Emmanuelle Bayamack-Tam

Arkadien


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       Emmanuelle Bayamack-Tam

       ARKADIEN

       Roman

      Dieses Buch erscheint im Rahmen des Förderprogramms des Institut français.

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      Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

      »Arcadie«.

      © 2018 P.O.L. Éditeur, PARIS

      Erste Auflage

      © 2020 by Secession Verlag für Literatur, Zürich

      Alle Rechte vorbehalten

      Übersetzung: Patricia Klobusiczky

      Lektorat: Christian Ruzicska

      Korrektorat: Peter Natter

       www.secession-verlag.com

      ISBN 978-3-906910-80-2

      eISBN 978-3-906910-79-6

      Für Célia, Céline, Geneviève und Philippe, alle Mitglied im einzigen Club, der was taugt.

      Wahre Gemeinschaft ist das Wirken eines inneren Gesetzes, und das tiefste, einfachste, vollkommenste und erste ist das Gesetz der Liebe. Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften

      Inhaltsverzeichnis

       1.Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag

       2.Fürchtet Euch nicht

       3.Die ewige Anbetung

       4.Der Spiegel der einfachen Seelen

       5.Sie blühen, sie blühen

       6.Die Liebesschwadrone

       7.Der Garten der Qualen

       8.Ich bin fünfzehn und ich will nicht sterben

       9.Die Liebe wird kommen und deine Augen haben

       10.Baile sorpresa

       11.Die Festkönigin

       12.Der andere Name der Kindheit

       13.Die Bergpredigt

       14.Hodeidah

       15.Endzeitträume

       16.Komm und setz dich auf meinen Mund

       17.Oh die glücklichen Tage

       18.Eine heillose Angst

       19.Who’s That Chick?

       20.Einfach fließen lassen

       21.Auf Wiedersehen, Kinder

       22.Nach dem Gewitter

       23.Des Schrecklichen Anfang

       24.Geistige Gesundheit ist ein zerbrechlich Ding

       25.Hermaphroditos Anadyomene

       26.Grenzzwischenfälle

       27.Was nützt die Liebe?

       28.The long goodbye

       29.Fern vom Paradies

       30.Here but I’m gone

       31.Die schwarze Dahlie

       32.Girls in Hawaii

       33.Pollice verso

       34.Dschungel

       35.Apocalypse now

       36.Der kommende Aufstand

1.

      Wir kommen nachts an, nach einer anstrengenden Fahrt im Toyota Hybrid meiner Großmutter – schließlich mussten wir halb Frankreich durchqueren und dabei Hochspannungsmasten und Mobilfunkantennen meiden, während uns die Schreie meiner Mutter in den Ohren hallten, trotz ihrer Rüstung aus Antistrahlungstüchern. Wie wir an diesem Abend empfangen werden, wie mein erster Eindruck von den Örtlichkeiten ist, weiß ich kaum mehr. Es ist spät, es ist dunkel, und ich muss das Bett mit meinen Eltern teilen, weil für mich noch kein Zimmer vorgesehen ist – an meinen ersten Morgen im Liberty House erinnere ich mich hingegen ganz genau, vom Licht der Dämmerung an, das durch die gestärkten Vorhänge fällt, ohne mich wirklich zu wecken.

      Auf dem Rücken ausgestreckt, die Hände schlaff im Schoß gefaltet, mit Satinmasken auf ihren wächsernen Gesichtern, flankieren meine Eltern mich wie zwei friedvolle Grabfiguren. Diesen Frieden hatte ich mit ihnen bisher nie erlebt. Tag und Nacht musste ich mit den Schmerzen meiner Mutter und den quälenden Sorgen meines Vaters zurechtkommen, mit ihrer ständigen, sinnlosen Aufregung, ihren verzerrten Gesichtern und ihrem ängstlichen Gerede. Also bleibe ich liegen, obwohl ich es kaum erwarten kann, aufzustehen und mein neues Heim zu erkunden, und ich lausche ihrem Atem, mache mich ganz klein, um mehr von ihrer Wärme abzubekommen und mich wohlig in ihre Laken zu kuscheln.

      Von draußen dringt fröhliches Trillern zu mir, als teilten ganze Nester voller unsichtbarer Spatzen meine Freude, am Leben