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Alexandré Dumas
Berühmte Kriminalfälle
8. Band
Impressum
Texte: Alexandré Dumas
Umschlag: Walter Brendel
Übersetzer: Friedrich Wilhelm Bruckbräu
Nachwort: Walter Brendel
Verlag: Brokatbookverlag Gunter Pirntke / Das historische Buch
Gunter Pirntke
Altenberger Straße 47
01277 Dresden
[email protected] / [email protected]
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel. Eine Familie von Landleuten
Drittes Kapitel. Der Capitain von Beaudricourt
Viertes Kapitel. Der edle Dauphin
Sechstes Kapitel. Die Belagerung von Orleans
Siebentes Kapitel. Jargau und Patay
Neuntes Kapitel. Das Schwert der heil. Katharina von Fierbois
Zwölftes Kapitel. Der Märtyrertod
Nachwort des Herausgebers zu dieser Serie
Johanna d'Arc
Erstes Kapitel. Eine Familie von Landleuten
Am Tage der Heiligen Drei Könige im Jahre unseres Herrn 1429, gegen zehn Uhr Morgens, ritt ein völlig gewappneter Ritter auf seinem Schlachtrosse, gefolgt von seinem Schildknappen und von seinem Pagen die einige Schritte hinter ihm sich hielten, in das Dorf Domremy, welches man Domremy-les-Greux nannte, und das seitdem diese zweite Benennung verloren hat: da er, der Kirche gegenüber angekommen, sah, dass das heilige Messopfer noch nicht beendigt war, hielt er an, stieg von seinem Rosse ab, gab seinen Helm, seinen Degen und seine Sporen seinem Pagen1 und ging, also, entwaffnet, die vier Stufen hinauf, die zur Vorhalle der Kirche führten, mit dem festen und zuversichtlichen Gange des Edelmannes, mitten durch die Bauern schreitend, von denen das Haus des Herrn dergestalt wimmelte, dass die zuletzt Gekommenen waren genötigt worden, sich auf die Stufen und selbst auf die Straße zu knien.
Aber der edle Kriegsmann, wie man leicht begreift, gehörte nicht zu jenen, welche demütig vor der Tür bleiben; daher brach er sich Bahn durch dieses Gedränge das übrigens, bei dem widerhallenden Dröhnen seiner Schritte, von selbst sich öffnete, und kniete sich ebenfalls zu dem kleinen eisernen Gitter hin, das den Priester von den Anwesenden trennte, so zwar, dass er sogar weiter vorne war, als die Kirchensänger, und zwischen dem Priester und ihm nur der Sakristan und die Chorknaben sich befanden. Zum Unglücke für die religiösen Wünsche des guten Ritters, hatte er sich ein wenig spät eingestellt, und da die Messe in dem Augenblicke seines Eintrittes sich ihrem Ende näherte, kaum Zeit gefunden, ein Vater Unser zu beten, als der Priester die sakramentlichen Worte sprach, verkündend, dass der Gottesdienst zu Ende sei, und an ihm vorüberging, in die Sakristei das silberne Cilborium forttragend, das er so eben zur Comminumon benützt hatte.
Bei dieser Verkündigung und diesem Aufbruch des die Messe lesenden Priesters, stand, wie es Sitte ist, Jedermann auf, machte das Zeichen des Kreuzes, und ging der Tür zu, mit Ausnahme des Ritters, welcher ohne Zweifel mit seinem Gebete noch nicht fertig, der Letzte von Allen vor dem Chore knien blieb, und mit einer Andacht zu Gott betete, die, von diesem Jahrhunderte an, unter den Kriegsmännern sehr selten zu werden begann; daher begab sich, entweder weil die Landsleute ob dieser Frömmigkeit betroffen waren, oder bei dem Anblicke eines Mannes, der dem Adel anzugehören schien, von ihm Nachrichten über die Staatsangelegenheiten zu erhalten hofften, welche zu jener Zeit misslich genug waren, um die Vornehmsten des Königreiches wie die geringsten Dorfbewohner zu beschäftigen, nur ein unbedeutender Teil der Gläubigen nach Hause, die Mehrzahl blieb, ungeachtet einer ziemlich heftigen Kälte, veranlasst durch zwei oder drei Zoll hohen Schnee, die während der Nacht gefallen waren, auf dem Platze, Gruppen bildend, jedoch ohne dass, trotz der guten Lust, die Jeder von Ihnen dazu hatte, auch nur ein Einziger unter allen diesen wackeren Leuten sich befand, der den Pagen oder den Schildknappen zu fragen wagte.
Unter diesen Gruppen befand sich eine, die, ohne dem Anblicke etwas Merkwürdigeres, als die übrigen, zu bieten, dennoch die Aufmerksamkeit des Lesers fesseln mag. Diese Gruppe bestand aus einem Manne von ungefähr achtundvierzig bis fünfzig Jahren, aus einer Frau von vierzig bis fünfundvierzig, aus drei jungen Leuten und einem jungen Mädchen. Der Mann und die Frau, obgleich, wegen der harten Feldarbeiten, ein wenig älter aussehend, als sie wirklich waren, schienen dennoch eine kräftige Gesundheit zu genießen, die dazu beitragen mochte, die Heiterkeit des Gemütes zu unterhalten, welche man in ihren Mienen las; die drei jungen Leute, von denen die beiden Älteren, der Eine fünfundzwanzig, der Andere vierundzwanzig Jahre, alt sein konnten, und der Dritte sechzehn zu zählen schien, waren kräftige Ackerleute, und seit ihrer Geburt, wie man wohl sah, von jenen tausend kleinen Unpässlichkeiten befreit, welchen die schwächliche Gesundheit des Kindes der Städte ausgesetzt ist; daher schienen sie fröhlich und wacker die Last der erblichen Arbeit tragen zu können, zu der Gott den Menschen verdammte, als er ihn aus dem irdischen Paradiese verjagte; das junge Mädchen endlich war eine dicke und frische Bäuerin, an welcher man, ungeachtet der milderen Formen des Weibes, und obgleich sie kaum neunzehn Jahre zählte, noch die kräftige Natur ihres Vaters und ihrer zwei älteren Brüder erkennen konnte.
Obgleich diese Gruppe am nächsten derjenigen stand, die der Page, der Schildknappe und die drei Pferde bildeten, schien doch keine von den Personen derselben entschlossen, anders als mit den Augen die Diener des Ritters zu fragen, da der Page durch die verachtende und spöttische Miene seines Gesichtes, und der Schildknappe durch eine Physiognomie sie einschüchterte, deren brutaler Ausdruck bis zur Wildheit ging: sie begnügten sich also, sie schweigend anzuschauen, und unter sich mit leiser Stimme einige Vermutungen zu wechseln, als ein Bauer, eine von den nahen Gruppen verlassend, jener sich näherte, die wir der Aufmerksamkeit unserer Leser empfahlen, und dem Manne auf die Schulter klopfend, den wir als das Haupt der Familie bezeichneten, zu ihm sagte:
»Wohl an, Bruder Jakob, weißt Du mehr, als die Andern, und kannst Du uns sagen, wer jener Ritter ist, der ein so langes und so frommes Gebet in unserer Kirche verrichtet?«
»Meiner Treue, Bruder Durand,« antwortete jener, an den die Frage gestellt wurde, »Du würdest mir einen großen Dienst erweisen, wolltest Du selbst es mir sagen, denn ich erinnere mich nicht, sein Gesicht jemals gesehen zu haben.«
»Er ist ohne Zweifel einer von jenen Capitainen, die unser unglückliches Land durchstreifen, weit mehr um ihre eigenen Angelegenheiten zu besorgen, als jene unseres armen Königs Karl VII, den Gott behüte, und ohne Zweifel ist er