen schönen sonnigen Platz nicht zu verlassen. Ich setze mich zu dir und leiste dir Gesellschaft. Bei dieser Gelegenheit kann ich dir auch gleich von einem neuen Geschäftsabschluss berichten. Ich habe heute eine weitere Kaffeeplantage gekauft, die ganz in der Nähe unserer schon vorhandenen Plantagen in Brasilien liegt. Durch den wirtschaftlichen Niedergang des bisherigen Besitzers, der übrigens durch eigenes Verschulden in finanzielle Not geraten ist, konnte ich das Gebiet ausgesprochen günstig erwerben. Das Geschäft ist abgeschlossen. Die Verträge sind heute unterzeichnet worden.«
Die Gräfin lächelte ihren Sohn an. »Das ist eine schöne Nachricht. Dein Vater wäre stolz auf dich, wenn er noch erleben könnte, wie gut du die Arbeit in seinem Sinn weiterführst. Es ist bedauerlich, dass er uns schon so früh verlassen musste und das Krebsleiden nicht besiegen konnte. Obwohl das nun schon zwei Jahre zurückliegt, habe ich oft den Eindruck, als wäre es erst gestern gewesen.«
»Mir ergeht es ebenso«, gestand Valentin. »Manchmal meine ich, dass sich gleich irgendwo eine Tür öffnen und Vater hereinkommen müsste. Aber wir müssen das Schicksal akzeptieren und vielleicht sogar dankbar dafür sein, dass wir viele Jahre lang eine glückliche Familie gewesen sind, in der es nie Probleme gab.«
»Dafür bin ich tatsächlich dankbar. Allerdings bereitet es mir ein wenig Kummer, dass sich der größte Wunsch deines Vaters nicht mehr zu seinen Lebzeiten erfüllt hat. Er hat immer davon geträumt, dass du eines Tages eine nette Schwiegertochter ins Haus führst und dass er sich über ein Enkelkind freuen kann.«
»Das weiß ich«, meinte Graf Valentin nickend. »Aber diesen Wunsch konnte ich ihm leider nicht erfüllen. Die richtige Frau, mit der ich mein ganzes Leben verbringen möchte, habe ich einfach noch nicht gefunden. Mir ist auch bekannt, dass nicht nur Vater diesen Wunsch hatte. Du würdest auch recht gern eine passende Schwiegertochter präsentiert bekommen, nicht wahr?«
Die Gräfin fühlte sich ertappt. »Das kann ich nicht abstreiten. Der gesamte Westflügel des Schlosses steht dir und deiner zukünftigen Familie zur Verfügung. Es wäre schön, wenn dort Einzug gehalten würde. Besonders seit Vaters Tod kommt mir das Schloss trotz unserer zahlreichen Bediensteten leer und einsam vor.«
»Irgendwann werde ich schon die richtige Partnerin finden und damit auch deinen Wunsch erfüllen.«
Gräfin Constanze musterte ihren Sohn eingehend. »Irgendwann! Mein Sohn, es ist dir doch schon bewusst, dass die Uhren auch für dich nicht angehalten werden. Die Zeit läuft weiter, und du wirst nicht jünger.«
Graf Valentin musste herzhaft lachen. »Mutter, wenn man dich so argumentieren hört, könnte man meinen, dass meine besten Jahre bereits hinter mir lägen. Ich bin achtundzwanzig Jahre alt und damit noch längst kein alter Mann. Oder wäre es dir lieber gewesen, wenn ich schon als Abiturient eine Ehe eingegangen wäre und dir kurze Zeit später, zu Anfang des Studiums, ein Enkelkind präsentiert hätte?«
»Gott bewahre!« Gräfin Constanze hob abwehrend die Hände. »Sämtliche Adelskreise hätten sich die Mäuler über uns zerrissen. Nein, das wäre selbstverständlich mehr als unangenehm gewesen. Aber inzwischen hast du dein Studium längst abgeschlossen und verwaltest unsere Ländereien. Einer privaten Zukunftsplanung steht also nichts mehr im Wege.«
»Bis auf die Tatsache, dass ich die passende Frau noch nicht gefunden habe«, erinnerte Valentin seine Mutter. »Mir ist bekannt, dass es zahlreiche junge Frauen aus den besten Kreisen gibt, die mich lieber heute als morgen ehelichen würden. Einige davon sind sogar recht sympathisch. Aber ich liebe keine von ihnen, und ich möchte einzig und allein aus Liebe heiraten.«
»Das kann ich gut verstehen. Bei deinem Vater und mir ist das damals nicht anders gewesen. Wir sind von unseren Familien genötigt worden, doch möglichst bald zu heiraten. Aber keiner von uns beiden konnte sich dazu entschließen.
Auch für uns war es problematisch, den passenden Partner zu finden. Das hat sich dann plötzlich geändert, als wir beide uns zufällig während einer Jagdveranstaltung auf Schloss Bilsenrode begegnet sind. Schon nach einer Stunde hatten wir das sichere Gefühl, füreinander bestimmt zu sein.«
Valentin betrachtete das von der Erinnerung an längst vergangene Zeiten verklärte Gesicht seiner Mutter und lächelte verständnisvoll.
»Siehst du, dann wirst du auch begreifen, dass ich noch warten muss. Irgendwann wird mir die Frau begegnen, die ich von Herzen liebe. Wann das geschehen wird, kann ich dir nicht sagen. Aber ich habe nicht vor, mein Leben lang Junggeselle zu bleiben. Du wirst ganz bestimmt eines Tages eine Schwiegertochter bekommen.«
»Hoffentlich noch zu meinen Lebzeiten«, erwiderte die Gräfin und warf ihrem Sohn einen Blick zu, in dem ein gewisser Schalk nicht zu übersehen war.
*
Sorgfältig schloss Charlotte Legrell die Eingangstür des kleinen Einfamilienhauses ab, in dem sie seit einigen Jahren wohnte. Das bescheidene, aber bestens gepflege alte Haus hatte die fünfundzwanzig Jahre alte Frau von ihren Eltern geerbt. Aufgewachsen war sie hier allerdings nicht. An ihre
Eltern konnte Charlotte sich überhaupt nicht mehr erinnern. Sie war nicht einmal drei Jahre alt gewesen, als Vater und Mutter bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen waren. Charlotte und ihr seinerzeit zehn Jahre alter Bruder Leon waren anschließend in einem Heim aufgewachsen, da es keine Verwandten gab, die sich um die Kinder hätten kümmern können. Das Haus der Eltern war bis zur Volljährigkeit der Kinder mündelsicher verwahrt worden. Leon hatte an dem Objekt später allerdings kein Interesse gehabt. Er war schon in jungen Jahren nach Spanien ausgewandert und betrieb auf der Insel Mallorca eine Segelschule, die sich großer Beliebtheit erfreute.
Charlotte hatte nach ihrer Schulzeit eine Ausbildung zur Goldschmiedin absolviert und anschließend eine Anstellung in der Kleinstadt gefunden, an deren Rand das Haus ihrer Eltern lag. Sie arbeitete in einem äußerst exquisiten Schmuckgeschäft und fühlte sich dort sehr wohl. Bei ihren beiden Chefs, Vater und Sohn, handelte es sich um ausgesprochen freundliche Menschen, die Charlottes Qualifikation und ihr großes Talent zu schätzen wussten. Außerdem waren sie sehr verständnisvoll, was sich vor knapp zwei Jahren ganz deutlich gezeigt hatte.
Charlotte hatte seinerzeit eine Hundeausstellung besucht und war mit einem der Züchter ins Gespräch gekommen. Er erzählte ihr von einer seiner Hündinnen, die gerade fünf Welpen zur Welt gebracht hatte. Vier davon waren gesund und putzmunter. Der