Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 16 – Kriminalroman


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subtitle>Der exzellente Butler Parker – 16 –

      »Darf ich Sie bitten, mir in mein Büro zu folgen?« Der Unbekannte, der Agatha Simpson respektlos auf die Schulter tippte, zählte schätzungsweise fünfundvierzig Jahre und machte einen ausgesprochen smarten Eindruck. Die reiche Witwe, die gerade in Begleitung ihres Butlers durch die Schmuckabteilung von »Wellwoods Warenhaus« bummelte, reagierte sofort. »Finger weg, junger Mann!« fuhr sie den elegant gekleideten Schönling an. »Sonst muß ich Ihnen Manieren beibringen.«

      »An Ihrer Stelle würde ich jedes Aufsehen vermeiden«, gab ihr Gegenüber ungerührt zurück und zückte ein Plastikkärtchen, das ihn als Warenhausdetektiv auswies. Hämisch grinsend deutete er auf ein Stück Bernsteinkette, das unübersehbar aus Myladys Jackentasche schaute.

      »Das ist doch die Höhe!« fauchte die passionierte Detektivin. »Ausgerechnet mir einen Ladendiebstahl anhängen zu wollen! Als ob eine Lady Simpson das nötig hätte!«

      »Einzelheiten können wir in meinem Büro besprechen«, drängte der Detektiv. Schon bildete sich einen Traube neugieriger Kunden ...

      »Ich bestehe darauf, sofort den Geschäftsführer zu sprechen, damit ich mich wegen dieses dreisten Übergriffs beschweren kann«, grollte die ältere Dame. Angesichts der wachsenden Zahl von Schaulustigen zog sie es dann aber doch vor, dem Detektiv wütend zu folgen. Josuah Parker begleitete seine Herrin – in würdevoller Haltung und mit undurchdringlicher Miene.

      »Wir können die Sache bereinigen, ohne die Polizei einzuschalten«, bot der Smarte an, nachdem man in einem bescheiden eingerichteten Büro Platz genommen hatte. »Sie geben den gestohlenen Schmuck heraus, unterschreiben eine Schuldanerkenntnis und zahlen eine Bearbeitungsgebühr von hundert Pfund ...«

      »Hundert Pfund?« unterbrach Lady Agatha und stimmte ein Hohngelächter an. »Keinen Penny werde ich zahlen. Schließlich waren Sie es ja, der mir die Kette heimlich in die Tasche gestopft hat.«

      »Unerhört!« entrüstete sich nun der Detektiv. »Sie wollen im Ernst behaupten, daß ich ...«

      »In der Tat, junger Mann«, bekräftigte Mylady. »Deshalb will ich jetzt unverzüglich den Geschäftsführer sprechen. Wird’s bald? Meine Zeit ist kostbar.«

      »Wenn Sie derart uneinsichtig sind, bleibt mir keine Wahl«, entgegnete der Mann. »Ich werde den Geschäftsführer hinzuziehen und anschließend die Polizei einschalten.«

      Kopfschüttelnd griff er zum Telefonhörer. »Mister Wellwood? Hier ist Pool. Wäre es Ihnen möglich, für einen Augenblick herüberzukommen?«

      Kaufhauschef Fred Wellwood war noch ein junger Mann. Parker schätzte ihn auf höchstens fünfunddreißig. Er war sportlich-salopp gekleidet. Die blaßblauen Augen im gebräunten Gesicht blickten offen und freundlich.

      »Ich habe diese Dame auf frischer Tat ertappt, als sie eine Bernsteinkette in ihrer Jackentasche verschwinden ließ, Mister Wellwood«, trug Detektiv Pool seine Anklage vor.

      »Unverschämtheit!« fuhr die resolute Lady dazwischen. »Der dreiste Lümmel hat mir die Kette eigenhändig in die Tasche geschmuggelt! Als ob eine Lady Simpson es nötig hätte, eine Bernsteinkette zu stehlen, der man schon von weitem ansieht, daß sie nicht mal echt ist.«

      »Lady Simpson?« wiederholte Wellwood überrascht. »Sie sind Lady Simpson, die berühmte Privatdetektivin?«

      »So ist es«, bestätigte Agatha Simpson geschmeichelt.

      »Das läßt den bedauerlichen Zwischenfall natürlich in einem anderen. Licht erscheinen«, lenkte Wellwood ein. »Könnte es nicht sein, daß Sie sich geirrt haben, Mister Pool? Jeder Mensch macht mal einen Fehler.«

      »Ausgeschlossen, Mister Wellwood«, beharrte der Detektiv. »Ich habe genau gesehen ...«

      »Unsinn!« fuhr Mylady ihm über den Mund. »Gar nichts haben Sie gesehen, junger Mann. Dafür habe ich eindeutig bemerkt, wie Sie mir dieses läppische Kettchen in die Tasche geschoben haben.«

      »Haben Sie denn einen Zeugen, der Ihre Darstellung bestätigen kann, Mister Pool?« erkundigte sich Wellwood.

      »Natürlich nicht«, brummte der Detektiv.

      »Aber ich habe einen Zeugen, Mister Smellgood«, triumphierte Agatha Simpson. »Mister Parker wird Ihnen bezeugen, daß sich alles so zugetragen hat, wie ich es Ihnen dargestellt habe.«

      »Nicht mal im Traum würde es meiner bescheidenen Wenigkeit einfallen, Myladys Schilderung zu widersprechen«, versicherte Parker durchaus wahrheitsgemäß.

      Pools Gesicht nahm allmählich die Farbe einer vollreifen Tomate an. Nervös tupfte er sich mit einem weißen Spitzentuch die Schweißperlen von der Stirn.

      »Ihr Eifer in allen Ehren, Mister Pool«, wies Wellwood ihn ebenso höflich wie bestimmt zurück. »In diesem Fall haben sie aber mit Sicherheit den Falschen erwischt.«

      »Oh, mein Kreislauf!« wimmerte Agatha Simpson plötzlich mit schwacher Stimme. »Die Aufregung war Gift für meine sensible Natur.«

      »Um Himmel willen, Mylady«, rief Wellwood besorgt. »Soll ich einen Krankenwagen bestellen?«

      »Nein, nein«, wehrte die Detektivin mit einer müden Handbewegung ab. »Nur einen Schluck zu trinken. Dann geht es gleich wieder besser.«

      »Ich lasse Ihnen ein Glas Wasser bringen, Mylady«, bot der Kaufhauschef an.

      »Nein, kein Wasser!« stöhnte die ältere Dame und rang entsetzt die Hände. »Das macht alles noch schlimmer.«

      »Mylady pflegt ihren Kreislauf mit alkoholhaltigen Stärkungsmitteln französischer Provenienz zu therapieren, falls die Anmerkung erlaubt ist«, setzte Parker Wellwood ins Bild.

      »Ach so«, lächelte der Chef. »In meinem Büro habe ich einen hervorragenden Kognak, Mylady. Schaffen Sie die paar Schritte, oder soll ich ihn herbringen lassen?«

      »Es wird schon gehen«. Lady Agatha erhob sich schnaufend.

      Im Weggang bedachte sie den Kaufhausdetektiv noch mit einem triumphierenden Blick. In den Augen des Mannes glomm der Haß ...

      *

      »Geht es Ihnen jetzt besser, Mylady?« erkundigte sich Wellwood.

      »Es kommt so langsam wieder«, entgegnete die Detektivin und schob ihm das Glas zum Nachfüllen hin. »Etwas besser ist es schon, Mister Sellgood.«

      »Verzeihung, Mylady. Wellwood«, korrigierte der Warenhausbesitzer.

      »Was meinten Sie, junger Mann?« fragte die ältere Dame irritiert.

      »Mein Name lautet Wellwood, Mylady«, wurde der Hausherr deutlicher.

      »Richtig, Smellgood«, nickte Lady Agatha und hob ihr Glas zum drittenmal. »Sagte ich das nicht?«

      »Möglicherweise habe ich mich nicht deutlich genug vorgestellt, Mylady«, nahm Wellwood die Schuld auf sich und überreichte seine Karte.

      »Wie auch immer«, schaffte Agatha Simpson die Sache mit einem verbindlichen Lächeln aus der Welt. »Namen sind Schall und Rauch, mein Lieber.«

      »Man ist überrascht, diesen Satz aus dem Mund einer Angehörigen des britischen Hochadels zu vernehmen, Mylady«, sagte Wellwood und schenkte unaufgefordert nach, was die ältere Dame mit deutlichem Wohlwollen quittierte. »Aber Sie sind eben eine ungewöhnliche Frau.«

      »Eigenlob liegt mir natürlich fern, Mister Smellgood«, antwortete Agatha Simpson geschmeichelt. »Aber Sie haben wirklich den Kern der Sache getroffen. Ihre Auffassungsgabe ist beachtlich.«

      »Danke für das Kompliment, Mylady«, sagte Wellwood. »Im übrigen möchte ich es aber nicht versäumen, mich noch mal bei Ihnen für Mister Pools pflichtwidrigen Übereifer zu entschuldigen.«

      »Der Mann kann von Glück reden, daß ich nicht nachtragend bin«, behauptete die passionierte Detektivin.

      »Es hätte nicht vorkommen dürfen«, erklärte Wellwood. »Obwohl ich verstehe, daß der Mann nervös ist.«

      »Darf man möglicherweise um Aufklärung darüber bitten, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchten, Mister Wellwood?« schaltete Parker