Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 32 – Kriminalroman


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Der exzellente Butler Parker – 32 –

      »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, Mister Parker!« stellte Agatha Simpson mit erhobenem Zeigefinger klar und sah unternehmungslustig auf die grüne Waldlichtung.

      »Wie Mylady wünschen«, entgegnete der Butler höflich und reichte seiner Herrin einen leeren Weidenkorb.

      »Ich werde mich auf Trüffeln und Steinpilze konzentrieren«, kündigte sie an und stapfte los.

      »Sind die nicht herrlich, Mister Parker?« ließ sie sich gleich darauf vernehmen und zeigte auf eine Gruppe Pilze mit weißen Pusteln auf den prachtvollen roten Hüten.

      »Falls man nicht gründlich irrt, dürfte es sich um Exemplare der Gattung Amanita muscaria handeln, die auch unter dem Namen Fliegenpilz bekannt ist, Mylady«, warnte der Butler. »Der Genuß ist nicht selten tödlich.«

      »Wie auch immer. Hübsch sind diese Bienenpilze auf jeden Fall«, reagierte Lady Agatha enttäuscht und setzte die Suche fort.

      Parkers Aufmerksamkeit wurde in diesem Moment von einem Gebilde gefesselt, das auf den ersten Blick wie der olivgrüne Hut eines großen Pilzes wirkte. Doch dieser »Pilz« bewegte sich...

      Entschlossen beseitigte der Butler letzte Zweifel am Wesen des merkwürdigen Gebildes, das sich langsam unter den tiefhängenden Zweigen einer jungen Fichte herausschob, indem er mit gewissem Nachdruck seinen schwarzen Lacklederschuh daraufsetzte. Der halb erstickte Jaulton, der postwendend unter der grünlichen Halbkugel aus dem Waldboden quoll, hörte sich eindeutig menschlich an.

      »Was ist denn da los, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen und kam erwartungsvoll näher. Argwöhnisch musterte sie den ungewöhnlichen Fund, der sich heftig zu schütteln begann, sobald Parker den Fuß zurückzog.

      »Los, treten Sie raus aus dem Dickicht!« unterbrach die passionierte Detektivin das Schnauben zu ihren Füßen. »Sie sind umstellt. Gegenwehr ist zwecklos.«

      Zögernd kam das unbekannte Wesen der Aufforderung nach. Unter dem olivgrünen, mit Zweigen besteckten Stahlhelm erschien ein lehmverschmiertes, mit Tannennadeln gespicktes Gesicht.

      Nach und nach schob sich der athletisch gebaute Körper eines jungen Mannes aus dem Dickicht. Der Fremde steckte in einer Art Kampfanzug aus grünlichem Tuch und war mit einem Infanteriegewehr älterer Bauart ausgerüstet.

      »Was sagen Sie dazu, Mister Parker?« verwunderte sich Agatha Simpson. »Durch Wachsamkeit und Taktik habe ich einen hinterhältigen Anschlag auf mein Leben vereitelt.«

      »Quatsch!« knurrte der Mann und raffte sich mühsam auf, derweil Parker vorsorglich das Gewehr an sich nahm. »Ich wollte von Ihnen doch gar nichts. Aber Sie hätten mir fast das Genick gebrochen.«

      »Spielen Sie nicht den Harmlosen, junger Mann!« entgegnete die resolute Dame, während der Unbekannte seinen Nacken massierte. »Gangster Ihrer Sorte erkenne ich immer.«

      »Gangster?« wiederholte der Mann unter dem Stahlhelm. »Das ist eine Beleidigung, Madam.«

      »Was eine Beleidigung ist, weiß ich besser«, sagte Mylady in einem Ton, der jeden Widerspruch als gefährlichen Leichtsinn erscheinen ließ. »Wenn Sie nicht unverzüglich mit der Wahrheit herausrücken, müßte ich mich beleidigt fühlen. Und das hätte unangenehme Folgen für Sie.«

      »Was meine Wenigkeit aus reicher Erfahrung nur bestätigen kann«, fügte der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung hinzu.

      »Moment mal, was wird hier eigentlich gespielt?« erkundigte sich der Fremde irritiert.

      »Gespielt wird überhaupt nicht, junger Mann«, fuhr Agatha Simpson ihm über den Mund. »Das Verhör ist bitterernst. Ich möchte sofort die Wahrheit ...«

      »Was für eine Wahrheit wollen Sie denn eigentlich hören, Madam?« unterbrach der Mann im Kampfanzug gereizt.

      »Daß Sie sich heimtückisch angepirscht haben, um mich durch einen Schuß aus Ihrem Gewehr ins Jenseits zu befördern!« grollte Mylady.

      »Unsinn«, widersprach der Entwaffnete. »Das Gewehr ist ja nicht mal geladen.«

      »Der dreiste Lümmel lügt wie gedruckt, Mister Parker«, ereiferte sich die ältere Dame. »Aber eine Kriminalistin führt man nicht hinters Licht.«

      Mit grimmiger Miene stellte sie ihren Pilzkorb weg, um den perlenbestickten Pompadour besser handhaben zu können. Dabei handelte es sich um einen ledernen Beutel, der mit den zierlichen Damenhandtäschchen der Jahrhundertwende nicht viel mehr als den Namen gemein hatte.

      Myladys Pompadour enthielt auch keine Toilettenartikel, sondern ein veritables Pferdehufeisen, das sie zärtlich ihren »Glücksbringer« nannte. Aus humanitären Gründen war es in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt.

      »Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Mylady zu widersprechen«, meldete sich Parker in diesem Moment zu Wort. »Dennoch sieht man sich zu der Mitteilung genötigt, daß das Gewehr des Herrn tatsächlich nicht geladen ist.«

      »Dann hat der Lümmel die Munition schnell in die Tasche gesteckt, als er sich entdeckt fühlte«, behauptete Lady Agatha unbeeindruckt. »Durchsuchen Sie ihn, Mister Parker.«

      »Finger weg!« knurrte der Mann. »Das geht entschieden zu weit.«

      Der Bedauernswerte ahnte nicht, daß er mit dieser widerborstigen Äußerung zu weit gegangen war – jedenfalls nach Agatha Simpsons Meinung. Als der Fehler ihm bewußt wurde, war es schon zu spät.

      Die ledernen Halteriemen des Pompadours durchschnitten die Luft. Ein dumpfer Ton erschwoll, als Myladys sogenannter »Glücksbringer« sein Ziel erreichte.

      Stöhnend verdrehte der Unbekannte die Augen und sackte zusammen wie eine Marionette.

      Nach dieser »kleinen Belehrung«, wie Agatha Simpson den Vorgang lächelnd nannte, ließ der Mann es widerspruchslos geschehen, daß Parker seine Taschen durchsuchte. Patronen kamen zur Enttäuschung der Detektivin allerdings nicht zum Vorschein.

      *

      »Verdammt, mein Schädel«, brummte der Stahlhelmträger, als er wieder zu sich kam.

      »Seien Sie nicht so wehleidig, junger Mann!« reagierte die resolute Dame ungerührt.

      »Das werden Sie büßen«, schwor der Unbekannte. »Anzeigen werde ich Sie.«

      »Wollen Sie sich etwa bei der Polizei darüber beklagen, daß Sie durch eine kleine Lektion daran erinnert wurden, wie man sich in Gesellschaft einer Dame benimmt?«

      »Kleine Lektion?« wiederholte ihr Gegenüber vorwurfsvoll.

      »Ich kann auch anders, junger Mann«, teilte Lady Agatha gelassen mit und ließ neckisch ihren Pompadour wippen.

      »Was meine Wenigkeit nur mit allem Nachdruck bestätigen kann«, meldete Parker sich zu Wort. »Es dürfte in Ihrem wohlverstandenen Interesse liegen, wahrheitsgemäß auf Myladys Fragen zu antworten, Mister ...?«

      »Walker. Patrick Walker«, nannte der Mann seinen Namen. »Aber was denn für Fragen, verdammt noch mal?«

      »Auf der Stelle will ich wissen, wer Sie in Marsch gesetzt hat.« Mylady stampfte ungeduldig mit dem Fuß. »Welche Kreatur hat Sie beauftragt, mich heimtückisch zu ermorden?«

      »Niemand«, gab Walker mit deutlichen Anzeichen von Irritation zurück. »Ich wollte ...«

      »Der Lümmel will sich herausreden, Mister Parker«, wandte Agatha Simpson sich grollend an ihren Butler. »Ich denke, ich werde ihn einer verschärften Behandlung unterziehen.«

      »Das sind doch alles Hirngespinste«, protestierte Walker. »Ich kenne Sie ja nicht mal.«

      »Eine Kriminalistin führt man nicht aufs Glatteis, junger Mann«, beschied ihn die ältere Dame. »Die Situation war eindeutig. Sie können froh sein, daß ich keine Notwehr angenommen habe.«

      Selbst die Lehmkruste in seinem Gesicht konnte nicht verbergen, daß Walker bei diesen Worten ausgesprochen blaß wurde.

      »Öffnen Sie Ihren Mund«, verlangte die Detektivin. »Wie heißt Ihr Auftraggeber?«

      »Den