Hermann Grabher

Den Staub der Väter abstreifen


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      Hermann Grabher

      Den Staub der Väter abstreifen

      © 2020 Hermann Grabher

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback:978-3-347-13252-8
Hardcover:978-3-347-13253-5
e-Book:978-3-347-13254-2

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       1. Lassen wir uns nicht aufhalten

      „Man soll nicht nachtrauern, dass man es im Leben verpasste alle schönen Mädchen dieser Welt geküsst zu haben!“ Dies sagte mir jüngst Jim, ein Geschäftsfreund aus den USA, ein alter Kerl wie ich – gerade noch nicht achtzig, aber nahe davor. Eigenartigerweise animiere ich immer wieder Leute, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen, ohne dass ich sie danach gefragt hatte. Das geht so weit, dass meine Frau, wenn ich verspätet nachhause komme, die Augenbraue hochzieht und frägt, ob mir einer wieder seinen Lebenslauf angedreht habe… Nun denn, dieser Jim, dieser Amerikaner sagte, dass er in seinem Leben alle Chancen hatte ein reicher Mann zu werden, die bestehenden grossartigen Möglichkeiten aber nicht nutzte, Gott allein wisse weshalb. „Als Finanzfachmann habe ich viel Erfahrung und ein weites Wissen“, sagte er. „Ich verfüge auch über das notwendige Netzwerk, um an die reichen Investoren zu gelangen. Aber unglücklicherweise funktionierte es nie mit dem grossen Wurf! Stets kam etwas dazwischen! Meist Lappalien, Kleinigkeiten!“ Meine Antwort an Jim gab ich ebenfalls in Form geflügelter Worte: „Bei uns sagt man, dass es besser sei mit einem Spatz in der Hand zufrieden zu sein, statt einer Taube auf dem Dach! – Jim, ich nehme an, dass Du trotzdem nicht am Hungertuch nagen musst!“ Seine Antwort: „Nein, absolut nicht. Ich habe ein wunderschönes Haus in Florida, das wir – meine Frau und ich – aber leider schon seit längerer Zeit nicht nutzen. Denn unsere Tochter in Pennsylvania ist sehr krank und wir fühlen uns verpflichtet, sie zu pflegen. Manchmal ist es eben umgekehrt als es eigentlich sein sollte: In Ausnahmefällen sind erwachsene Kinder froh und dankbar um ihre alten Eltern, wenn sie von diesen an Leib und Seele gestützt werden!“

      Der Drang des Strebens nach mehr - mehr Ruhm, mehr Ehre und grösserem Reichtum – hängt vielen von uns an. Dabei geht es bei dieser Jagd wohl nicht mal vordergründig um die Äufnung des Bankkontos, sondern eher um Anerkennung. Wer möchte nicht bedeutsam sein! Viele von uns fühlen sich unterbewertet. Wir bemühen uns sehr es gut zu machen und heimsen dennoch immer wieder nur das Gegenteil von dem ein, nach was wir streben, nach was wir uns eigentlich sehnen. Wir empfangen Schelte, Vorwürfe, Anschuldigungen, die wir als ungerecht empfinden - vom Chef, vom Ehepartner, von den lieben Verwandten, von der Gesellschaft. Wir fühlen uns unverstanden, werden oft verletzt. Dabei würde uns Aufmunterung gut tun, wäre Ansporn uns aufzurichten in Phasen, in denen unser Selbstwertgefühl angeschlagen ist und wir leiden.

      Jims Geschichte gab mir zu denken. Überhaupt animieren die aktuellen Umstände dazu demütig und dankbar zu sein. Wir persönlich fühlen uns sehr privilegiert, weil unsere Familie gesund ist und wir in sozial gefestigten Verhältnissen leben dürfen. Es ist keine Selbstverständlichkeit.

      Kaum hatte ich mein Buch von wegen früher war alles besser im Winter 2020 abgeschlossen, brach Corona aus. Die Pandemie verschob bei vielen Menschen die Sichtweise auf die Dinge des Lebens. Unzähligen Menschen, Frauen wie Männern, Jungen wie Alten verschaffte der wirtschaftliche Stillstand unfreiwillig eine Atempause. Man bekam Zeit über das eigene Leben nachzudenken. Ob die hiermit gefassten positiven Vorsätze nachhaltig sein werden, wird sich weisen. Jeder, jede wird persönlich entscheiden, wie engagiert er, sie diese Vorsätze fortan umsetzen wird. Leider habe ich eher eine ungute Ahnung, dass wir uns sehr bald wieder jenem Zustand annähern werden, der uns als „vor der Krise“ sehr gut bekannt ist.

      Mit meinen Gedanken in von wegen früher war alles besser versuchte ich Optimismus zu verbreiten, zu positivem Denken anzuregen, im Jetzt aktiv an unserer Zukunft zu bauen. Ich wies darauf hin, welche unglaublichen Chancen die Menschen, welche aktuell auf unserer Erde leben, geboten bekämen. Dass es noch nie je eine Generation gab, die so gut lebte, wie wir es aktuell tun. Die Kardinalfrage wenige Monate später - im Sommers 2020 - lautet: Hat sich durch Corona unsere Perspektive für die Zukunft grundsätzlich verändert - verschlechtert? Meine Antwort ist eindeutig und lautet: Nein! Wir haben aktuell wirtschaftlich zwar einen derben Rückschlag zu verkraften und müssen in diesem Jahr (2020) auf ein Wirtschaftswachstum verzichten. Wir werden in unserem Land vielleicht mit einem Minus von fünf oder sechs Prozent zu rechnen haben. Doch schon im kommenden Jahr (2021) wird es wieder aufwärts gehen. Wir dürfen zuversichtlich sein, im nächsten Jahr zumindest nicht mehr negativ zu sein. Dabei wird es 2020 für die wohlhabenden Länder nur eine kleinere wirtschaftliche Delle absetzen, für die anderen Nationen allerdings eine bedeutungsvolle, eine schmerzhafte Beule. Diese werden wohl Jahre benötigen, um die eingehandelten Verluste wieder einigermassen aufzuholen. Möglicherweise werden sie auch nie in der Lage sein die hiermit aufgehäuften Schulden zurück zu zahlen. Die Reichen werden Solidarität zeigen müssen mit den Brüdern und Schwestern in Not, dies nicht ohne auch an einen gewissen Eigennutz zu denken. Denn je besser die Bürger eines anderen Landes aufgestellt sind, umso eher können wir erwarten, dass sie so finanzstark sind, unsere hier teuer produzierten Produkte sich leisten zu können.

      Unser Ausbildungssystem wird gestärkt aus der Krise herauskommen. Die Experten haben wichtige Erkenntnisse gewonnen, die für die jetzige und die künftigen Generationen von Schülern, Studenten und Auszubildenden vorteilhaft sein werden. Insbesondere die Möglichkeiten auf elektronischem Weg Wissen zu vermitteln, werden ausgebaut werden. Allerdings haben nicht wenige Lehrpersonen Bedenken, dass schwache und undisziplinierte Schüler durch Fernunterricht noch weiter ins Hintertreffen geraten könnten. Von den guten Schülern weiss man, dass sie durch diese neuartigen Lehrmethoden sogar profitieren können und raschere Lernfortschritte erzielen. Psychologen kamen allerdings gleichzeitig zur Erkenntnis, dass eine persönliche Beziehung zwischen den Lernenden einerseits und den Lehrern und Erziehern andererseits nicht zu ersetzen ist. Denn die zwischenmenschliche Komponente ist für Kinder und Jugendliche in der Entwicklungsphase wichtig. Es ist jene Stufe, in der sie sich auf den Schritt ins selbstständige Leben vorbereiten.

      Das Krisenmanagement des Gesundheitswesens hat sich bewährt. Man hat dabei auch die Schwachpunkte erkennen können und kann sich jetzt damit befassen, diese zu verbessern oder möglichst zu eliminieren. Sollte uns je eine weitere Epidemie oder Pandemie heimsuchen – was ziemlich sicher früher oder später erneut geschehen dürfte, werden wir besser gewappnet sein und auf den gemachten Erfahrungen aufbauen können. Auf jeden Fall hat heute jedermann zumindest eine Gesichtsmaske zuhause lagernd. Unsere bisherige mehr oder weniger leise Ahnung ist der Überzeugung gewichen, dass ein Nasen- und Mundschutz zusammen mit regelmässigem Händewaschen und körperlichem Distanzhalten die Gefahr einer Ansteckung effizient mindert. In der Tat ist dies ziemlich unterschiedlich zu jenem, was uns die Experten diesen Frühling auf allen Kanälen die ganze Zeit weiszumachen versuchten!

      Noch einige Gedanke in Richtung Banalität:

      Aktuell (Mitte 2020) schwankt die Volksseele offensichtlich zwischen mehr oder weniger sanftem Erwachen aus dem Corona-Schlaf und wütendem Aufruhr. Weil uns das alljährlich wiederkehrende wohlige Gefühl der Sommerwärme in Beschlag genommen hat, wächst der Wunsch nach Freiheit, Freizeit und Ferien. Die Trends dürften in diesem Jahr wohl etwas unterschiedlich gegenüber den Vorjahren gesetzt sein. Einerseits haben nicht nur jüngere Menschen das Stubenhocken satt und die aufgestaute Lust auf Abwechslung und Abenteuer muss abgebaut werden. Andererseits sind Ferien im Ausland doch mit höheren Risiken verbunden, nicht nur der erhöhten Ansteckungsgefahr wegen. Der Bund hat klar gemacht, dass es jetzt keine organisierten Rückholflüge mehr geben wird. Und Länder können von heute auf morgen auf die Quarantäneliste gesetzt werden. Das bedeutet, dass Ferienrückkehrer erst zehn Tage in Quarantäne