Rick Reilly

Der Mann, der nicht verlieren kann


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      Rick Reilly

      Der Mann, der nicht verlieren kann

      Warum man Trump erst dann versteht,

      wenn man mit ihm golfen geht

      Aus dem amerikanischen Englisch von Hans-Peter Remmler

      Hoffmann und Campe

      Dieses Buch ist der Wahrheit gewidmet.

      Es gibt sie noch.

      Kapitel 1 Die Mutter aller Lügen

      Wenn du den wahren Charakter eines Menschen herausfinden willst, spiele Golf mit ihm.

      P.G. Wodehouse

      Ich kenne Donald Trump seit dreißig Jahren, und in der ganzen Zeit habe ich ihm nie auch nur ein einziges Wort geglaubt, aber ganz im Ernst: Ich war mir immer sicher, er selbst auch nicht. Der war wie dieser verrückte Onkel, der dir bei der Familienfeier einen vom Pferd erzählt, wie er damals Frank Sinatra höchstpersönlich eine reingesemmelt hat, und deine Eltern sitzen in der Küche und verdrehen die Augen. Er hat immer bloß Mist verzapft, aber meistens irgendwie amüsanten Mist.

      Einmal war ich zum Beispiel in seinem Büro im Trump Tower. Er zog eine gelbe laminierte Karte aus der Brieftasche und knallte sie auf den tonnenschweren Schreibtisch wie das vierte Ass beim Pokern.

      »Sehen Sie sich das an!«, sagte er. »Ganze neun Menschen auf der Welt haben so was!«

      Auf der Karte stand: Der Inhaber dieser Karte isst in jedem McDonald’s weltweit umsonst.

      »Außer mir haben nur Mutter Teresa und Michael Jordan so eine Karte!«, tönte er.

      Ich stellte mir in dem Moment vor, wie Mutter Teresa bei McDonald’s in Kalkutta vorfährt, das Seitenfenster runterlässt, sich in ihrer Ordenstracht hinauslehnt und sagt: »Ich hätte gerne zehntausend Doppel-Cheeseburger, bitte schön.«

      Ich mochte Trump in derselben Weise, wie ich Batman mochte. Er war, wie in den Augen eines Achtjährigen ein Multimilliardär eben zu sein hatte – der Name steht in drei Meter großen Lettern auf Wolkenkratzern und dicken Düsenjets, an jedem Arm ein paar mehr oder weniger scharfe Blondinen, und aus den Socken lugen 1000-Dollar-Scheine hervor.

      Mir war also klar, diese Sache mit der »Kandidatur für die Präsidentschaft« musste irgendeinen Haken haben. Es gibt immer irgendeinen Haken. Man musste nur wissen, wo.

      Bei meiner ersten Begegnung mit Donald Trump – das ist Ewigkeiten her – arbeitete ich als Kolumnist für die Sports Illustrated. Ich war Teilnehmer beim AT&T-Pebble-Beach-Pro-Am-Golfturnier – bei dieser Turnierform treten Profis und Amateure gemeinsam an. Trump kam mit seinem Bibelverkäufergrinsen auf mich zu und streckte mir seine Hand mit den kurzen Fingern entgegen. Auch seine damalige Frau, Marla Maples, lächelte mich an.

      O-ooh, dachte ich. Was geht denn hier ab?

      »Sie sind mein Lieblingsschreiber!«, bellte Trump. »Ich mag, was Sie machen. Sag’s ihm, Marla!«

      »Es stimmt!«, sagte sie. »Sehen Sie mal!« Dabei zog sie eine meiner Kolumnen aus ihrer Brieftasche. Okay, da läuft der Hase lang. Aber wo war der Haken?

      »Also«, fragte er, »wann schreiben Sie denn etwas über mich

      Aha, da war er schon, der Haken.

      Kein Problem. Trump war schließlich der zugänglichste, bombastischste und zitierfähigste Geschäftsmann auf dem Planeten. Warum sollte ich da Nein sagen? Als ich dann begann, mein Golfbuch zu schreiben (Who’s Your Caddy?), in dem ich den Caddy für zwölf Golflegenden, Promis und ein paar schräge Vögel spielen wollte, fragte ich ihn, ob er auch ein Kapitel haben wollte. »Auf jeden Fall!«, meinte er.

      Der Tag kam, und was fehlte, war ein Mitspieler für Trump, deshalb ließ er wissen, ich wäre nicht sein Caddy, sondern sein Gegner bei dieser Runde. Okay, man nimmt, was man kriegt. Wir spielten auf seinem Trump National Golf Club Westchester in Briarcliff Manor, New York, und es war ein bizarrer Tag, unwirklich, geradezu schwindelerregend.

      Apropos Schwindel: Trump log an dem Tag nicht bloß unablässig über sich selbst. Er log auch andauernd über mich. Er ging zu irgendeinem anderen Clubmitglied und sagte: »Das ist Rick. Er ist der Boss von Sports Illustrated.« Der andere reichte mir die Hand, die ich gerade zögernd ergreifen wollte, da hatte mich Trump auch schon zum nächsten Clubmitglied weitergezerrt. Oder zum Vereinsschriftführer. Oder zum Vereinsküchenchef. »Das ist Rick. Er ist der Herausgeber von Sports Illustrated.« Bevor ich widersprechen konnte, ging es weiter: »Und das da ist mein Küchenchef. Er wurde zum besten Hamburger-Koch der Welt gewählt!« Der arme Küchenmeister und ich warfen uns gegenseitig ein hilfloses »Kein Wort wahr«-Kopfschütteln zu.

      Als wir irgendwann allein waren, fragte ich Trump schließlich: »Donald, wieso verbreiten Sie ständig Lügen über mich?«

      »Klingt besser«, sagte er.

      Klingt besser: Genau so läuft das bei Trump. Alles, was er sagt und tut, ist genau darauf ausgerichtet. Wahrheit interessiert Trump nicht die Bohne. Es kommt bloß darauf an, wie es klingt, wie es aussieht, die Außenwirkung zählt – sollen die Faktenchecker doch selbst sehen, wie sie in einer 50-Meter-Halle einen 100-Meter-Lauf unterkriegen.

      Ein Freund von mir war 2015 einmal mit Trump und seiner Frau Melania zum Abendessen. Damals war diese Sache mit der Präsidentschaftskandidatur gerade erst im Entstehen. Die Konversation der Männer und Frauen am Tisch hatten jeweils eigene Wege eingeschlagen. Die Frau meines Freundes erkundigte sich: »Sie haben einen hübschen Akzent, Melania. Wo stammen Sie her?«

      »Aus Slowenien«, antwortete sie.

      Mitten im Satz wandte sich Trump zu ihr und warf ein: »Sag doch Österreich. Klingt besser.«

      Aber als ich dann beim Frühstück die Mutter aller Lügen las, fiel mir fast das Müsli aus dem Mund. Es war ein Tweet, den er ursprünglich 2013 gepostet hatte, gelesen habe ich ihn jedoch erst nach Beginn seiner Wahlkampagne. Trump war zu dem Zeitpunkt in eine seiner vielen Hundert Fehden mit anderen Prominenten verwickelt, diesmal zur Abwechslung mit jemandem aus seiner Gewichtsklasse – Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, Milliardär und Sportfan. Cuban hatte ihn Jahre zuvor in irgendeiner belanglosen TV-Show heruntergeputzt. »Ich glaube, ich habe gesagt: ›Ich kann jederzeit einen dickeren Scheck ausstellen als Trump, und ich würde noch nicht einmal merken, dass etwas fehlt‹«, erinnert sich Cuban.

      Trump kochte vor Wut. Trump kann eimerweise Beleidigungen über andere auskübeln, aber wehe, er bekommt einmal einen Fingerhut voll zurück. Sein Motto lautet: »Wenn ich angegriffen werde, schlage ich zehnmal härter zurück.« An dem Tag schwor er Cuban ewige Rache. Er forderte ihn heraus.

      Golfmatch? Ich habe 18 Clubmeisterschaften gewonnen, die letzte erst an diesem Wochenende. @mcuban hat einen Schwung wie ein kleines Mädchen, null Power, null Talent. Mark ist ein Loser

      – Donald J. Trump auf Twitter, 19. März 2013

      18 Clubmeisterschaften? Das ist, als würde Ihnen ein Quarterback der National Football League (NFL) erzählen, er hätte 18-mal den Superbowl gewonnen. Es ist grotesk. Diese Lüge ist größer als Maradonas »Hand Gottes«. Und übrigens: Wie er das hinbekommt, hat mir Trump bereits an jenem Tag in Westchester verraten. »Immer wenn ich einen neuen Golfplatz eröffne«, erzählte er mir, »spiele ich die offizielle Eröffnungsrunde, und dann erkläre ich einfach das zur ersten Clubmeisterschaft. So einfach ist das! Ich bin der erste Clubmeister! … Aber das bleibt natürlich unter uns.«

      Sie müssen zugeben: Es ist schäbig und moralisch verwerflich, aber es ist auch ganz schön clever.

      Ich behielt es tatsächlich jahrelang für mich. Aber dann hörte er einfach nicht auf, es den Leuten immer und immer wieder unter die Nase zu reiben.

      »Sie müssen wissen, ich habe 18 Clubmeisterschaften gewonnen«, sagte er ein halbes Dutzend Mal bei seinen Wahlkampfauftritten. »Ich bin eben ein Gewinner.« Als wäre der Kofferraum seines Rolls-Royce so randvoll mit